Erika Pluhar: "Die aktuellen Zustände sind faschistoid"

Erika Pluhar über ihren neuen Roman, die Liebe im Alter, Erotik, nicht vergessenen Schmerz und ihre Sorge um Österreich.

Das Leben habe ihr ziemlich eingeschenkt, meint Erika Pluhar. Sie lächelt dabei. Star am Burgtheater, Sängerin – das ist das eine. Zugleich bekam ihr Ex-Mann Udo Proksch lebenslang wegen Mordes. Ihre Tochter Anna starb früh. "Trotzdem" sei ihr Wort, sagt Pluhar, als sie uns im Salon ihrer Villa in Wien-Döbling empfängt. Und meint: trotzdem weiterleben.

Als Autorin ist Pluhar sehr erfolgreich. Mit "Spät aber doch" legt sie eine "mögliche Fiktion" vor: Die Liebesgeschichte zweier alt gewordener Menschen. Nach 60 Jahren trifft Luisa Heinrich wieder. Sie blicken auf ihre Jugendliebe zurück, die Höhen und Tiefen ihrer Leben. Und nähern sich neu an.

Frau Pluhar, gibt es ein Alter, in dem man sich nicht mehr verlieben sollte?

Ich finde, wenn man sich verliebt, soll man sich verlieben. Aber man muss wissen: Verlieben ist nicht Lieben. Das Verliebtsein hört wieder auf. Heiraten etwa sollte man erst, wenn sie in Liebe und Freundschaft übergeht.

"Ich habe es nicht so mit alten Männern", so Pluhar. "Und junge Männer und selber alt sein, das gefällt mir auch nicht"

©Kurier/Martina Berger

Sie waren zweimal verheiratet, beide Ihrer zwei Ehemänner waren sehr bekannt in Österreich. 

Über Jahre bin ich besonders über meine zwei sehr exzeptionellen Ehemänner befragt worden. Proksch und Heller, immer wieder. Ich habe mir wirklich jene zwei Männer ausgesucht, die jeder kennt in diesem Land. Nur, als ich sie kennenlernte, waren sie ja noch unbeschriebene Blätter.

War das Verheiratetsein etwas für Sie? 

Ich muss sagen, ich bin kein geeigneter Mensch für ein gutes Zusammenleben. 

Ich kann nicht ständig jemand neben mir aushalten. Ich mag kein gemeinsames Frühstück, ich schlafe und träume auch lieber allein. Ich verstehe Paare, die räumlich getrennt leben und nur zusammen sind, wenn sie das gerade wollen.

Ich bin immer noch ein sinnlicher Mensch. Aber auf so ein Gerangel, wie man es im Fernsehen sieht, lass ich mich eigentlich nicht mehr ein.

Erika Pluhar

Mit wem leben Sie jetzt zusammen?

Jetzt lebe ich mit meinem Enkelsohn Ignaz, seiner Frau und meinem vierjährigen Urenkel. Ich bin nicht vereinsamt. Aber ich lebe allein.

Wird die Liebe im Alter leichter oder schwerer?

Kommt darauf an, auf was man sich einlässt. Ich habe mich im Altwerden so mit 60 dazu entschlossen, das mit der Liebe sein zu lassen. Ich habe es nicht so mit alten Männern. Und junge Männer und selber alt sein, das gefällt mir auch nicht.

Im Gespräch: Erika Pluhar mit freizeit-Redakteur Alexander Kern

©Privat

Beruht Ihr Buch auf eigenem Erleben?

Die Frau in dem Buch hat einiges mit mir zu tun. Aber ich spiele auch mit meiner Imagination. Die Leser werden sich natürlich fragen: Wer ist der Mann, über den sie da schreibt? Ich kann ganz offen sagen: Der Beginn des Plots ist autobiografisch. Vor zwei Jahren bin ich wirklich meiner Jugendliebe aus der Tanzschule in die Arme gelaufen. Er lebt heute woanders. Er ist gespannt darauf, wie ich unsere Geschichte weiterspinne.

Man setzt sich mit einer späten Liebe auch Verletzungen und Sehnsüchten aus, mit denen man eigentlich abgeschlossen hatte.

Man geniert sich auch für seinen alt gewordenen Körper. Meine Lektorin hat sich schiefgelacht, als sie die Liebesszene im Buch gelesen hat, in der ich beschreibe, wie die zwei sich nur im Dunkeln unter die Bettdecke trauen. Man hat Verwundungen hinter sich, und man schaut auch anders aus.

Die Initialzündung für einen Roman über späte Liebe gab also die Wirklichkeit. Möchten Sie nur über Erlebtes schreiben?

Man glaubt immer, ich schreibe autobiografisch, selbst wenn es nicht so ist. Ich kann nur sagen, dass ich mit der Kompetenz der eigenen Erfahrung schreiben muss.

Also lieber keinen Gegenwartsroman?

Es ist mir schwierig geworden, über jüngere Menschen zu schreiben. Ich lebe so analog wie möglich. Zwar besitze ich ein iPhone, weil mein Nokia nach Jahrzehnten den Geist aufgegeben hat. Sonst lasse ich den digitalen Irrsinn nicht an mich heran. Kein Twitter, kein TikTok. Aber ich beantworte E-Mails.

Schreiben Sie über WhatsApp?

Ich telefoniere. Ein Telefonat regelt alles besser als jede Hin-und-Her-Schreiberei.

Erika Pluhar: "Der Tod meiner Tochter war wie ein innerlicher Tod für mich"

©Kurier/Martina Berger

Denken Sie oft an vergangene Lieben?

Ich bin immer noch ein sinnlicher Mensch, das bleibt man. Aber auf so ein Gerangel, wie man es im Fernsehen sieht, lass' ich mich eigentlich nicht mehr ein. Eine gewisse Erotik bewohnt mich dennoch auch im Alter immer noch. Aber auf eine enge Liebesbeziehung würde ich mich nicht mehr einlassen. Sie zu erfinden hat mir aber Freude bereitet.

Auch die Bühne fordert Zeigefreudigkeit. 

Bühne funktioniert nicht ohne eine Form von Erotik. Dabei hat Erotik nicht unbedingt mit Schönheit zu tun. An der Burg war ich früher vielen zu hübsch fürs Theater. Jetzt müssen in der Kultur alle hässlich sein, das liegt im Trend. Bergschuhe, fettige Haare, nur bloß nicht schön. Stars? Gibt es kaum.

Ich möchte mein Land nicht von einem blauen Kanzler vertreten wissen. Da schäme ich mich meines Landes. Die aktuellen Zustände sind faschistoid.

Erika Pluhar

Ihre Heldin meint, sie wolle dem Alter Würde geben und es nicht verdrängen.

Ich mag die aufgespritzten Plusterlippen dieser alten Damen nicht. Ich habe mich stets um das Frausein bemüht – um als Frau Mensch sein zu können, der selbstständig und selbstverständlich lebt. Heute werden Diversität, Queerness und Binnen-I’s überbetont. Wichtiger wäre mir, dass Frauen für gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen. Stattdessen bekomme ich schreckliche Trends wie "Tradwifes" mit, bei denen Frauen ein Leben als Heimchen am Herd propagieren.

Erika Pluhar

Erika Pluhar

Erika Pluhar wurde 1939 in Wien geboren. Die Schauspielerin war ein Star am Burgtheater, spielte in Filmen und ist als Sängerin und Autorin erfolgreich. Sie war mit Udo Proksch und André Heller verheiratet. Mit Ersterem hat sie Tochter Anna, die 1999 verstarb.  Deren Adoptivsohn Ignaz hat Pluhar adoptiert.

Was hat Sie abgesehen vom Leben noch zu Ihrem Buch inspiriert? 

Ich wollte der bedrückenden politischen Zeitenwende Menschlichkeit und Liebe entgegensetzen. Ich wünsche meinem vierjährigen Enkel eine menschenwürdige Welt. Ich möchte mein Land nicht von einem blauen Kanzler vertreten wissen. Da schäme ich mich meines Landes. Die aktuellen Zustände sind faschistoid. Solange ich eine Stimme habe, werde ich sie erheben. Ich kann nicht anders. Die gefährlichste Eigenschaft für den Menschen ist der Opportunismus. Denn erst der macht die Diktatur möglich.

Wie gehen Sie mit dem Gedanken an die Endlichkeit um?

Es gab eine Fülle von Schicksalsschlägen. Ich habe das mit Disziplin und Verantwortungsgefühl irgendwie gemeistert. Dennoch war der Tod meiner Tochter wie ein innerlicher Tod für mich. Da ändert sich etwas für immer. Jetzt merke ich im Alter in den Morgenstunden eine große Dunkelheit. Ich muss mich wirklich überwinden, damit ich mich im wahrsten Wortsinne "erhebe". Dennoch liebe ich die Freude.

Das Buch

Das Buch

Einfühlsam und lebensklug geschrieben, Erika Pluhar: "Spät aber doch". Roman, 160 Seiten. Residenz Verlag. 22 Euro. Ab 10.2. im Handel.

Der Tod Ihrer Tochter, ist das ein Schmerz, der je vergehen kann?

Ich bin vor allem auch am Leben geblieben, weil ich ihren Ziehsohn Ignaz adoptiert habe. Er war 15 und hatte keine Familie. Nur mich. Aber etwas wird nie wieder so, wie es war. Der Verlust eines Kindes, auch wenn man ihn überlebt, das bleibt in einem. Ich bin Agnostiker, glaube nicht, dass man sich im Himmel wiedertrifft. Aber sie lebt mit mir und bleibt mir erhalten. Und jeden Tag schreibe ich ihren Namen in mein Tagebuch.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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