So magisch sind die winterlichen Cotswolds

Die Cotswolds westlich von London sind ein Areal außergewöhnlicher Schönheit. Kein Wunder, dass sie besonders oft von Filmproduktionen aufgesucht werden. Und von immer mehr Besuchern in der Vorweihnachtszeit.

Cotswolds

Anreise

Mit Austrian Airlines (austrian.com) geht es in ca. 2,5 Stunden direkt nach London Heathrow. Von dort mit dem Auto ca. 1 Stunde westlich bis man mit Blenheim den östlichsten Zipfel der Cotswolds erreicht hat. Statt mit dem Flugzeug kann man auch mit dem Zug (oebb.com) anreisen. Die Fahrt Wien-London dauert ca. 20 Stunden.

Ich packe in meinen Koffer...

… warme Socken und eine Haube! Selbst wenn sich die Sonne zwischen den Wolken hervorkämpft: bei Einbruch der Dunkelheit wird es frisch.

… eine „Harry Potter“-DVD (oder Streaming-Alternative), um die Szenen zu verfolgen, deren Drehorte man in Gloucester erkundet hat.

… das Buch „Hamnet“ von Maggie O’Farrell über Shakespeares Sohn und seine Ehefrau – für einen inspirierenden Perspektivenwechsel.

Wussten Sie dass...

… die gesamte Länge aller Cotswolds-Steinmauern zusammen länger als die Chinesische Mauer ist?

… das Dorf Bourton-on-the-Water bei beliebten Veranstaltungen manchmal mehr Besucher als Einwohner hat?

… hier das berühmte Käsewälzen abgehalten wird, bei dem man einen 3,2 Kilo schweren Doppel-Gloucester-Käse einen Hügel hinunterjagen muss?

Rasant braust das Taxi entlang der niedrigen Steinmauer des rund angelegten Friedhofs, dessen Kreuze mit Schneehauben bedeckt sind. Zielgenau bleibt es vor einem honigfarbenen Haus mit Erkerfenster und überwucherter Fassade stehen. Und heraus steigt, mit Geschenksackerln bepackt: Bridget Jones.

 

Man hat ihn genau vor Augen, den Beginn des gleichnamigen Films, hier in dem klitzekleinen englischen Örtchen Snowshill mit Blick auf die mittelalterliche St. Barnabas-Kirche. An genau diesem Ort wurde die Szene für die Verfilmung des Romans "Schokolade zum Frühstück“ gedreht, die vor 22 Jahren in die Kinos kam und für dessen winterlichen Dreh eine Gegend gewählt wurde, die in England zum Areal außergewöhnlicher Schönheit (AOB) ernannt wurde: Die Cotswolds

©STUART BLACK / robertharding / picturedesk.com

Eine Autostunde westlich von London gelegen, ist diese Region vor allem eines: lieblich. Kleine, verstreute Ortschaften, rollende Hügel, herrschaftliche, jahrhundertalte Anwesen und 80 Prozent Farmland zeugen von der dünnsten Besiedlung des Landes. Kein Wunder, dass sich Royals und Stars gerne hier niederlassen. Sogar die Beckhams haben den teuren Lifestyle Miamis gegen heimeliges Cottage-Feeling getauscht und gehören heute zu den berühmtesten Cotswolds-Bewohnern. Sängerin Ellie Goulding soll auch hier leben, Schauspieler Eddie Redmayne wurde beim Shoppen gesichtet. 

Royale Verbindungen

Und Prinzessin Beatrice ließ vor zwei Jahren ihre Vier-Millionen-Villa erneuern, um es sich mit Ehemann Edoardo und Tochter Sienna gemütlich zu machen.

Auch wenn die Cotswolds zu jeder Jahreszeit eine Reise wert sind, besonders magisch werden sie in der Weihnachtszeit. Wenn der Schnee unter den Schuhen knirscht, die roten Telefonhäuschen weiße Dächer haben und Restaurants wie Shops mit Liebe dekoriert wurden.

©Getty Images/iStockphoto/ahavelaar/iStockphoto

So präsent ist die Weihnachtszeit, dass es in Bourton-on-the-Water sogar einen „Victorian Christmas Shop“ gibt, der bereits ab März Glaskugeln, Keramik- oder Holzanhänger für den Christbaum verkauft. Ursprünglich waren auch einmal Kuckucksuhren im Angebot, erzählt Besitzerin Lisa Walker. Aber die weihnachtliche Deko war bald so gefragt, dass für Uhren kein Platz mehr blieb.

Handgefertigte Holzhütten

Während der „Christmas Shop“ für die Adventzeit kaum verändert werden muss, hat Caroline für ihr Geschäft heuer sieben Wochen gebraucht: Von Anfang Oktober bis Mitte November hat sie aus getrockneten Ästen und wattigem Stoff eine kleine, schneebedeckte Holzhütte geschaffen, die sie neben Weihnachtssternen, Kuschelsocken und Lichterketten in der Auslage ihres Shops „Whatever the Weather“ platziert hat. 17 Jahre lang führt die Britin den Geschenkeladen in der kleinen Stadt Broadway, ein paar Autominuten nördlich von Bourton. Und jedes Jahr schmückt sie alles anders und komplett neu? Sie nickt. „Es ist meine Leidenschaft.“

©Seidler Caroline

Das Umfeld inspiriert aber auch. Im historischen The Lygon Arms Hotel schräg gegenüber windet eine Mitarbeiterin eine Lichterkette um einen Tannenbaum im Barbereich. Wer nach rechts in den Speisesaal vordringt, trifft auf die Perfektion eines vorweihnachtlichen Raums. Die elektrischen Kerzen auf dem üppig dekorierten, raumhohen, symmetrisch bestückten Weihnachtsbaum strahlen mit dem Geweihluster um die Wette. Die ockerfarbenen Kugeln reflektieren die Wärme der Holzvertäfelung, das Rot der Maschen wiederholt sich in den Strümpfen, die am Kaminsims hängen – geschmackvoll inszenierte Üppigkeit.

©The Lygon Arms

Vor vier Jahrzehnten fand hier eine entscheidende Auktion statt: Der 200 Jahre alte Broadway Tower mit seinen drei runden Ecktürmchen stand zum Verkauf. Renate Will hatte eigentlich gescherzt, als sie zu ihrem Mann meinte, er solle ihr den Turm kaufen; es war natürlich albern. Aber dann tat er es tatsächlich und der Turm, der einst aus Liebe gebaut wurde, wurde auch aus Liebe erworben.

Versteckte Juwele

Der Wind bläst eisig über den Pfad, der vom Parkplatz zum Eingang führt. Ist es das wirklich wert? Was kann dieses schmale Gebäude von innen schon bieten? Doch nachdem man den Turm betreten und die schmale, niedrige Wendeltreppe in den ersten Stock erklommen hat, sind die Zweifel verschwunden, findet man sich doch in einem fein eingerichteten Dining Room wieder und hört Anekdoten von der Druckerpresse, die sich einst hier befand oder vom berühmten Textildesigner William Morris, der hier den entscheidenden Anstoß zum Erhalt historischer Häuser Englands setzte.

©The Lygon Arms

Was passt besser zum Abschluss so eines Tages als ein Abendessen in historischem Umfeld. Seit 947 steht an derselben Stelle in der Ortschaft Stow-on-the-Wold ein Gasthaus, so dass sich das „Porch House“ als ältestes Hotel Großbritanniens bezeichnen darf. Der Holzboden knarrt, die Stimmung ist schummrig und Lichterketten schmiegen sich entlang massiver Holzbalken. Auch wenn der Burger fein und der Prosecco perlend ist; fast noch besser waren die knusprigen Fish und Chips tags zuvor im heimeligen „The Stag“ ein paar Häuser bergauf, auf der Eckbank neben dem Kamin, in dem die Holzscheite knackten und dicke Vorhänge die Kälte aussperrten.

Keinesfalls sollte man Stow verlassen, ohne die St. Edwards-Kirche umrundet zu haben. Denn an der Nordseite befindet sich die märchenhafte Tür, die aus zwei Baumstämmen zu wachsen scheint und Gerüchten zufolge J. R. R. Tolkien zum Tor von Durin, dem Westtor von Moria, inspiriert haben soll.

In den Fußstapfen der Zauberer

Tags darauf wartet ein weiterer fantastischer Ort. Dazu geht es in den Südwesten der Cotswolds, in die Stadt Gloucester und dort in die Kathedrale. Am besten spaziert man dazu die Westgate Street entlang und biegt dann rechts ein in die College Street. So kann man nämlich durch eine niedliche Passage spazieren und passiert linker Hand das kleine „Haus des Schneiders von Gloucester“, ein herziges Spielzeugladen-Museum der Kinderbuchautorin Beatrix Potter gewidmet, die mit ihren Peter-Rabbit-Geschichten berühmt wurde, und hier ihre Inspiration für das Buch „The Tailor of Gloucester“ fand, das heuer 120. Jubiläum feiert.

©K Lewis

Ein Hausdurchgang muss dann noch passiert werden und schon steht sie vor einem, die mittelalterliche Kathedrale, in der 1216 König Henry III. gekrönt wurde und König Edward II. begraben liegt. Und während die Kirche selbst auch wahrlich imposant ist, besonders das filigrane Ost-Fenster in Tennisplatzgröße hinter dem Altar, zieht es Harry-Potter-Fans schnell weiter, und zwar durch die dunkelbraune, spitze Holztür am seitlichen Ende der Kirche. 

Faszinierendes Fächergewölbe 

Kurz bleibt einem fast der Atem weg, so beeindruckend ist das sandfarbene Fächergewölbe des Kloster-Kreuzgangs. Gleich links führt ein Abgang in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors – jedenfalls wurden die entsprechenden Szenen für den ersten, zweiten und sechsten Teil der „Harry Potter“-Filmreihe hier aufgenommen. Am Ende des Kreuzgangs findet man die steinernen Bänke, auf denen Harry und Ron im „Halbblutprinz“ am Tag ihrer Rückkehr nach Hogwarts standen, und zwei Ecken weiter die kleinen Arkaden, die im „Stein der Weisen“ zu sehen sind, als Trolle in Hogwarts eindringen.

Und so beenden wir diese Reise, wie wir sie begonnen haben: in der Magie des Films, die sich im Sandstein der Cotswolds besonders gut einfangen lässt.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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