Sänger Boris Bukowski: "Man riskiert immer, sich lächerlich zu machen“

Boris Bukowski über den Sieg über den Krebs, wie er zum Austropop steht und welch eiserne Regel er stets im Umgang mit Rauschmitteln befolgte.

Seine Hits wie „Trag meine Liebe wie einen Mantel“, „Fandango“ oder „Kokain“ kennt ganz Österreich. Am 30.9. kann man Boris Bukowski beim Event freizeit.live (alle Infos darüber hier) erleben: Beim Speeddating steht er Besuchern Frage und Antwort zu Leben und Karriere. Davor schon gab er der freizeit ein Interview und sprach mit uns etwa über seine überstandene Krebserkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) und die emotionalen Momente seines Comebacks.

Nach Ihrer Krebserkrankung treten Sie wieder auf. Wie geht es Ihnen?

Sehr gut. Seit zehn Monaten ist vom Krebs keine Spur mehr. Es gilt ja, je länger nichts zurückkommt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er niemals wiederkehrt. Das gilt nicht für alle Zeiten. Aber im Moment habe ich wieder Kraft. Und eben sieben Konzerte gespielt.

Wie war der erste Auftritt emotional für Sie nach Ihrem Sieg über den Krebs?

Total wichtig für mich. Schiffkowitz von STS und Opus sind im Publikum gesessen und haben mir berichtet, wie toll die Stimmung war, schon vor dem ersten Song. Die Leute haben sich total gefreut, dass ich noch am Leben bin. Damit hab ich nicht gerechnet. Es war großartig.

Was ging Ihnen, Minuten davor im Grazer Orpheum, durch den Kopf?

Ich bin draufgekommen, dass ich immer noch zu Lampenfieber neige. Und dieses Mal natürlich ganz besonders. Ich habe mich mehr als sonst auf diesen Auftritt gefreut. Und es war dann auch ein Paukenschlag. Bei sechs Nummern trete ich zum ersten Mal mit Bläsern auf. Großartig.

Nach all den Jahren, immer noch Lampenfieber?

Bei jedem Auftritt geht es immer auch ums mögliche Scheitern. Das macht es ja so total spannend. Und lässt einen mörderisch viel Adrenalin ausschütten. Mein schlechtestes Konzert war das Abschiedskonzert mit meiner alten Band Magic: Normalerweise will man so gut sein, wie es nur geht. Aber damals wussten wir: Egal, ob es gut oder schlecht wird – es ist wurscht, weil es ist das letzte Mal. Die Anspannung fehlte.

Immer wieder interessant, welch großer Antrieb die Angst vor dem Scheitern ist.

Ist sie zweifellos. Man riskiert immer, sich lächerlich zu machen. Dabei sind es gerade die Hoppalas, die einem passieren, die das Publikum beglückt nach Hause gehen lassen. Weil es weiß: Das war echt und live.

Was war das vorherrschende Gefühl, als Sie die Diagnose erhielten – waren Sie wütend, haben Sie sich geschämt?

Ich war nicht wütend und auch nicht betroffen, weil es mich erwischt hat. Ganz und gar nicht. Ich bin ein sehr positiver Mensch. Als ich bei Google auf eine englische Studie stieß, deren Conclusio war, dass die Hälfte der Patienten das zweite Jahr nicht überlebt, war das natürlich ein Dämpfer. Sehr schlimm wurde es dann, als der Tumor in mir neun mal acht Zentimeter groß war. Ich konnte vor Schmerzen nicht mehr liegen, weil mir das so auf die Herz-Aorta brannte, nur noch sitzen, an Schlaf war nicht zu denken. Übernachten konnte ich nur im Sitzsack. Da war ich das erste Mal verzagt.

Boris Bukowski

Boris Bukowski

Boris Bukowski wurde 1946 in Fürstenfeld geboren. 1974 promoviert er zum Dr. jur., zudem ist er Schlagzeuger und Sänger der Band Magic. 1985   Solo-Album, 1989 Nr. 1 mit „Trag meine Liebe ...“. Jüngstes Album: „Gibt’s ein Leben vor dem Tod?“. 2022 Amadeus Award fürs Lebenswerk. Seit fünf Jahren verheiratet. 

Was hat Ihnen wieder Mut gemacht?

Die Professoren im AKH. Sie meinten, vergessen Sie Google. Zumal Ihr biologisches Alter viel niedriger ist als Ihr statistisches. Was mir auch half, war meine Fitness.

Ob Radfahren oder Rafting, Sie waren immer schon sehr sportlich.

Im letzten Vierteljahrhundert habe ich fünf Mal die Woche eine Stunde lang Sport betrieben. Mir ist schon klar, dass man damit keinen Krebs besiegen kann. Aber meine Fitness hat mir geholfen, die stundenlangen Infusionen und harten Medikamente durchzustehen. Dadurch konnte ich das besser aushalten als viele andere.

Denken Sie heute anders übers Leben nach als vor der Erkrankung?

Zum Teil, ja. Meine Mutter ist 99 Jahre alt geworden. Ich dachte, wenn ich mich fit halte, könnte ich das auch schaffen. Weil ich sehr gut auf mich aufpasse. Aber natürlich fühle ich mich heute nicht mehr so unbesiegbar wie davor. Es kann jederzeit was daherkommen, mit dem nicht zu rechnen ist. Und das ich nicht im Griff haben kann.

Sportlich sind Sie aber geblieben?

Bewegung ist mein Lebenselixier. Meine Frau ist 37 Jahre jünger als ich. Aber beim Radfahren kommt sie mir nicht nach.

Wie geht sie damit um, mit einem Mann verheiratet zu sein, der bekanntlich behauptet hat, Gott ist eine Frau?

Ich glaube, sie schätzt das.

Sie begleitet Sie seit zehn Jahren treu durch alle Lebensphasen.

Das macht sie. Am Anfang meiner Diagnose war sie sehr arm, das hat ihr den Teppich unter den Füßen weggezogen. Sie hat dann gesehen, wie ich damit umgehe. Und sich wieder gefasst und war gut drauf.

Sie haben einmal gesagt, das Leben sei im Alter immer schöner geworden.

Man nimmt viele Dinge lockerer, ist dankbarer. Gleichzeitig bin ich disziplinierter geworden. Ich bin ständig am Überlegen, was ich besser machen kann. Wenn das fruchtet, freue ich mich über den Erfolg.

Nach 30 Minuten waren alle zehn Melodie wieder weg. Mir hat Kokain nichts gebracht.

Manche Künstler kriegen beim Begriff Austropop Ausschlag. Sie auch?

Viele verwenden den Begriff falsch. Für mich ist Austropop eine historische Stilrichtung. Wichtig ist dabei, seit den großartigen Pionieren wie Wolfgang Ambros: Man singt erstmals in seiner eigenen Sprache – nicht auf Englisch, auch nicht auf Hochdeutsch. Und die Texte dürfen sehr persönlich sein. Werden Sie wie von selbst, wenn man in seinem Dialekt singt. Völlig falsch wäre es, unter Austropop alles einzuordnen, nur weil es ein Österreicher singt. Mich selbst zähle ich übrigens nicht zum Austropop. Dialekt habe ich nie gesungen.

Einer Ihrer großen Hits war „Trag meine Liebe wie einen Mantel“. Wissen Sie noch, auf wen das Lied gemünzt war?

Man baut vieles ein, das man erlebt hat. Ebenso, was man sich wünscht. Dann wird das verstärkt und in bessere Worte gekleidet. Aber ich könnte nie sagen, dass ein Lied von mir ausschließlich einen bestimmten Menschen im Sinn hat. Es ist das weitaus meistgespielte Lied von mir.

Auch Ihr Hit „Kokain“ hat Bestand. Wie von Drogen geprägt haben Sie die 80er-Jahre in Erinnerung?

Ich habe so einiges ausprobiert, aber mir strenge Vorgaben gesetzt. Erstens: Von Heroin lasse ich die Finger. Sein starker Suchtcharakter ist bekannt. Zweitens: Nie mehr als eine bestimmte Dosis pro Nacht. Zudem muss eine Woche vergehen bis zum nächsten Mal. Und drittens: Ich nehme eine Droge nie aus Not. Etwa weil ich die Welt so schrecklich finde, dass ich es anders nicht mehr aushalte. Aus diesem Respekt vor der Wirkung von Drogen konnten sie mir nichts anhaben. Ich wollte bloß das Ende des Regenbogens entdecken. Was sehe ich dort?

Und was gab der Regenbogen preis?

Ich hoffte, mir würden besonders tolle Melodien einfallen – das war ein Irrtum. Dabei hatte ich mir schon Gitarre und Recorder bereit gelegt. Von den zehn Melodien in meinem Kopf habe ich versucht, eine herauszufiltern, zu notieren und festzuhalten. Aber das ist mir nicht gelungen. Und nach 30 Minuten waren alle zehn Melodien wieder weg. Mir hat Kokain nichts gebracht.

Wie geht es Ihnen mit dem Titel Legende?

Es bedeutet mir nicht so viel, dass es mich überheblich werden ließe.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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