Wadlbeißer war einmal: Ein neues Kultmuseum feiert das Comeback des Dackels
Der Dackel liegt im Trend und löst als Modehund den Mops ab. Wie kam sein Image-Wandel von spießig zu cool zustande?
Gerade 30 Zentimeter hoch ist der Wursthund und damit betont niederflurig unterwegs. Die kurzen Beinchen, die sich stramm in den Boden bohren, kompensiert er mit hohem Selbstbewusstsein, so ist sein Naturell, da kommt der alte Jagdhund durch. Und dann sein Blick: herzig und doch treu, das lässt selbst harte Herzen dahinschmelzen wie ein Frolic-Leckerli in der Mittagssonne. Der Dackel, bislang meist Gottseibeiuns spießigster Spießer, legt gerade ein Comeback hin, dass der Hund in der Pfanne verrückt wird.
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Bärtige Hipster mit Jutetasche gehen mit ihm in Wien-Neubau ebenso Gassi wie aufgegelte Mokassinträger ihn in Döbling an der Leine zum Nobelheurigen ziehen. Züchter berichten über lange Wartelisten, plötzlich sind alle auf den Dackel gekommen, da mögen sich Dalmatiner-Herrln noch so sehr aufpudeln. Den kurzatmig beständig vor sich hinsterbenden Mops, bis dato Hot Dog Nummer eins, überholt er, gilt als neuer Modehund, in der Aristokratie schon immer, jetzt auch für die Avantgarde, Hackler und Hipster.
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„Zweifellos erlebt der Dackel im Moment einen Hype wie schon seit vielen Jahren nicht mehr“, erklärt einer, der es wissen muss: Seppi Küblbeck. Mit Oliver Storz hat er das Dackelmuseum in Regensburg gegründet. Die beiden als Dackelfreunde zu bezeichnen, wäre schnöde Untertreibung. „Kein anderer Hund beschert einem solch ein Herzensglück.“
Seit 25 Jahren sammeln die zwei alle Dackel-Memorabilia, die sie finden können. 25 Jahre haben sie in Passau ein Blumengeschäft betrieben, bis die Sammlung so riesige Dimensionen erlangte, dass sie jeden Rahmen sprengte. Ein Museum musste her, so wollte es eine zu Wagemut anstachelnde Bierlaune, zuerst in Passau, der bayerischen Grenzstadt zu Österreich, nun öffnen sie seit Kurzem in Regensburg, der Welterbe-Stadt, dem immer größer werdenden Ansturm der Dackel-Fans ihre Türen. Was erwartet einen dahinter?
Hinter diesen Türen machen einem erstmal Moni, Blümchen und Klein-Seppi schwanzwedelnd die ehrerbietende Aufwartung. Der majestätische Respekt ist hier durchaus angebracht. Nicht nur dass jeder Besucher mittlerweile längst erwartet, von den drei Privat-Dackeln von Küblbeck und Storz begrüßt zu werden. Von Seppi, dem Boss der Bande, liegen sogar eigene Autogrammkarten auf – gezeichnet mit seinem Pfotenabdruck.
Krisenbeständiger Kläffer
Das Dreiergespann gibt das Eröffnungskomitee zu einer Wide World of Wuff. 10.000 Dackel gibt es zu bestaunen, das ist mehr als ein Rudel, ungestraft kann man von der größten Sammlung der Welt sprechen. „Der Dackel ist Kulturgut geworden“, so Küblbeck über sein als kulturhistorisches Museum anerkanntes Haus, „sein Stellenwert neuerdings deutlich aufgewertet.“
Sogar der bayerische Ministerpräsident sei auf Besuch vor den Hausdackeln gekniet. Doch nicht nur Söder ist begeistert. Das Museum ist international berühmt. Aus 146 Nationen strömten die Besucher bislang in Regensburgs kultigste Hundehütte, darunter aus Papua-Neuguinea, Neuseeland und der Mongolei. Warum ist der Dackel wieder so beliebt?
„Die Welt fliegt uns um die Ohren“, versucht Seppi Küblbeck sich an einer psychologischen Analyse des unerklärlich Tierischen. „Krieg in Europa, Inflation, Klimakrise: Die Menschen sehnen sich nach Beständigkeit, Heimeligkeit, Verlässlichkeit, Treue.“ Wer sich keinen Volvo leisten kann, beäugt diese Wert hier, im Dackelmuseum. 16 Schauvitrinen, liebevoll in Szene gesetzt, fördern Erstaunliches zu Tage.
Dackel aus Porzellan, Elfenbein, Glas, Holz, teils vermacht von einer adeligen Dame aus Stuttgart mit Steckenpferd Dackel. Oder als Figur inmitten einer Konfektschale der Porzellanmanufaktur Volkstedt, gemacht aus Tigerauge, mit Rubinen als Augen und handbemalt in Baden-Baden. Es ist das wertvollste Stück der Sammlung.
Wackeldackel und Waldi
Der Wackeldackel, automobiles Kuriosum irgendwo zwischen Fuchsschwanz an der Antenne und Wunderbaum am Rückspiegel, darf ebenfalls nicht fehlen. In den Siebzigerjahren verzierte er die Hutablagen so manchen VW-Käfers, gern gleich neben der Klopapierrolle im Häkelkleid. Danach wurde er uncool, der Hersteller ging beinahe pleite, bis ein Aral-Werbespot in den Neunzigern die Liebe zum flauschigen Headbanger neu befeuerte. Plötzlich gingen statt 100 pro Woche 125.000 Stück über den Ladentisch.
Wenn ein Dackel in den Spiegel schaut, dann sieht er einen Dobermann.
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Zum Jaulen komisch ist auch er: Waldi. Der sportive Dackel, nach einer Idee, die auf einer Weihnachtsfeier entstand und entworfen von Otl Aicher und der Grafikerin Elena Winschermann, war das Maskottchen der Sommerspiele München 1972 – das erste Olympia-Maskottchen überhaupt. Waldi steht für Bayern wie die Weißwurst. Er wurde weltberühmt und trug wesentlich zur Popularität der Gattung Dackel bei.
Dem Hochadel war er da längst unabdingbar, gehörte dazu wie Wappen und Siegel. Im Mittelalter residierte er zu Hofe. Wilhelm II., der letzte Deutsche Kaiser, setzte seinem Lieblingsdackel einen Grabstein. Prinz Henrik von Dänemark schrieb seinem Dackel gar ein Gedicht, eine wahre Ode.
Ein Stellenwert bei den Blaublütern, den auch zwei Briefe unterstreichen, die zur Eröffnung des Dackelmuseums eintrafen. Die englische Prinzessin Anne, Schwester von König Charles III., ließ es sich nicht nehmen, schriftlich ihre Glückwünsche zu bestellen, ebenso wenig das Fürstentum Monaco in Gestalt von Prinzessin Caroline.
Diese Furchtlosigkeit legt der Dackel auch im Großstadtdickicht nicht ab. Sein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis ist Legende. Was ihm allerdings auch nicht den besten Ruf eingebracht hat. Als Wadlbeißer war er lange Zeit verschrien, schicksalhaft verbunden als beleinter Gefährte älterer Damen im Lodenmantel, dabei unablässig kläffend. Der Dackel, er galt als stur, eigenwillig, gschnappig. Seine hochgestochene Würde trug er, keinen Widerspruch duldend, stolz vor sich her. „Wenn ein Dackel in den Spiegel schaut, dann sieht er einen Dobermann“, weiß Museumsmann Küblbeck.
Doch dieser Ruf ist passé. „Das wadlbeißende Image hat er abgelegt“, bilanziert Oliver Storz die immer größere Dackeldichte. Schnappt ein „Sausage Dog“, also: Würstelhund, wie die Amerikaner ihn nennen, dennoch einmal herzhaft zu, würde sich das ähnlich wie mit Kindern verhalten, so Storz: Manche seien eben schlecht erzogen.
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Heute wird das Vorzeigetier des Bürgertums als familienfreundlicher Wauwau für alle Generationen wahrgenommen, ist ein Gradmesser für die Verfasstheit der Gesellschaft und spiegelt die Sehnsüchte des Zeitgeists wider: Das sich am Vormarsch befindende neue Biedermeier trinkt entschleunigt Matcha-Tee, baut selbst Balkon-Gemüse an und stellt sich einer stetig komplizierter werdenden Welt mit einem echten Exemplar bayerischer Nachhaltigkeit entgegen: In einer Zeit sich wandelnder Werte ist der Dackel das vielleicht letzte Teil Wertbeständigkeit. Und noch dazu ein echtes It-Piece.
Mode und Meister
Eine gut gehende Industrie versorgt mit Mode und schmucken Accessoires – auch Herrl und Frauchen. Badeschlapfen, Socken, Tischleuchten, Halsketten, Bettwäsche, Polster, Schals, Shirts – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Der als „Pyjama-König“ titulierte australische Designer Peter Alexander etwa, in dessen Schlafanzügen sich auch Kylie Minogue zur Nachtruhe bettet, druckt Dackel auf alles, was sich anziehen lässt, von Schuhen bis Kleidern. Auf 120 Shops kann die Lifestyle-Marke weltweit verweisen. In der Firmenzentrale haben selbst Türklinken Dackelform und ein Dackel ist selbstverständlich Markenlogo, ebenso wie beim Label Harmont & Blaine aus Neapel, das Italo-Mode mit Dachshund-Liebe verknüpft und diesen ebenso auf schlichte Leiberl druckt wie auf schrille Leggings.
Doch auch die Kunst ist auf den Hund gekommen. Andy Warhols Porträts seines Dackels Archie hängen neben jenen von Marilyn Monroe und Elvis im Museum. Stanley und Boogie, die Dackel des Pop-Art-Genies David Hockney, ebenfalls. Am berühmtesten ist aber wohl der Dackel von Picasso. Lump hieß das Tier und Picasso liebte ihn innig. Er malte und zeichnete ihn und er war das einzige Lebewesen, das er in sein Atelier ließ. Manche meinen gar, der Dackel sei die längste Liebesbeziehung des Meisters gewesen. Im März 1973 starb Lump. Picasso folgte ihm bloß zehn Tage später.
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