Skitour: Einmal über die Alpen gehen

Mit dem Morgenzug vom Gasteinertal nach Kärnten – und über die Berge zurück: Welche Superlative sich in einer ganz normalen, einfachen Skitour verbergen – und wie man sich an dieses Abenteuer herantastet.

Neuschnee, so viel, dass sich die Äste der Tannen biegen, ist über Nacht in großen Flocken gefallen. Eine Skitour bei diesen Verhältnissen ein No-Go, zumindest für einen mäßig geübten Großstadtindianer wie mich. Doch als mein Kollege und ich im morgendlich  flauschigen Pulver zuerst einmal ein Platzerl freistapfen, um die Ski überhaupt anschnallen zu können, hat keiner Angst vor riskanten Fehltritten. 

Es gibt auch keinen Grund dafür. Die Tour auf den Graukogel, einer Art Hausberg von Bad Gastein, beginnt an schneereichen Tagen wie diesem gleich hinter dem Hotel Miramonte. Ganz gemächlich kurvt die Spur zuerst entlang der ohnehin wenig befahrenen Piste und später durch den Wald bergauf. Man kann seine Aufmerksamkeit ganz dem  richtigen, entspannten Schritt und der verschneiten Landschaft widmen. Ein Skitour zum Eingehen also: Genau das Richtige nach einem langen Lockdown-Jahr, in dem man als typischer Flachländer aus Ostösterreich nur so ein bisschen auf Skiern durch die Hausberge spaziert ist.

Zwei Redakteure auf den hohen Bergen: Michael (links) und Konrad bei der Hagener Hütte

©Konrad kramar

Dass uns der Neuschnee dann tatsächlich eine Abfahrt im  unverspurten Pulver beschert, ist natürlich Glück. Dafür müssen wir an diesem Tag auf Sonne verzichten. Die alte Skitouren-Regel, „schlechtes Wetter, schöner Schnee“ (und umgekehrt) hat sich wieder einmal bewahrheitet.

Touren wie auf den Graukogel sind  wunderbar geeignet, um sich  bei ein paar Tagen abseits der Pisten im Gasteinertal an Ausrüstung, Schneeverhältnisse und an Aufstieg und Abfahrt im Gelände zu gewöhnen. Wer sich in der Gegend nicht so wirklich gut auskennt und von den manchmal etwas zu lockeren Schilderungen der einheimischen Auskenner – „aufe übers Kar, ume übern Grat, obe durch die Rinne“ – überfordert ist, kann sich Empfehlungen auf der  Homepage gastein.com holen. Die Tourentipps dort sind  leicht zu finden, leicht zu gehen und leicht zu fahren. Gut also auch, um Selbstvertrauen zu tanken.

Orientierung trainieren

Hat man das gleichmäßige Klackern der Tourenbindung wieder im Ohr, ein paar Spitzkehren probiert und sich das Fürchten vor Harsch- und Tiefschnee wieder abgewöhnt, kann man beginnen, ein bisschen höher hinaus zu denken und zu planen. Klar, dass es in einem Tal im Herzen der Alpen Skitouren in allen Höhenlagen und Schwierigkeitsgraden gibt –  und dazu natürlich zahlreiche Bücher und Magazine mit Tourentipps. Doch mit der Papierform ist das bekanntlich so eine Sache bei  Skitouren. Den  Baum, den Bach, das Waldstück in der Beschreibung muss man dann in freier Wildbahn erst einmal finden. GPS-Routen sind auch so eine Sache, wenn man die Orientierung im Gelände nicht ständig trainiert. Da kann es passieren, dass man das Handy – oder eben  irgendein spezielleres digitales Gerät – bei Minusgraden hilflos hin und her dreht und auf hüpfende rote Punkte in einem winzigen Kartenausschnitt starrt.

Also fragt man sich am besten vor Ort durch, in der Pension, in der Skischule, oder  bei einem der begeisterten Skitourengeher mit guten Ortskenntnissen. Die trifft man am besten direkt auf der Tour und  auch auf den leichten Einsteigertouren.

©Grafik

Über den Alpenhauptkamm

Wann und wo mir jemand den Floh mit der „Skitour über den Alpenhauptkamm“ ins Ohr gesetzt hat, weiß ich nicht mehr. Dass dieser Floh sich aber ziemlich gut festsetzen kann, war klar, als ich meinem Kollegen, dem Michael, von der Tour erzählt habe. Der ist eine Art alpine Kampfmaschine, arbeitet sich in irgendwelchen Bergmarathons über Tausende Höhenmeter und ist daher konditionell in anderen Sphären.

Skitechnisch allerdings, das gesteht er offen ein, fehlen ihm im Gelände manchmal Erfahrung und Mut. Die optimale Paarung, um ein Skitour-Abenteuer auf Alltagstauglichkeit für Normalsterbliche zu testen. Wenn also ich dort locker rauf- und der Michael dort locker runterkommt, dann kann man die Tour auch wirklich in einer Sonntagsbeilage wie KURIER ReiseGenuss empfehlen.

Um es kurz und klar zu machen, ja, die Tour ist ein echtes Abenteuer, sie ist sowohl bergauf als auch bergab eine absolut machbare Herausforderung und ja, sie bietet tatsächlich einige Superlative: aus dem Salzburger Gasteinertal mit dem Zug durch den Tunnel nach Mallnitz in Kärnten. Von dort über die Jamnigalm und die Hagener Hütte – und zurück nach Sportgastein: eine Skitour, zwei Bundesländer und einmal über den Alpenhauptkamm, das ist genug Stoff für einen erlebnisreichen alpinen Tag und natürlich für jede Menge Erzählungen nachher.

Bad Gastein, die wohl ungewöhnlichste Tourismusmetropole in Österreichs Alpen: Glanz und Verfall.

©Cathrine stukhard

Der Rest braucht ein bisschen Organisation. Man sollte sich ein Taxi  vom Bahnhof Mallnitz bis zur Stockeralm organisieren. Von dort  gabeln einen in der Skisaison ohnehin die regelmäßig pendelnden Skitaxis  auf. Der Aufstieg führt durch ein weitläufiges Tal und ist so angenehm, dass einem genug Zeit und Luft für Ausblicke auf die Tauerngipfel  bleibt. Einmal auf der Hagener Hütte angekommen, findet man meistens genügend Gleichgesinnte, die auch in die ohnehin gut gespurte Abfahrt nach Sportgastein einfahren. Die ist zwar  – wie die meisten Tourenabfahrten eben – anfangs etwas steiler, öffnet sich aber dann in sanfte Hänge, die auch dem Michael sichtlich richtig Spaß gemacht haben. Die zwei Stunden bergauf hat er ohnehin nicht einmal bemerkt.

Am Ende, als wir uns die letzten Meter nach Sportgastein schoben, blieb uns beiden genügend Energie für Scherze, ebenso sinn- wie harmlose Stolperer in ein Bachbett und natürlich für neue Bergpläne. Und genau  so enden ja bekanntlich die richtig schönen Skitouren-Abenteuer.

Klimafreundliche Anreise
Von Wien nach Bad Gastein mit Westbahn oder ÖBB (Umstieg in Salzburg), ab
4 Std. 5 Min., oebb.at

Geführte Skitouren
Im Gasteinertal  werden in der Saison regelmäßig geführte Skitouren für Einsteiger angeboten (gastein.com).
Wer größere Touren lieber mit einem Bergführer geht: alpineguides.at

Hilfreiche Websites
Das Bergwetter ist etwa auf alpenverein.at/portal/wetter und zamg.ac.at abrufbar. Wer sich gut vorbereitet, sollte auch einen Blick auf lawine.at (Lawinenwarndienste Österreich)  werfen

Konrad Kramar

Über Konrad Kramar

Erfahrungen, europa- und weltweit, hat Konrad Kramar in seinen Jahren als Auslandsreporter mehr als genug gesammelt. Jetzt berichtet er als Korrespondent für den KURIER aus dem Machtzentrum der EU, aus Brüssel und kann genau dieses Wissen aus seinen Jahren als Reporter bestens einsetzen: egal ob es um Krieg in Nahost, Bauernproteste, oder die Chancen und Gefahren der neuen Gentechnik geht. Eine ganze Handvoll Fremdsprachen - inklusive einem allmählich immer besseren Französisch - ist da durchaus hilfreich Als langjähriger Amerikaexperte hat er die USA von den schwarzen Ghettos in LA bis zu den Villenvierteln in Boston bereist, US-Eliteunis und Armeebasen von innen kennen gelernt: Die USA waren für Auslandsreporter Konrad Kramar immer ein Land, an das er sein Herz verlieren konnte - trotz Antiterrorwahn, Trump und religiöser Fanatiker. Mehr als 20 Jahre war er vor dem für den KURIER unterwegs, vom Iran bis nach Spanien oder Tschechien, begleitet von langjähriger Erfahrung mit Krisen und Katastrophen. Als Buchautor wirft er lieber einen Blick in die heimische, oder auch die europäiche Geschichte, etwa in Büchern wie "Die schrulligen Habsburger", "Mission Michelangelo", oder "Neue Grenzen, offene Rechnungen"

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