"Snow Food": Klimafreundliches Gemüseernten im Winter

Es braucht keine beheizten Glashäuser für frische Gemüseernten im Winter. Ein enormes Klimaschutzpotenzial für die Zukunft.

Während wir im Hausgarten ein saisonales Auf und Ab erleben, scheint der Lebensmittelhandel vom Wechsel der Jahreszeiten weitgehend unbeeindruckt zu sein. Sommers und winters finden wir das volle Gemüseprogramm vor. Es sind Importe aus südlichen Ländern oder heimische Ware aus beheizten, oft sogar auch künstlich belichteten  Gewächshäusern. Beides ist eine energieschluckende, klimabelastende  Angelegenheit. Und überflüssig. Denn es geht auch anders.

Spart Heizenergie ein, wird mitten im Winter frisch geerntet und schmeckt köstlich. Wolfgang Palme forscht seit 15 Jahren erfolgreich an der „Snow Food“-Revolution

©Johannes Hloch

Vor 15 Jahren hat Wolfgang Palme, der Gemüseexperte der Gartenbauschule Schönbrunn, entdeckt, dass viele Gemüsesorten sehr viel frostfester sind als bislang angenommen. Beispielsweise auch ganz „normale“ Gartensalate. Sie bleiben während des ganzen Winters frisch und grün, auch bei Temperaturen unter minus 11 Grad. Laut Lehrbuchwissen ist das nicht vorgesehen, demnach müssten sie nämlich bei unter null Grad erfrieren. Es sind 120 Arten und Sorten, die sich inzwischen als Winter-Frischgemüse oder „Snow Food“ bewährt haben, darunter Radieschen, Karotten, Asia Salate. Paradeiser hingegen lassen sich im Winter nur mit hohem Heizungsaufwand in Glashäusern kultivieren, weshalb man sie besser nur saisonal genießt. Manche Gemüse schmecken im Winter geerntet sogar besser als in der warmen Jahreszeit. Karotten werden süßer, Kohlrabi zarter.

„Snow Food“ wird im ungeheizten Folientunnel (links am „Jaklhof“), im Freilandbeet und im Frühbeetkasten angebaut. Von Karotten bis zu Asia-Salaten, die Jakob und Tamo mögen.

©City Farm

In einem EU- geförderten Projekt konnte Palme seinerzeit gemeinsam mit Bio Austria österreichweit Anbauversuche auf sieben Biobetrieben und in Forschungsinstitutionen machen. Mit dem  Ergebnis, dass ein konsequent ressourcenschonender, heizungsfreier Wintergemüseanbau in ganz Mitteleuropa möglich ist. Heute, unter dem Druck enorm angestiegener Energiepreise, ist dieser radikale Gegenentwurf zu einer immer intensiver werdenden industrialisierten Landwirtschaft aktueller denn zuvor.  Doch das Wissen darum ist noch wenig verbreitet. So ist es zu verstehen, dass konventionelle Landwirtschaftsbetriebe nach einem „Energiepaket für den Gartenbau“ rufen, weil sie „80.000 bis 100.000 € für Fernwärme“ ausgeben müssen, während innovative kleine Vielfaltsbetriebe, oft mit Direktvermarktung, klimafit unterwegs sind.

©Sandra Tauscher

 „Kalte“ Folienhäuser, wie sie heute manchmal im Winter schon für Vogerlsalat verwendet werden, sind für den „Snow Food“-Anbau geeignet, heizbare Glashäuser hingegen nicht. Deren aufwändige Heizanlagen lassen sich nämlich nicht einfach stilllegen, ungenutzt frieren sie ein. Grundsätzlich braucht es, außer einem Umdenken, nicht viel, um den Herbst zum „Frühling des Winters“ zu machen. Der September ist Hauptpflanzzeit (für Bundzwiebel und -karotten auch schon der August), damit dann im Schnee geerntet werden kann. „Es gibt eigentlich zwei Wintersaisonen für „Snow Food“, “ erklärt Gemüseexperte Wolfgang Palme, „eine endet zu Weihnachten, die andere geht von Jänner bis März. Die Versorgung  mit frischem Gemüse ist durchgehend möglich.“

Im September ist Hauptpflanzzeit für das klimafitte  Winter-Frischgemüse. Die Jungpflanzen müssen jetzt ins Beet.  Geerntet wird über den ganzen Winter hinweg.

©Johannes Hloch

Diese Anbaumethode  eignet sich auch bestens für den Hobbygärtner. Treue Leser der „Grünen Welt“ und Besucher der City Farm Augarten kennen sich damit schon aus. „Dass wir Radieschen im Dezember frisch aus dem Balkonkisterl ernten, will uns zuerst keiner glauben“, erzählt einer der privaten Snow-Food -Pioniere, „aber wir können es beweisen.“  Man kann seinen Wintergemüseanbau auf dem Balkon auch im größeren Stil anlegen, indem man Gemüse in den Himmel wachsen lässt. Ein vertikales Modulsystem (Bild links) macht das, nicht nur im Winter, möglich. Zu sehen ist es auf der City Farm Augarten, dem Kompetenzzentrum für urbanes Gärtnern und zukunftsfähige Landwirtschaft mitten in Wien. Dort wird schon seit fünf Jahren Winter-Frischgemüse ohne Heizenergiezufuhr angebaut.  Man kann es bei Veranstaltungen in Frühbeetkästen, im längsten Hochbeet Wiens und in anderen Freilandbeeten besichtigen und verkosten, es werden  Workshops für angehende und fortgeschrittene „Snow Food“-Gärtner angeboten.

"Snow-Food" Infografik

©Grafik

Information

Wintergemüse-Jungpflanzenmärkte auf der City Farm Augarten:
Freitag, 16. September, 16  bis 19 Uhr
Samstag, 17. September 10 bis 15 Uhr, 
Freitag, 23. September 16 bis 19 Uhr
Samstag 24. September 10 bis 15 Uhr 
www.cityfarm.wien

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