Film

Filmproduzent Jeremy Thomas: "Filme ohne Politik sind völlig undenkbar"

Jeremy Thomas ist einer der bedeutendsten Produzenten der internationalen Filmindustrie (Von Gabriele Flossmann).

Er selbst sitzt am Steuer des Sportautos, das ihn über mehr als 1000 Kilometer von London über Frankreich nach Wien bringt. Er – das ist einer der bedeutendsten Produzenten der internationalen Filmindustrie: Jeremy Thomas.

Ihm zu Ehren zeigt die Viennale heute und morgen den Dokumentarfilm „The Storms Of Jeremy Thomas“. Regisseur Mark Cousins ist in diesem Film der Beifahrer. Auf der Fahrt zu den Filmfestspielen in Cannes hat Cousins den legendären Produzenten mit Fragen bombardiert – zu Themen wie Autos, Sex und Tod. Und natürlich zu den vielen Filmen, die er ermöglicht hat.

Zur Person

Produzent
Der Brite Jeremy Thomas hat mehr als 60 Filme produziert, die insgesamt neun Oscars gewonnen haben. Für „Der letzte Kaiser“ unter der Regie von Bernardo Bertolucci erhielt Thomas als Produzent den Oscar für den besten Film. Weiters produzierte er unter anderem „Eine dunkle Begierde“, „Naked Lunch“, „Crash“, die Doku „Pina“ über die legendäre Choreografin Pina Bausch oder Terry Gilliams „Don Quichotte“-Film.

 

Die Viennale
zeigt heute, Freitag (16 Uhr,  Metro Kino) und am Samstag (13 Uhr, Stadtkino) den Film „The Storms Of Jeremy Thomas“. In dem Film reist Thomas mit dem Auto von London nach Frankreich und spricht währenddessen mit Filmemacher Mark Cousins über Film, aber auch über Sex, Leben und den Tod

Karriereschub

Zu den mehr als 60 Filmen, die Thomas bisher produzierte, gehört „Der letzte Kaiser“ unter der Regie von Bernardo Bertolucci. Jeremy Thomas erhielt dafür den Oscar für den besten Film (1988). Im Jahr 2006 erhielt er den Europäischen Filmpreis für sein „Outstanding Achievement in World Cinema“.

Jeremy Thomas war es, der viel zum internationalen Ruhm großer Regisseure beigetragen hat. Darunter Namen wie Stephen Frears, Bernardo Bertolucci, David Cronenberg, Jim Jarmusch oder Wim Wenders.

Insgesamt neun Oscars konnten von ihm produzierte Filme erringen.

Teilweise in Wien produzierte Thomas den David-Cronenberg-Film „Eine dunkle Begierde“ („A Dangerous Method“, 2011) mit Viggo Mortensen als Sigmund Freud.

Auf dem Weg nach Wien gab Jeremy Thomas für den KURIER eines seiner raren Interviews.

Sie betonen immer wieder Ihre Liebe zum Film und Sie haben viele außergewöhnliche Filme möglich gemacht. Alle Ihre Filme hatten aber auch viel mit Weltpolitik und mit der Welt der Politik zu tun. Ist das ein Widerspruch?

Jeremy Thomas: Politik ist Teil unseres Lebens, und es ist beinahe unmöglich, einen Film zu machen, der nicht irgendwie auch mit Politik zu tun hat. Und für sozial engagierte Menschen, mit denen ich gerne zusammenarbeite, sind Filme ohne Politik völlig undenkbar. Denken Sie an meinen Landsmann Ken Loach. In seinen Filmen nimmt die Politik immer eine zentrale Rolle ein, weil er von Armut und von sozialer Ungerechtigkeit erzählt. Gleichberechtigung und gleicher Lohn für Frauen, die finanziellen Verhältnisse von Eltern und Kindern, die Chancengleichheit aller sozialen Schichten – das alles ist abhängig von der Politik. Von unseren idiotischen Führungspolitikern, die immer denken, dass sie in allem Recht haben, will ich erst gar nicht reden. Niemand hat immer recht. Dazu ist die Welt zu schwierig.

Sie haben in Wien „A Dangerous Method“ über Sigmund Freud und C. G. Jung gedreht. Was wäre die politische Botschaft dieses Films?

Der geistige Zustand einiger Politiker wäre für Sigmund Freud heute sicher sehr interessant – und auch die Motive, aus denen Politik gemacht wird. Freud hatte ja zu seinen Lebzeiten die Erfahrung, dass auf der einen Seite große Liberalität und Offenheit herrschte, dass die Kunst und die Geisteswissenschaft eine Hochblüte erlebten. Und dass auf der anderen Seite nationalistische und faschistische Tendenzen wucherten. Das wollten wir in unserem Film spürbar machen – auch wenn ihn viele nur wegen der fatalen Liebesgeschichte zwischen C.G. Jung und Sabina Spielrein sehen wollten. Aber auch in dieser Beziehung scheinen politische Fragen und Themen durch, die uns bis heute beschäftigen. Wie etwa der ungerechte Umgang mit Frauen und ihren Leistungen. Freud war da keine Ausnahme.

©EPA/CAROLINE BLUMBERG
In Zeiten des Corona-Lockdowns ist die Frage aufgetaucht, ob das Kino noch Zukunft hat, wo doch die Streamingdienste die Versorgung mit Filmen übernommen haben. Wie sehen Sie das?

Ich kann nur hoffen, dass das Kino als kultureller Versammlungsort überlebt. Die Gesellschaft wird ohnehin immer egozentrischer. Und wenn man nicht einmal mehr Kultur gemeinsam konsumieren und die Gedanken darüber teilen kann, dann wäre das fatal. Für mich als Produzent sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob die Streaming-Dienste unendlich viel an „Ware“ brauchen und ich daher mehr Filme machen kann als je zuvor. Aber ich habe bisher bei jedem meiner Filme von Anfang an mit den kreativen Menschen, den Drehbuchautoren und Regisseuren, zusammengearbeitet. Das möchte ich weiterhin so handhaben und nicht zum reinen „Abwicklungs-Produzenten“ werden.

Kommentare