Unentdecktes Tunesien: Vom Dahar-Gebirge in die Wüste

Das ursprüngliche Tunesien und den sanften Ökotourismus lernen Reisende im Südosten des Landes kennen. Wohnhöhlen, Oasen, Berberdörfer die Abenteuer der Sahara.

Überblick

Beste Reisezeit

Oktober bis April

Anreise 

Von Wien über Tunis nach Djerba mit Tunisair
weiter mit Geländewagen ins Dahar- Gebirge und in die Sahara

Währung

Tunesischer Dinar (TND)
aktueller Kurs

Es ist halb sechs Uhr früh, Milliarden Sterne leuchten am schwarzen Himmel. Nur einige der kleinen Reisegruppe krabbeln aus ihren Zelten mitten in der tunesischen Wüste im Camp Mars. Auf dem Kopf die Stirnlampe, um den Hals die Fotoausrüstung, stapfen sie die sechzig Meter hohe Sanddüne hinauf. Klingt einfach, ist es aber nicht. Der feine Sand gibt bei jedem Schritt nach, Einsinken und Zurückrutschen garantiert. Auf dem Plateau angekommen: ein Anblick zum Tirilieren. Der Horizont leuchtet schon dunkelrot. Bald geht es über in Orange und Gelb. Die Reiseleiterin Beatrice begrüßt die Sonne mit ihren Yogaübungen. Ein Pärchen sitzt umarmt im Sand und blickt auf die schier endlosen Dünen. Da kommen schon die ersten Kinder mit ihren Bobs heraufgeklettert. Der Sandrodel-Spaß kann beginnen.

Nach dem Frühstück führt Riadh, der Fahrer des Land Cruisers, im Affentempo seine drei Beifahrer durch die Sahara Richtung Dahar-Gebirge. „Ich kann auch blind in der Nacht den Weg finden“, sagt der Berber stolz, lacht und dreht das Autoradio auf volle Lautstärke. „Nicht anschnallen, aufrecht sitzen und mit den Schwingungen mitwackeln.“ Also tanzen seine Beifahrer zur tunesischen Musik, um ihre Rücken zu schonen. Ein anderes Auto im Konvoi bleibt in einer Düne stecken. Riadh hilft der tunesischen Familie, die nicht so versiert ist, ein bisschen Luft aus den Reifen zu lassen, und schon geht es weiter. Das Gelände wird flach und staubig, einzelne Büsche dort und da, jetzt beginnt die Rallye auf der Piste mit seinen Kollegen.

Mars-Camp in der Wüste Tunesiens: Rodeln im Sand.

©Gurmann Maria

Die Fahrt geht zurück Richtung Djerba, wo die Reise begonnen hatte. Dahar liegt zwischen dem Mittelmeer und der Sahara. „Nicht durchfahren, sondern verweilen, sich eine Woche Zeit nehmen, um die authentische Region, eine der ältesten Berber- Kulturen, die erhalten werden soll, zu entdecken“, erklärt Mohamed Sadok Dabbabi, Tourismuschef von Dahar. Nachhaltigkeit steht im Vordergrund. Stolz ist er, dass Dahar zu den Top-100 der mit einem Green Destinations Award ausgezeichneten Reiseziele gehört. Tunesien, ein Land mit acht UNESCO-Kulturstätten habe mehr zu bieten als nur Badeurlaub. Die jahrtausendealte Kultur und die Tradition gelte es zu erhalten.

Tunesien Sahara.

©Gurmann Maria

Die „Fédération Tourisme Authentique Destination Dahar“ fördert einen respektvollen und sanften Tourismus. Individualreisende werden über die Internetseite über alle Möglichkeiten, die Natur, die Kulinarik, das Handwerk, sportliche Aktivitäten und die immer freundlichen Einheimischen kennenzulernen, informiert.

Domaine Oud El Khil: Öko-Pilot-Projekt mit Bioprodukten und Übernachtung im Lehm-Iglu.

©Gurmann Maria

Von der Wüste in das Gebirge

Jebel Dahar ist auch bekannt als Matmata-Gebirge und wurde einst von nomadischen Berbern, die in Tunesien Amazigh genannt werden, bewohnt. Felslandschaften, so weit das Auge reicht, spektakuläre Berberzitadellen, die sich an die Spitzen steiler Gipfel klammern und Höhlen als Wohnstätten. Die Landschaft wird jedem Star-Wars-Fan bekannt vorkommen, denn hier wurden Ende der 1970er-Jahre Teile des ersten Films gedreht.

Café Ben Jemaa in dem wunderschönen Bergdörfchen Tamezret.

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Die Berberkultur ist heute noch überall in den Traditionen zu sehen und in den gut gewürzten Eintöpfen aus Gemüse, Couscous und Lammfleisch zu schmecken. In Tamezret, einem alten Berberdorf aus dem achten Jahrhundert, in dem nur noch wenige Häuser bewohnt werden, erklärt Museumsbesitzer Mongi Bouras seinen Gästen die Geschichte der Amazigh. „Die Frauen haben gefärbt und gewebt, die Männer gestickt und beide auf dem Feld gearbeitet.“ Berber machen keinen Unterschied zwischen den religiösen Kulturen, sie behandeln alle Menschen gleichwertig. Deshalb findet man auf vielen Gegenständen und Kleidungsstücken jüdische, christliche und moslemische Symbole friedlich vereint.

Berberkultur: Die Höhlenwohnungen in Zmerten.

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Die Architektur der Bauten von Tamezret auf dem vierhundertzwanzig Meter hohen Hügel ist sehenswert. Alle Häuser, deren Wohnraum im Berg erweitert wurde, sind mit Tunnels verbunden. Und bis zur eineinhalb Kilometer entfernten Wasserstelle im Tal führt ebenfalls ein geheimer Tunnel, den die Berber im Falle eines feindlichen Angriffs benutzten.

Tamezret, das alte Dorf auf einem Hügel.

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In Fels und Erde gemeißelt

Die Höhlenwohnungen lernen Besucher in Zmerten kennen. Von außen sind die Dörfer fast nicht zu erkennen, nur die kleinen Eingänge sind zu sehen. Vom kreisförmigen offenen Innenhof geht es zu verschiedenen Höhlenräumen. Achtzehn bis fünfundzwanzig Grad hat es hier – ob Sommer oder Winter und der Sandstein sorgt für Luftdurchlässigkeit. Früher wohnten Familien in den, in Fels und Erde gemeißelte, Höhlen. Heute leben die Berber in Häusern, die urigen Behausungen wurden zu Museen oder bequemen Gästezimmern umfunktioniert. Ali zeigt seine ehemalige Troglodyten-Unterkunft, heute ein Museum, während seine Frau das traditionelle Gericht Ros Djerbi aus Gemüse, Ziegenfleisch, Rosinen, und feinen Gewürzen für die Besucher zubereitet. Bunte Körbe aus Halfagras, Tischdecken, Tontöpfe, Teppiche aus Schaf- und Kamelwolle – alles handgefertigt – bietet sie auch zum Kauf an.

Gästehaus Dar Toujane in traditioneller Höhle.

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Gespannt ist die kleine Reisegruppe auf die Übernachtung in den Schlafhöhlen des Gästehauses „Dar Toujane“. Drei Frauen teilen sich das eine gemütliche Nest, drei Männer das andere. Saubere Bettwäsche, bunte Tücher an den Steinwänden, Teppiche auf den Böden. Ein paar Stufen hinunter ins Erdzimmer, der Durchgang ist niedrig, an manchen Köpfen zeigen sich schon ein paar Beulen. Licht gibt es keines, die Stirnlampen reichen aus, um über den Hof auf die Toilette zu gehen.

Unterkunft Dar Toujane. Fünf Zimmer in Höhlen, ein tolles Abenteuer.

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Mit Fladenbrot, Marmelade und Hummus beginnt der Morgen. Gestärkt wandert Bergführer Tarek mit seiner Gruppe über das karge Gebirge und die Terrassen-Felder bis zur Oase. Ein paar Palmen, Gräser  und wilde Kräuter entlang des ausgetrockneten Flussbettes weisen  auf  das Ziel hin – ein Naturpool. Aus der Quelle tröpfelt Wasser in einen kleinen Teich mit Fröschen, umrandet mit  Pflanzen und Palmen. „Ihr könnt baden gehen“, sagt Tarek, die Wanderer begnügen sich mit einem Fußbad.

Wanderung über das karge Gebirge und die Terrassen-Felder bis zur Oase.

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Eindrucksvoll  sind  auch die Speicherburgen, Ksour genannt,  in Dahar, die  auf  den Gipfeln der Berge thronen.  Amazigh schützten schon in der Römerzeit ihr Getreide  dort vor Plünderern. Imposant die   Ghorfas,  auf fünf Stockwerke  aufgeteilte Räume, in denen die Familien einer Dorfgemeinschaft ihre Waren speicherten.

Speicherburgen in Dahar.

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Übernachten

Camp Mars in der Sahara, wunderschöne Zelte mit Doppelbetten, Kerzenlicht, Trockenklo, Duschtasse mit Wasserkübel. Köstliches Essen. Brotbacken am Lagerfeuer. Ab 80 €/P/HP.

L’Auberge de Tamezret, die exklusive Herberge eines Belgiers, der berühmt für seine Dinnermenüs (nur für Gäste der drei Zimmer) ist. 60 €/P/HP.

- Öko-Herberge Domaine Oued El Khil bei Ghomrassen. Die „Domaine Oued El Khil“ bei Ghomrassen ist ein Vorzeige- projekt. Der ehemalige Beamte Radhouane und seine Frau haben ihre kleinen Lehm-Iglus (Ecodomes) selbst gebaut, Gemüse, Oliven und  Kräuter stammen aus eigenem Bio-Anbau,  Schafe und Hühner  züchten sie selbst. 31 €/2 P./ Nacht inkl. Frühstück. Köstliches, traditionelles tunesisches Menü um 7,50 €. 

Traditionelle Speisen in der Domaine Ould El Khil.

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Jause Café Ben Jemaa in dem wunderschönen Bergdörfchen Tamezret, 1932 gegründet, heute von der Urenkelin Kawdhar liebevoll weiter- geführt. Der beste Tee mit Rosmarin, Thymian und gerösteten Mandeln. Auf Facebook unter Café  Ben Jemaa

Auskunft discovertunisia.atdestinationdahar.com

Graffiti  Djerbahood war 2014 ein Street-Art-Event, zu dem Künstler aus der ganzen Welt in den Ort Erriadh auf der  Insel Djerba zusammenkamen. Dabei entstanden 
250 Kunstwerke an den Hauswänden. Die Street-Art- Ausstellung gilt als größte weltweit und ist mittlerweile ein Touristenmagnet.

Djerbahood - der Graffiti-Stadtteil auf Djerba.

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Maria Gurmann

Über Maria Gurmann

In Wien geboren, in Wien verwurzelt, auf der ganzen Welt zu Hause. Seit 1984 Redakteurin beim KURIER, erst Wirtschaftsressort, dann Sonntag-Ressort, jetzt Ressort Lebensart/Reise. Der Erfolg meines Berufs ist Neugier. Empathie ist mein Zauberwort. Humor mein Problemlöser. An meine Sucht – ja, ich bin Nachrichtenjunkie - hat sich die Familie gewöhnt. Und der Wissensdurst ist nach Interviews mit mehr als 450 interessanten Menschen noch immer nicht gestillt.

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