40 Jahre Flashdance und Thriller: Wie die Filme die Popkultur prägten
1983 war ein gutes Jahr für den Tanzfilm. "Flashdance" sorgte für Ikonisches, Michael Jackson spukte in "Thriller", John Travolta gab in "Staying Alive" nicht auf.
Die eher gelangweilten Männer im Stripclub wissen noch gar nicht, was sie eigentlich erwartet, als die Silhouette einer zierlichen jungen Frau in viel zu weitem Gewand die Bühne betritt. Es soll eine der heißesten Tanzszenen der Achtzigerjahre werden.
Nachdem Alexandra „Alex“ Owens sich des Anzugs entledigt hat, Pirouetten gedreht und sich auf einen Sessel gesetzt hat, streckt sie sich in die Höhe, zieht an einer Schnur und wird mit Wasser übergossen. Dieselbe junge Frau tanzt später in Legwarmers vor einer gestrengen und ignoranten Jury des Tanzkonservatoriums in Pittsburgh vor. Seit 40 Jahren werden diese Szenen aus „Flashdance“ kopiert, zitiert, parodiert.
Der Film, der im April 1983 in die Kinos kam, ist ein einziger popkultureller Referenzgeber. Nicht alles ist ein Meilenstein. Etwa als Ex-Spice-Girl Geri Halliwell beim Versuch, ihre Solo-Karriere zu starten, fürs Video ihrer Cover-Version von „It's Raining Men“ die Aufnahmsprüfung imitiert. Auch nicht, dass sich der an sich unterhaltsame gestiefelte Kater aus „Shrek 2“ – warum auch immer – unmotiviert mit Wasser übergießt.
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Für den anhaltenden Erfolg von „Flashdance“ ähnlich wichtig wie die Tanzszenen und 80er-Mode ist die Musik – besonders Michael Sembellos „Maniac“ oder Giorgio Moroders „What a Feeling“, gesungen von Irene Cara. Diese Songs mit den dazugehörenden Szenen aus dem Film liefen auf dem kurz zuvor gegründeten MTV als Musikclips und gingen ins kollektive Pop-Gedächtnis ein.
Dazu brachte „Flashdance“ den Breakdance in den Mainstream.
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- Wer der schlechteste Tanzfilm überhaupt ist.
- Welche Pop-Hits das Jahr 1983 prägten und heute immer noch im Radio laufen.
Breakdance und B-Boys
Die B-Boys, wie die Tänzer im Szene-Slang heißen, zeigen der Protagonistin in einer Seitengasse zur Breakdance-Hymne „It’s Just Begun“ von Jimmy Castor Bunch ihr Können: Sie bewegen sich wie Roboter, vollführen Moonwalk-artige Gänge oder sie rotieren am Boden entlang ihrer Körperachse. Die Burschen aus dem Film wurden zur Showlegende „David Letterman“ eingeladen und waren ein Jahr später im Breakdancefilm „Beat Street“ zu sehen. Auf der ganzen Welt kamen die Menschen so zum ersten Mal mit dem Untergrund-Phänomen in Berührung.
Dazu doubelte – neben einigen anderen – ein 16-jähriger B-Boy die Alex-Darstellerin Jennifer Beals bei der Aufnahmeprüfung. Richard Colon, besser bekannt als Crazy Legs, sollte eigentlich anderen Doubles kurzfristig beibringen, wie sie in eine Rolle springen und am Boden herumwirbeln. Weil sie zu wenig Zeit hatten, wollte ihn Regisseur Adrian Lyne überreden, seine Beine und den Schnauzer zu rasieren, eine Perücke aufzusetzen und einen Body anzuziehen. „Ich war ein kleiner arroganter Macho-Puerto-Ricaner aus den Bronx“, sagte Colon einmal in einem Interview. „Also gab ich meine Hände vor Lynes Gesicht, rieb meine Finger zusammen und sagte: ‚Du wirst mir viel zahlen müssen!‘“ Und es war offensichtlich genug.
Das Jahr 1983 war ein gutes für den Tanzfilm im Besonderen und für die Pop-Historie im Allgemeinen. Neben „Flashdance“ poppte ein anderes Meisterwerk auf: Das Musikvideo zu Michael Jacksons „Thriller“, das eigentlich ein kleiner Kinofilm ist. Es ist 13 Minuten lang und änderte das Genre für alle Ewigkeit. Aus einem Promo-Clip für einen Song wurde ein kulturelles Phänomen. Auf einmal konnte man längere Geschichten – in diesem Fall höchst schauerliche mit Zombies und Werwölfen – erzählen. Schon bei den Dreharbeiten waren Marlon Brando, Fred Astaire, Rock Hudson oder Jackie Kennedy Onassis am Set.
Regisseur war John Landis, der schon die Blues Brother gedreht hatte, aber Jacksons Aufmerksamkeit vor allem wegen „An American Werewolf in London“ erweckt hatte, der wiederum in „Thriller“ zitiert wird. Damit der Film für die Oscars berechtigt war, ließ ihn Landis in einem Kino in L. A. in der Nacht vor Disneys „Fantasia“ zeigen, bevor er am 2. Dezember erstmals in der Nacht auf MTV zu sehen war.
Die Menschen waren begeistert. Es dauerte nicht lange, da lief das Video beinahe jede Stunde. Anders als in „Billie Jean“ oder „Beat It“ bekam Jackson eine hübsche junge Frau zur Seite gestellt. Landis wollte ihm ein anderes Image verpassen. Jackson sollte verführerisch, nicht ätherisch-asexuell sein. Zwei Mal findet ein Date statt – einmal in den Fünfzigern, einmal in den Achtzigern. Einmal ist er der nette Bub, der sich in einen Werwolf verwandelt. Das andere Mal will er großspurig seine Begleitung mit sexy Bewegungen beeindrucken.
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Unlustige Zombies
Wirklich beeindruckend wird es aber, wenn er mit Zombies tanzt. Die Choreografie dazu stammt von Michael Peters. Und der war mit Jacksons hohen Ansprüchen konfrontiert: „Wie lässt man Zombies und Monster tanzen, ohne dass man über sie lacht?“, wollte der Pop-Star wissen. Gemeinsam stellten sie sich vor einen Spiegel, schnitten Grimassen und stellten sich vor, wie sich diese Untoten bewegen. Wie Jackson, der viel von Jazz-Tänzen beeinflusst war, einmal sagte, wurden die Schritte jazzig und gruselig. „Nicht zu viel von Ballett oder was auch immer.“
„Thriller“ war nicht nur ob seiner Story, der Machart und der Tänze wichtig. Es legte auch den Grundstein für den Ruf MTVs als neue kulturelle Macht, für die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt. MTV hatte sich vor Jacksons Album „Thriller“ als Sender für ein weißes, eher männliches Publikum mit Rock-Leidenschaft positioniert. Rassismus-Vorwürfe waren nicht mehr wegzuwischen. Ein verärgerter David Bowie wollte einmal von einem Moderator wissen, warum so wenige Schwarze zu sehen und hören waren. „Ein Sänger wie Prince könnte Seher im Mittleren Westen verstören“, bekam er als Antwort. Noch im Frühjahr 1983 wurde dem Chef der Plattenfirma CBS Records, als er das „Billy Jean“-Video einreichen wollte, mitgeteilt: Keine schwarzen Künstler auf MTV. Erst die Androhung massiver Konsequenzen brachte „Billie Jean“ dann doch noch ins Programm.
Und spätestens seit dem „Thriller“-Video gab es kein Vorbeikommen mehr am Künstler, der ohnehin Soul, Funk und Rock vermischte und weiß und schwarz zugleich war. Für Jackson selbst begann mit dem großen Erfolg sein Niedergang. Er verfiel dem Größenwahn, sah sich in Fantasieuniformen als Retter der Welt, umgab sich mit Kindern. Die Missbrauchsvorwürfe immer lauter und immer mehr.
Der schlechteste Film überhaupt
Während „Thriller“ den Menschen 1983 einen wohligen Schauer über den Rücken zauberte, bekamen viele Kritiker bei „Staying Alive“ das Grausen. Und dennoch ging der Tanzfilm in die Geschichte ein. Er gilt – wiewohl ein großer kommerzieller Erfolg – als einer der schlechtesten Filme überhaupt. Auf der Filmkritikseite Rotten Tomatoes glänzt er bis heute mit einer seltenen Wertung von null Prozent. Beim Erscheinen überschlug sich die Presse mit Verrissen, das Werk wurde mit Negativ-Preisen überhäuft. In der Fortsetzung des Heulers „Saturday Night Fever“ ist der Disco- und Küsserkönig Tony Manero, gespielt von John Travolta, ein abgehalfterter Tänzer, der unbedingt in eine Show zum Broadway will. Natürlich spielt Zwischenmenschliches mit der Tanzpartnerin auch wieder eine Rolle.
Regie führte niemand geringerer als Sylvester Stallone, der auch am Drehbuch mitschrieb und eine ursprünglich düstere Version auf Wunsch Travoltas in ein fetziges Spektakel umwandelte. Er selbst ist nur kurz zu sehen. Dazu passte er auf, dass Travolta auch fünf Monate lang brav trainierte und zehn Kilo abnahm – so muskulös war er danach nie wieder zu sehen.
40 Jahre 99 Luftballons
Das Jahr 1983 war auch ein fruchtbares für die Pop-Musik generell.
„Hast du etwas Zeit für mich?“ Wenn diese Strophe erklingt können so ziemlich alle Menschen im deutschsprachigen Raum Nenas „99 Luftballons“ weitersingen. Das Antikriegslied über die Luftballons, die ein General für Ufos aus dem All hielt und deshalb eine Fliegerstaffel hinterherschickte, gehört zu den bekanntesten Hits der Neuen Deutschen Welle (NDW). Im Frühling vor 40 Jahren feierte es Erfolge in den Charts – sogar in den USA. Christiane F., die in Los Angeles „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ promotete, hatte zuvor einem Radiomoderator eine Kassette mit dem Lied überreicht.
Die Idee zum Text kam dem Band-Gitarristen Carlo Karges 1982 bei einem Rolling-Stones-Konzert in West-Berlin, als Mick Jagger am Ende der Show Ballons hochsteigen ließ, die der Wind Richtung Mauer trug. „Carlo hat sich bei diesem starken Bild damals die Frage gestellt, was alles passieren könnte, wenn das jemand falsch versteht“, erinnert sich Sängerin Nena.
Die deutsche Musikszene hatte sich als Alternative zum anglofonen Superstar-Pop positioniert. Deutsche Texte, tanzbare, synthetische Klänge und auch etwas durchgeknallt sollte sie sein. 1983 erreichte die NDW, deren Ursprünge im Untergrund liegen, ihren Höhepunkt. Neben 99 Luftballons sorgte Peter Schilling mit „Major Tom“ in deutscher wie in englischer Version für einen Überdrüber-Hit. Er griff auf David Bowies „Major Tom“ aus „Space Oddity“ und „Ashes to Ashes“ zurück.
Ob der vielen Raumfahrer überdrüssig lieferten das Deutsch-Österreichische Feingefühl eine Parodie ab. Die Truppe ließ in „Codo“ ein liebebringendes Wesen auf die Erde und einen bösen Ohrwurm auf die Menschheit los. „Und ich düse, düse, düse, düse im Sauseschritt ...“ Wirklich wild wurde es, als der hyperaktive Markus in der Autofahrer-Hymne „Ich will Spaß“ herausschrie: „Ich geb Gas, ich geb Gas.“ In Zeiten der Klimaproteste und steigender Treibstoffpreise wäre es heute tabu, den Tankwart als „mein bester Freund“ zu bezeichnen. Weil das Schlagwort Work-Life-Balance derzeit hoch im Kurs ist, hätten es Geier Sturzflug auch schwer, die sich fürs „Bruttosozialprodukt“ in die Hände spucken. Ein Loblied auf ein Mädchen wie Trios „Anna“ geht aber jederzeit – das minimalistische Stück ist musikalisch immer noch ganz frisch.
Während viele deutschsprachigen Stücke dieser Zeit nur mehr bei Nostalgie- oder trashigen Motto-Partys hervorgeholt und gespielt werden, sind einige internationale Hits aus 1983 noch heute im Radio zu hören. Und das nicht zu wenig. Men At Work schrieben mit „Down Under“ Australien eine Hymne. Police beschrieben in „Every Breath You Take“ einen ungustiösen Stalker. U2 huldigten der Solidarność-Bewegung von Lech Walesa in Polen mit „New Year’s Day“. Billy Idol schob stimmlich bei „Rebel Yell“ an. Der namensähnliche Billy Joel gab bei „Uptown Girl“ mit fröhlichen Tönen an – er berichtete darin über seine Beziehung zu einem Supermodel. David Bowie besang das „China Girl“. Romantisch wurde es bei den Klängen zu Mike Oldfields „Moonlight Shadow“. Wenn der Mond scheint, schläft man und hat süße Träume: „Sweet Dreams“ von Eurythmics sorgte für einen weiteren Ohrwurm.
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