Warum Art Cars die schnellsten Kunstwerke sind und trotzdem in der Garage stehen
Verschmilzt Kunst mit PS, entstehen Luxuskarren, die selten über den Asphalt flitzen. Wie die BMWs, Ferraris oder Porsches von Koons, Warhol & Co.
Wieder erzielte ein Auto einen unglaublich hohen Preis. Aber diesmal kam der Erlös der Auktion mit dem neuesten BMW M850i xDrive Gran Coupé X Jeff Koons für etwa 475.000 Dollar im New Yorker Auktionshaus Christies einem Hilfswerk zugute. Was den Sportwagen so begehrt machte? Es war sicher nicht nur die Signatur des Künstlers Jeff Koons, der den Preis des 530 PS starken Wagens in die Höhe trieb. Da es nur ein einziges handsigniertes Stück dieses Modells – bei einer Gesamtproduktion von 99 Stück – gibt, kommt der Sammlerwert hinzu, den Liebhaber von Art Cars gerne dafür auf den Tisch blättern.
Art Cars? Ja, diese Autos, künstlerisch gestaltet und designt von namhaften Designern, haben mittlerweile einen sicheren Platz bei Auktionen, ähnlich wie Oldtimer. Im Unterschied zu Autos, die zwar künstlerisch umgestaltet sind, wie etwa das „Fatcar“ von Erwin Wurm. Aber fahruntauglich sind, wie etwa der fette Porsche von Wurm, der nur am NFT-Kunstmarkt gehypt wurde. Denn Art Cars können genau das Gegenteil. Statt in einer Galerie herumzustehen, könnten sie als schnelle Kunstwerke mit bis zu 250 km/h über die Straßen fegen.
Der stolze Preis ergibt sich durch eine komplizierte Technik. Mehr als 200 Arbeitsstunden waren für die künstlerischen Lackierarbeiten nötig. Und für das Innenleben mit Ledersitzen in kräftigen Rot- und Blautönen brauchte es nochmals etwa 280 Stunden, ehe Jeff Koons den Schlitten persönlich auf der Getränkekonsole blau signierte.
Design für Superhelden
Bei diesem BMW sollen die Farb- und Materialwahl, wie auch die Comix-Zeichnungen auf der Karosserie und das gesamte Design an Superhelden erinnern. Der Erlös der Auktion ging übrigens an die Kinderhilfsorganisation ICMEC. „Kinderleben zu retten ist ja genau die Arbeit von Superhelden, in diesen Zeiten mehr denn je“, sagte Jeff Koons bei der New Yorker Auktion. „Ich bin begeistert, dass der Wagen so einen Preis erzielen konnte. Jeder sollte sich dadurch ermutigt fühlen, persönliches Engagement zu zeigen und die Arbeit der Stiftungen weltweit anzuerkennen, die dazu beitragen, unsere Welt zu verbessern.“ Dass Koons ein ruhiger, höflicher und vor allem sympathischer Künstler ist, bestätigt auch der Österreicher Heinz Swoboda, der live bei der Auktion dabei war. Der Veranstalter der Challenge and GT Days am Red Bull Ring in Spielberg hat in seiner Garage etwa den Dienstwagen von Formel-1-Legende Jochen Rindt, einen bahamagelben Porsche 911 S, geparkt.
Daneben ein Art Car, das Künstler Noah Becker, Sohn von Boris Becker, gestaltete: einen Ferrari 355 Challenge. Jetzt räumt Swoboda noch einen Platz frei. Nämlich für den von Koons gestalteten BMW M850i xDrive Gran Coupé, den er auf der New Yorker Auktion ersteigerte und der demnächst aus Dingolfing eintreffen soll. „Wie viele PS er hat und welche Geschwindigkeit der Wagen erreichen kann, weiß ich gar nicht. Mir geht es allein um das Kunstwerk. Es ist der teuerste BMW aller Zeiten, denn in Österreich kommt die Nova vom Gesamtpreis hinzu, weil Art Cars bei uns nicht als Kunstwerke gelten“, so der Kunstsammler.
Im Unterschied zu Jeff Koons, der seinen eigenen M850i xDrive Gran Coupé auch selbst fahren will, bleibt der von Swoboda in der Garage, damit er ja keinen Kratzer bei der Ausfahrt abbekommt.
Kunst kommt vor PS
„Spaß und Freude stehen bei Art Car Sammlern im Vordergrund. Wenn der Marktwert des Künstlers steigt, steigt auch der Wert der Autos“, erklärt Franziskus Kriegs-Au, Motor-Auctions-Experte und Sachverständiger, den Hype um Art Cars. „Zum Kunstwert kommt der Wert des Autos selbst hinzu. Und schlimmstenfalls kann man das Auto dann benutzen und umlackieren, sollte der Wert am Kunstmarkt stagnieren.“
Die Idee, dass die Karosserie als Leinwand dient, und die Kunst darauf als Botschaft, ist nicht neu. Schon John Lennon wollte mit seinem mit Blumen bemalten Hippie-Rolls Royce in den 1960er-Jahren die Welt verbessern um Frieden zu vermitteln.
Andy Warhol ging es wiederum um die Darstellung von Geschwindigkeit. „Ich liebe dieses Auto. Es ist besser gelungen als das Kunstwerk“, sagte der Fluxus-Künstler, als er 1979 einen 470 PS starken BMW M1 Procar in Le Mans bemalte.
„Ich habe versucht, Geschwindigkeit bildlich darzustellen. Wenn ein Auto wirklich schnell fährt, verschwimmen alle Linien und Farben.“ Warhol benötigte damals nur 30 Minuten und war schneller als das Kamerateam mit dem Technik-Aufbau, sodass die Malaktion nicht dokumentiert werden konnte.
Die ersten echten Art Cars entstanden in den 1970er-Jahren, als der französische Rennfahrer und Kunstliebhaber Hervé Poulain dem damaligen BMW Motorsport Direktor Jochen Neerpasch vorschlug, den Künstler Alexander Calder einen Wagen gestalten zu lassen. Nach dem erfolgreichen Experiment beauftragte BMW in Folge Künstler von Paul Smith über Jenny Holzer und Olafur Eliasson bis David Hockney und aktuell Jeff Koons.
Auch der Wiener Künstler Philipp Mueller will mit den Botschaften auf seinem Art Car die Welt verbessern und stellte es bei der vorjährigen Kunstmesse Parallel Vienna aus. Im Mai kommt sein Jaguar XJS bei den Motor Auctions in Tulln unter den Hammer. Fast könnte sein Art Car ein Hybrid zu einem Custom Car sein. Sogenannte Custom Cars, modifizierte Serienfahrzeuge, werden von ihren Besitzern persönlich getuned, nach unterschiedlichen Themen bunt aufgemotzt und bei Paraden ausgefahren.
So zog etwa die Houston Car Parade mit ihren fantasievollen Fahrzeugen im April wieder tausende Zuseher an.
Technik ist auch Kunst
Architekt Norman Foster kuratierte die Auto-Ausstellung Motion. Autos, Art, Architecture in Bilbao
Werden Kunstsammler von Art Cars angezogen, ist es hier die Technik, die im Mittelpunkt steht. Star-Architekt Norman Foster kuratierte im Guggenheim Bilbao nicht nur die Ausstellung Motion. Autos, Art, Architecture, er zeigt darin auch seine eigenen Sammlerstücke. Foster verbindet in der Schau visionäre Entwürfe von Autos mit Gasturbinen bis zum Mondfahrzeug und belegt, dass auch Technik Kunst ist. Denn bei den fantastischen Unikaten aus allen Epochen der Automobilindustrie geht es nicht nur um die Schönheit der Karosserien, sondern auch um Fragen zu Windkanal und technischen Herausforderungen.
Vom Mercedes-Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1886, bis zum Mercedes-AMG F1W11 EQ Performance aus dem Jahr 2020. Dem Formel 1 Wagen mit schwarzer Karosserie, gefertigt auf Wunsch von Fahrer Lewis Hamilton als Bekenntnis zur Black Lives Matter-Bewegung. Auch hier geht es also um Botschaften. Zu sehen sind futuristische Modelle, Le Corbusier trifft auf James Bond oder auf italienische Futuristen wie Giacomo Balla. Foster ließ ein Dymaxion Car #4, von Buckminster Fuller und dem Jachtdesigner Starling Burgess 1933 gebaut, zu Ehren der Designer 2010 nachbauen. Der Wagen konnte wegen seiner extremen Stromlinienform schneller fahren und mehr Menschen transportieren.
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