Poetisches Paris: Reise auf den Spuren von Edith Piaf bis Oscar Wilde

Paris im Herbst – das ist pure Poesie. Edith Piaf, Jean-Paul Sartre und – natürlich – Oscar Wilde schufen in Paris Werke für die Ewigkeit.

Überblick

Anreise

Mit Austrian Airlines geht es im Direktflug in zwei Stunden von Wien-Schwechat nach Paris-Charles de Gaulle. 

Alternativ fährt die ÖBB in rund zwölf Stunden vom Wiener Haupt- zum Pariser Ostbahnhof.   

Wenn Sacre-Coeur, Café de Flore oder Moulin Rouge im flammenden Orange der Laubbäume gerahmt sind, werden Erinnerungen an die großen Poeten wach. 

Es ist noch früh, als wir zum Place du Tertre kommen; der Versuch, den anderen Touristen zu entkommen. Die Herbstluft ist knackig, das Laub knistert ganz leicht unter den Füßen, die Eingangstüren unter den bunten Markisen sind geschlossen und die Künstler haben ihre Staffeleien noch nicht aufgebaut.

Beim Passieren des Au Cadet de Gascogne – an dessen Terrassentischen vor einigen Stunden noch schwerer Rotwein und Champagner, in dessen warmem Innenraum abends zuvor Weinbergschnecken, Moules frites und Crème Brûlée serviert wurden – kann man sie dann erstmals klar sehen: die runde, bauchige Kuppel, die leicht verzierten Türme, und die scharfen Spitzen der Basilique du Sacré-Cœur, das Wahrzeichen des Künstlerviertels Montmartre. Eingerahmt in bunte Laubkronen sticht die weiße Kirche so scharf hervor, dass man kurz stehen bleiben muss, um sich zu sammeln.

Paris, oft als Stadt der Liebe bezeichnet, ist immer romantisch. Aber Paris im Herbst, das ist pure Poesie.

Das flammende Gelb, das feurige Orange der Laubkronen, manchmal vor klirrend blauem Herbsthimmel, manchmal von Nebel durchzogen, scheint besonders gut mit dieser Stadt zu harmonieren, die Künstlern seit jeher Geborgenheit und Raum für Kreativität gab.

Sacre-Coeur Basilika in Montmartre 

©Getty Images/iStockphoto/StockByM/iStockphoto

Das fabelhafte Aufbäumen der Natur vor der Kargheit des Winters weckt Erinnerungen an das Paris der Decadence, der künstlerischen Schwere am Ende des 19. Jahrhunderts, als die Stadt zu besonderer Blüte reifte: Unter Edgar Degas, Édouard Manet, Henri de Toulouse-Lautrec und natürlich: Oscar Wilde, der soeben seinen 170. Geburtstag gefeiert hätte.

"Ich bin", sagte der Schriftsteller einmal, "irischer Abstammung, die Engländer haben mich dazu verdammt, die Sprache Shakespeares zu sprechen, aber ich bin Franzose aus Sympathie".

Cabaret, Kaffee, Absinth 

Seit Oscar Wilde im Sommer 1874 als Zwanzigjähriger das erste Mal mit seiner Mutter das Seineufer erkundet hatte, war er dem Zauber der Kulturhauptstadt verfallen. Konnte er hier doch seinen exaltierten Dandy formvollendet ausleben: Mit Vorliebe würde er sich einem Cabaret im Moulin Rouge – von der Basilique Sacré Cœur zwanzig Fußminuten westlich den Hügel Montmartre hinab – hingeben. 

Le Moulin Rouge

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Er würde um 5 Uhr, zur Stunde der Grünen Fee, Absinth trinken – den derzeit wieder mehrere Lokale anbieten. Besonders gern trank ihn Oscar Wilde mit dem Lyriker Paul Verlaine (der Fremde mit dem Zuruf "Ich nehme ihn mit Zucker!" grüßte). Oder mit dem Maler Henri de Toulouse-Lautrec (der den "Erdbeben"-Cocktail erfand: halb Absinth, halb Cognac).

Doch nicht nur im Schatten der Sacré Cœur tummelten sich die Künstler der Stadt, auch im Umkreis einer viel unscheinbareren Kirche. Um zu ihr zu gelangen, geht es von Montmartre schnurstracks nach Süden, die Rue des Martyrs entlang, und dann die Rue de la Paix bis zur Rue de Rivoli. Dort den perfekt getrimmten Jardin des Tuileries durch- und die Seine mit Blick auf das imposante Musée d'Orsay überquerend, um ins mondäne Saint-Germain-des-Prés einzutauchen. Zwei große Parallelstraßen hinter dem Seine-Ufer, am Boulevard de Saint Germain, stechen sie sofort ins Auge. 

 Cafe de Flore

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Das Café de Flore mit seinen üppigen Blumen und dem dunkelgrünen Schriftzug auf weißer Markise und, einen Häuserblock weiter, gegenüber besagter eleganter Sandsteinkirche Saint-Germain-des-Prés, das Les Deux Magots, mit weißer Schrift auf grünem Hintergrund: die berühmtesten Literatencafés von Paris. Hier haben Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir miteinander diskutiert, James Joyce, Bertolt Brecht oder Pablo Picasso Café Créme getrunken und die Dadaisten den Surrealismus erfunden.

Künstlerisch, mondän

Während beide Kaffeehäuser einst gleich eifrig von Künstlern frequentiert wurden, hat sich heute vor allem das Flore seinen Charme bewahrt. Geduldig warten Touristen 30 Minuten in der Schlange, um einen der begehrten Terrassenplätze zu ergattern und 8,50 Euro für einen doppelten Espresso zu bezahlen. Das authentischere Erlebnis hat man jedoch im Lokalinneren, auf einem der moleskine-roten Sitzbänke mit Blick auf die große Wanduhr und die feinen Mosaikfliesen, über die schon Ernest Hemingway und Truman Capote schritten.

Schnecken mit Knoblauchbutter

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Als Oscar Wilde 1898 verarmt und von England verstoßen für seine letzten Jahre nach Paris zurückkehrte, lebte er nur ein paar Minuten entfernt, in der Rue des Beaux Arts, im ersten Boutiquehotel der Welt, das damals Hôtel d’Alsace hieß. Heute heißt es L'Hotel, bietet an der Bar feine Cocktails und 20 dekadent eingerichtete Zimmer.

Oscar Wilde fand die Wandtapete in seinem Zimmer (heute Zimmer 16) damals so hässlich, dass er scherzte: "Diese Tapete und ich liefern uns ein Duell auf Leben und Tod. Entweder es geht oder ich gehe." Am 30. November 1900 gewann die Tapete. Wilde starb im Alter von nur 46 Jahren an einer Hirnhautentzündung. Nach einer Totenmesse in der Kirche Saint-Germain wurde er, mittellos, am Friedhof Bagneux außerhalb der Stadtmauern begraben.

Die Seelen von Paris

Im herbstlichen Paris sollte man einen Ort nicht auslassen. 

Ich packe in meinen Koffer

Ich packe in meinen Koffer

… ein Notizbuch, um wie die großen Literaten im Kaffeehaus sitzend meine Beobachtungen zu notieren.

… eine feine Brosche, um mein Outfit aufzupeppen und an das stilsichere Leben der Pariser Bohème anzuknüpfen.

… Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray". Es verkörpert die Décadence des Pariser 19. Jahrhunderts wie kein anderes Werk.

Im Osten der Stadt, zwischen Belleville und Quartier de Charonne stehen die hohen Kastanien- und Ahornbäume erhaben zwischen imposanten Grabdenkmälern. Père Lachaise ist nicht nur der größte Park der Stadt, sondern auch der größte Friedhof des Landes: Auf 44 Hektar haben eine Million Menschen ihre letzte Ruhe gefunden.

Kuriose Fakten

Wussten Sie, dass...

… der größte Park von Paris gleichzeitig auch der größte Friedhof des Landes ist? Père Lachaise umfasst 44 Hektar. 
… das Kabarettlokal Moulin Rouge das erste elektrifizierte Gebäude der französischen Hauptstadt war?
… Oscar Wildes Skandalstück „Salome“, nicht in Großbritannien, sondern in Paris uraufgeführt wurde? Den Briten war es zu heikel. 

Bei seiner Eröffnung war die Pariser Elite skeptisch. Der Friedhof lag 1804 in keiner begehrenswerten Lage und so kam es im ersten Jahr bloß zu 13 Beisetzungen. Doch dann trat Nicolas Frochot auf den Plan, der Präfekt der Region. Er ließ die Gebeine verstorbener Berühmtheiten hierher verlegen.

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Jene von Schriftstellern wie Jean de La Fontaine und Molière, von dem man sich gerne erzählt, dass er während einer Vorstellung als "Der eingebildete Kranke" auf der Bühne verstarb. Tatsächlich starb Molière nach der vierten Aufführung des Stücks.

Père Lachaise, der größte Park von Paris und größter Friedhof Frankreichs. 

©Bauer Anna-Maria

1817 ließ Napoleons erste Ehefrau Joséphine Bonaparte die sterblichen Überreste von Abelard und Héloise, die im 12. Jahrhundert Theologe und Nonne waren, hierher verlegen. Sie wollte dem unglücklichen Liebespaar eine würdige Ruhestätte bieten.

Auf einmal beliebt

Die Maßnahmen von Frochot und Bonaparte zeigten Wirkung: Innerhalb weniger Jahre erhöhte sich die Zahl der Grabsteine von 13 auf 33.000. Und immer mehr Berühmtheiten kamen dazu. Die Sängerin Edith Piaf liegt heute hier begraben, nur wenige Meter von einer der härtesten Gassen der Stadt, in der sie geboren wurde, nun umgeben von ihren Ehemännern und Liebhabern.

Grab Edith Piafs

©Bauer Anna-Maria

Jim Morrison, Sänger der amerikanischen Band The Doors, wurde hier beigesetzt. Er hatte darauf bestanden, wollte der letzten Ruhestätte seines Idols nahe sein. Morrison meinte das Grab jenes großen Künstlers, das heute am häufigsten besucht wird. Dessen 20 Tonnen schweren Grabstein wurde von so vielen mit rot bemalten Lippen geküsst, dass vor 13 Jahren eine Schutzwand errichtet wurde. 

Grab von Oscar Wilde

©Getty Images/LembiBuchanan/istockphoto

Ein Grab, mit dem der Journalist Robert Ross seinem verstorbenen Freund ein Zeichen der Liebe setzen wollte, als er ihn von Bagneux hierher verlegen ließ. Es ist, natürlich, das Grab von Oscar Wilde.

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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