Kiera Chaplin

Charlie Chaplins Enkelin Kiera im Interview: "Ich war ein Tomboy"

Das Ex-Supermodel hat Filme gemacht, einen Bestseller geschrieben und ist Präsidentin der "Wüstenblumen"-Organisation in Frankreich.

Wenn am 16.10. im prachtvollen Zeremoniensaal der Hofburg die "Vienna Awards for Fashion & Lifestyle" eröffnet werden, zieht das auch internationale Prominenz nach Wien. Dafür sorgt als Gesicht des Events auch Stilikone Kiera Chaplin

Die freizeit sprach mit ihr über ihr Engagement für Frauenrechte, das Leben im Rampenlicht und ihre ungewöhnliche Kindheit in einer legendären Künstlerfamilie.

Kiera Chaplin

Kiera Chaplin am Wiener Life Ball

©Eckharter Rainer

Vor 14 Jahren haben Sie hier den „Icon of the Decade“-Award gewonnen. Haben Sie auch sonst noch Berührungspunkte mit Wien?

Oh ja! Ich war einige Male auf dem Life-Ball, den es ja leider nicht mehr gibt. Aber ich habe auch Freunde hier, die ich gerne besuche, wenn ich Zeit habe.

Apropos Zeit: Sie sind eine vielbeschäftigte Frau. Filme, Musik, Mode – und Sie engagieren sich seit Jahren in Dritte-Welt-Ländern. Ein besonderes Anliegen sind Ihnen dabei auch Frauenrechte. Wie wurde das für Sie zu einem Anliegen? 
Ich bin in einer Umgebung aufgewachsen, in der ich nicht damit konfrontiert wurde, dass Frauen bestimmte Dinge nicht dürfen, dass ihnen Möglichkeiten verwehrt werden. Ich war  ein "Tomboy", also ein Mädchen, das gerne mit Jungs Sport macht, Basketball oder Fußball spielt und lieber Jeans trägt als hübsche Kleidchen. Meine Überzeugung war, dass ich alles machen könne, was Jungs auch können. Und an der hat sich eigentlich nichts geändert.
Kierea Chaplin

Engagiert: Kiera beim Chaplin Award  in New York

©REUTERS/Jeenah Moon
Gab es einen konkreten Moment, der für Sie den Ausschlag gab, aktiv zu werden?
Mir war lange nicht bewusst, wie privilegiert ich in dieser Hinsicht aufgewachsen bin. Als ich dann erkannt habe, wie es um Frauenrechte in vielen Regionen der Welt bestellt ist, war mir sehr schnell klar, dass ich etwas machen will, helfen will. Und dann habe ich in Berlin Waris Dirie getroffen ...
Seit 2019 sind Sie sogar Präsidentin von Fleur du Désert Paris, der berühmten „Wüstenblumen“-Organisation ihrer ehemaligen Model-Kollegin.
Ja, und das ist wirklich eine große Ehre für mich. Es ist ein wichtiger Kampf, den Waris hier führt. Sie hat mich auf diese schreckliche Praxis der FGM, also der weiblichen Genitalbeschneidung aufmerksam gemacht.  Und durch die Arbeit der „Wüstenblume“ wurde diese in vielen Regionen  entscheidend zurückgedrängt.
In diesem Zusammenhang haben Sie in Sierra Leone vor Kurzem die erste Kiera-Chaplin- Schule eröffnet. 
Stimmt genau. Wir sind überzeugt, dass eine der wichtigsten Waffen im Kampf gegen die Verstümmelung von kleinen Mädchen und Frauen die Bildung ist. Wo wir die neue Schule gegründet haben, gibt es sonst kilometerweit keine Chance auf Bildung. Es ist mittlerweile die dritte in Sierra Leone, insgesamt werden bereits 1.200 Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren unterrichtet.

Was kann mit diesen Schulen noch erreicht werden?

Mit Schulen kann man wirklich nachhaltig helfen. Denn es ist durch viele Statistiken belegt, dass Bildung auf lange Sicht am wirksamsten gegen Armut hilft. Auch gegen Gewalt. Bildung ist, vor allem auch für Mädchen und Frauen, der vielleicht einzige Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Und in Sierra Leone haben mehr als 70 Prozent der Kinder ganz einfach keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen. Zusätzlich bieten wir auch After-School-Programme für die Eltern an.

Sie haben zu Beginn Ihre sorgenfreie Kindheit angesprochen. Sie kommen aus einer großen Künstlerfamilie, Ihr Großvater war Charlie Chaplin, zu Ihren Tanten gehört Geraldine Chaplin, Schauspielerin Oona Chaplin ist Ihre Cousine. Wie darf man sich die Familienfeste Ihrer Kindheit vorstellen?
Ach, einfach großartig! Mein Großvater ist ja leider schon vor meiner Geburt gestorben. Aber allein mein Vater hatte sieben Geschwister, dazu kamen noch vier Halbbrüder und -schwestern. Geburtstage, Weihnachten, Thanksgiving   – da war schon immer viel los. (lacht)

Als Kind wollten Sie auch Schauspielerin werden, wie so viele Ihrer Verwandten. Warum haben Sie nach einigen vielversprechenden Rollen wieder aufgehört?

Na ja, wie das mit Kindheitsträumen oft so ist: Als ich tatsächlich filmen durfte, bemerkte ich, dass es mir keinen besonderen Spaß macht.

Woran lag das? Wenn man sich die Rollenauswahl ansieht, könnte man doch denken, dass Sie die Filme ganz bewusst ausgewählt haben, weil Sie sie machen wollten. Eine Literaturverfilmung, Indie-Produktionen das  hochgelobte "Japan" mit Peter Fonda.

Doch, das waren schöne Projekte. Aber ich kam zur Erkenntnis, dass mich das Spielen einer Rolle gar nicht so ausfüllt. Man tut, was im Drehbuch steht, was der Regisseur von einem verlangt. Und der muss sich allzu oft nach Vorgaben der Produzenten oder auch ganz simpel nach den finanziellen Mitteln richten. Ich fand es also bald wesentlich interessanter, selbst diejenige zu sein, die an den Schalthebeln sitzt. Den Film von Peter Fonda, den Sie angesprochen haben, habe ich übrigens mitproduziert.

Kiera Chaplin

Kiera Chaplin als moderne Inkarnation der Göttin Justitia: Das Shooting für die aktuelle Vienna Awards Kampagne „Together We Are One“ fand im Palais Esterházy statt

©Matthias Mato Johannik

Sie treten aus dem Rampenlicht zurück?

(lacht) Na ja, in dieser Hinsicht schon. Vielleicht hab ich das von meinem Vater. Er war der einzige seiner großen Familie, der nie ins Rampenlicht wollte. Er war schon auch kreativ, aber hinter den Kulissen.

Er war ein sehr bekannter Tontechniker. Arbeitete er nicht mit den Rolling Stones, David Bowie und Queen zusammen?

Ja, das stimmt. Aber er ist auch Komponist und Filmemacher. Als wir in der Schweiz gelebt haben, hatte er dort einen Zirkus. Das war die allerschönste Zeit für mich.

Kieera Chaplin

Kiera Chaplin beim Filmfestival in Cannes

©APA/AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Schöner als die Zeit, als Rockstars bei Ihnen ein und aus gegangen sind?

Da war ich noch zu jung, um viel davon mitzubekommen. Aber der Zirkus in der Schweiz war ganz einfach magisch für mich. Ich kannte als Mädchen alle Artisten und liebte es, mit ihnen abzuhängen. Auf dem Zirkusgelände, die Atmosphäre dort ist so speziell, eine eigene Welt. Sie waren aber auch oft bei uns zuhause. Und wenn wir auswärts feierten, dann gab es plötzlich Saltos und andere Kunststücke im Lokal – es war einfach fantastisch. Meine Kindheit war in gewisser Weise sicher einzigartig. Aber ich hoffe, dass ich vielen Kindern zumindest eine glückliche Kindheit ermöglichen kann.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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