
Der White-Lotus-Effekt: Sind drei eine zu viel?
In der dritten Staffel der Erfolgsserie White Lotus geraten drei Frauen aneinander, die seit ihrer Kindheit Freundinnen sind. Die Popkultur liebt das toxische Trio. Aber warum sind Dreier-Freundschaften eigentlich so konfliktanfällig?
Sie zögern nicht. Kaum hat sich Laurie (Carrie Coon) aus dem luxuriösen Separee im thailändischen Resort „White Lotus“ und in ihr Schlafgemach zurückgezogen, wechseln die zwei verbleibenden Frauen das Thema: „Sie sieht toll aus …“, beginnt Kate (Leslie Bibb), auch wenn ihr Gesichtsausdruck etwas anderes verrät. „Aber auch müde“, ergänzt Jaclyn (Michelle Monaghan). Kate nickt, ihr Weinglas schwenkend. „Könnte das Trinken sein…“
Als Laurie unerwartet gegen die dunkle Scheibe klopft (sie hat ihre Ladekabel vergessen) springen die Freundinnen auf – vor Schreck. Und wohl auch aus schlechtem Gewissen.
Komplexität unter Frauen
Die dritte Staffel der Erfolgsserie White Lotus hat soeben nicht nur mit mehr Zuschauern – 6,2 Millionen verfolgten das Staffelfinale live – sondern auch mit mehr Konflikt denn je geendet. Während sich die früheren Staffeln oft mit toxischer Maskulinität beschäftigen, steht diesmal die Komplexität der Freundinnenschaft im Fokus. Keine andere Beziehung im thailändischen Luxusressort ist so präsent und gleichzeitig so vernichtend wie jene von Jaclyn, Laurie und Kate.

Michelle Monaghan als erfolgreiche Schauspielerin Jaclyn in "The White Lotus"
©Fabio Lovino/HBODie drei reichen, blonden Frauen in ihren Mitvierzigern – eine berühmte Schauspielerin, eine Anwältin und Alleinerzieherin, eine reiche Ehefrau und Mutter in Texas – sind seit der Kindheit befreundet und gönnen sich seit langem eine gemeinsame Auszeit. Und während sie sich an der Oberfläche mit Komplimenten umschmeicheln („Oh du siehst so gut aus!“), lauern darunter die scharfen Spitzen der Beleidigung („Was hast du machen lassen?“).
Es ist nicht das erste Mal, dass die Popkultur das Phänomen des „toxische Trios“ beleuchtet. Man denke an die Konkurrenzkämpfe der Plastics im kürzlich neu verfilmten Mean Girls. An Blair Waldorf (Leighton Meester) und Serena van der Woodsen (Blake Lively) aus der HBO-Serie Gossip Girl, die sich mal von Jenny mal von anderen Schulkolleginnen bedroht fühlten. Oder auch an Kristen Wiig und Rose Byrne, die einander in Bridesmaids als beste Freundin der Braut ausstechen möchten. Aber warum kommt es vor allem bei Dreier-Freundinnenschaften zu so vielen Sticheleien?
Freundinnenschaft ist exklusiver
Freundschaften zwischen Frauen sind – ganz allgemein gesprochen – intensiver und exklusiver. Zu dem Schluss kam eine Studie der Universität Oxford: Während Männerfreundschaften auf einem gleichberechtigten Austausch von Geben und Nehmen beruhen, liegt der Fokus bei Frauen auf Empathie und dem Eingehen auf die Bedürfnisse der anderen.

Diese Neigung kann Psychotherapeutin Ines Gstrein vom österreichischen Bundesverband für Psychotherapie bestätigen: „Bei Frauenfreundschaften herrscht mehr Nähe, mehr Sich-Anvertrauen – aber in der Folge auch mehr Unsicherheit.“ Man möchte die Freundin nicht verlieren und spricht deshalb Kritikpunkte nicht so schnell offen an. Gleichzeitig will man nicht an Wichtigkeit verlieren und tritt womöglich mit anderen in Konkurrenz.
Eine Dreiergruppe ist dabei eine besonders sensible Konstellation. Sobald sich zwei näher stehen, tritt die dritte automatisch an den Rand. „Eine Dreierkonstellation“, sagt Ines Gstrein, „ist besonders anfällig für Allianzen und Ausschluss. Für Machtspiel.“
Unausgesprochener Groll
Aber warum spielt Macht überhaupt eine Rolle? „Das hat mit unserer Sozialisation zu tun.“ Mädchen werden immer noch dazu erzogen, die Wogen zu glätten. Sie sollen sanft, beschwichtigend, freundlich sein. Wir würden zulassen, schreibt auch die britische Journalistin Claire Cohen in ihrem Buch BFF? The Truth About Female Friendship: „dass sich unausgesprochener Groll, Eifersucht, Schuldgefühle und Verletzungen aufstauen, bis wir innerlich wütend sind, und auch wütend darüber, dass unsere Freundin nicht sehen kann, wie wütend wir auf sie sind“.

Kate (gespielt von Leslie Bibb) wurde von Jaclyn auf den Urlaub eingeladen.
©Fabio Lovino/HBONachdem die drei Frauen in White Lotus einander den ganzen Urlaub über bestätigten, wie glücklich, wie lucky, die jeweils andere nicht sei, platzt Laurie, der bodenständigsten von allen, beim letzten Abendessen der Kragen platzt.
Lösung: Grenzen setzen
Wie kann man verhindern, dass es soweit kommt? Ines Gstreins Antwort ist schlicht: Gesunde Grenzen ziehen. „Das beginnt schon in der Kindheit: Es gibt kein Küsschen auf Kommando für die Tante. Kein Lächeln, wenn man nicht möchte.“
Schauspielerin Leslie Bibb (die Kate verkörpert) hat durch die Serie auch ihren eigenen Umgang mit Freundschaft reflektiert. Im Interview mit Kelly Clarkson erklärte sie: „Ich versuche jetzt, verletzlicher zu sein. Präsenter, unverfälschter und offener.“ Dadurch fühle sie sich mehr in ihrem Körper. Und das sei wirklich schön.
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