Das Donaufestival bietet abenteuerliche Kunst für die Demokratie
Der künstlerische Leiter nimmt zur politischen Situation in Niederösterreich und zum Festival-Thema „Beyond Human“ Stellung.
Sie beten das an, was bleibt, wenn wir alle nicht mehr sind: den Müll, das Gift, die Vergiftung. Und sie – die Mitglieder des "Toxic Temple" – werden am ersten Wochenende des heurigen Donaufestivals ein paar Besucher ansprechen, um sie für den Kult rund um den Müll zu begeistern und dafür zu werben, die Erleuchtung in radioaktiven Strahlen zu suchen.
"Das ist natürlich eine provokant-irritierende Weise, sich mit dem ökologischen Desaster auseinanderzusetzen, auf das wir glauben zuzusteuern", sagt Thomas Edlinger, der künstlerische Leiter dieses seit 1988 in Krems stattfindenden Festivals der zeitgenössischen Kunst im Gespräch mit uns. "Aber diese Gruppe Toxic Temple hat vor Kurzem ein Buch mit wissenschaftlichen Arbeiten zum Status der Klimakrise veröffentlicht und ist diesbezüglich sehr gut informiert."
Die "Mess" genannte Performance der Gruppe, die am zweiten Donaufestival-Wochenende auch Workshops gibt, passt perfekt in das heurige Programm, das Edlinger unter das Überthema "Beyond Human" gestellt hat.
"Das hat uns auf mehreren Ebenen interessiert. Der Begriff beschreibt nämlich einerseits das, was das menschliche Maß übersteigt. Also radioaktiven Abfall und Dinge, die wir herstellen, die aber in unserer Lebenszeit nicht mehr verschwinden und nicht mehr beherrschbar erscheinen. Die zweite Bedeutung ist die Relativierung der Singularität des Menschlichen. Das kommt einerseits aus der Erforschung der Natur, wenn man an die Intelligenzformen von Pilzen und Wäldern denkt. Und das andere ist die Frage: Was ist das Alleinstellungsmerkmal des menschlichen Bewusstseins im Vergleich zu Künstlicher Intelligenz und der Rechenfähigkeit von Maschinen?"
Aufbruch
Zum Umgang mit diesen Themen machen ab 28. April in Krems Künstler diverser Sparten Vorschläge. Neben beinahe 40 Musik-Acts gibt es Ausstellungen, Filme und Vorträge, darunter einen des Philosophen Fréderic Neyrat, der für einen Aufbruch ins Unvertraute plädiert.
Alle weiteren Informationen zum Programm findet man auf der Website (www.donaufestival.at), wo Edlinger nach der Niederösterreich-Wahl und Bildung der ÖVP-FPÖ-Koalition ein Statement zur politischen Lage platziert hat. In diesem erklärt er, dass er das Arbeitsübereinkommen "mit Irritation und größter Sorge" sieht.
"Es erschien mir notwendig, Position zu beziehen", sagt er. "Denn mit der Programmierung des Festivals geht es uns seit jeher und langfristig um den Ausbau von Demokratie und die Zurückweisung jeder Art von diskriminierenden Handlungsformen und Sprechweisen. Wir treten für eine emanzipatorische, demokratische Gesellschaft ein und nicht für den Rückbau von Demokratie. Wenn zum Beispiel empfohlen wird, dass auf den Schulhöfen Deutsch gesprochen wird, ist das etwas, das ich in keiner Weise teile."
Das heurige Festival war schon programmiert, als sich die Koalition formierte, darauf hatte sie also keinen Einfluss. Edlinger glaubt aber, dass sie auch in Zukunft keinen haben wird: "Unser Stand der Dinge ist, dass die Kulturagenden bei Landeshauptfrau Mikl-Leitner bleiben. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich nichts ändern wird, dass wir auch budgetär bis 2025 gesichert bleiben. Wir werden ja nicht von der Landesregierung subventioniert, sondern aus der öffentlichen Kulturförderung. Deshalb werden wir sicher unserer Linie treu bleiben und wie bisher ein Programm bieten, das spannende Musik-Acts und aufregende Performances aus aller Welt auf die Bühnen bringt. In Summe geht es also einfach um ein internationales, zeitgenössisches und abenteuerliches Programm."
Keine Gefahr
Edlinger sieht auch keine Gefahr, dass aufgrund der politischen Situation in Niederösterreich Künstler oder das Publikum dem Festival fernbleiben könnten.
"Unser Publikum weiß, wo wir politisch stehen, es erwartet so ein Programm. Und es weiß auch, dass sich das mit der Wahl nicht geändert hat und nicht ändern wird. Es kommt, weil wir nichts mit der Vorstellung einer deutschnationalen Kultur zu tun haben, und will mit etwas anderem konfrontiert werden. Und sollten Künstler deshalb nicht nach Krems kommen wollen, würde ich versuchen, mit ihnen in den Dialog zu treten und sie zu überzeugen, dass das die komplett falsche Reaktionsweise ist. Denn das Donaufestival steht eben genau nicht für das, was der Grund für das Fernbleiben wäre."
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