Willkommen in Mittelerde: Wie Fantasy Neuseelands Naturlandschaft belebt

Zwanzig Jahre nach dem ersten „Der Herr der Ringe“-Film gibt es bald eine Fortsetzung der Tolkien-Fantasysage.

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Nein, der Mount John ist nicht nach ihm benannt. Der heißt seit vielen Jahrzehnten so. Obwohl, hätte ja sein können, dass Neuseeland den Fantasyautor John R. R. Tolkien auf diese Weise würdigen wollte. Der Inselstaat im Pazifik ist immer für eine Überraschung gut. Etwa für das gern gesehene, ruppige und lautstarke Auftreten der Rugby-Nationalmannschaft.

Im Dezember vor zwanzig Jahren kam jedenfalls der erste Teil von „Der Herr der Ringe“ in die Kinos. Ein Riesenerfolg weltweit und ein Glücksfall für den etwas im abseits gelegenen Inselstaat. Um die Lage etwas genauer zu erklären: Neuseelands Hauptstadt Wellington liegt 18.152 Kilometer von Wien entfernt. Luftlinie. Selbst wenn diese Strecke im Flug vergeht, geht sich das von hier an einem Tag kaum aus. So schon nicht und jetzt erst recht nicht, da man wegen der Pandemie nur als Einheimischer einreisen darf.

Perfektes Sehnsuchtsland

So gesehen, ist der Nachbar Australiens ohnehin ein perfektes Sehnsuchtsland: Eine Destination, von der man eher träumt als sie tatsächlich aufsucht.

Tongariro-Nationalpark mit einem mächtigen Vulkan-Massiv im Hintergrund   

©Getty Images/iStockphoto/Fyletto/iStockphoto

Dank Hobbit, Orks und dem fiktiven Kontinent Mittelerde aber wandelte sich Neuseeland in den letzten Jahren zu einem total angesagten Reiseziel für Urlauber, Abenteurer und Auswanderer.

Lange bevor der Internet-Gigant Amazon vor Monaten die erste Klappe zur ersten Staffel der heiß ersehnten Prequel fallen ließ, musste man sich auf Besucher einstellen, die es ganz genau wissen wollten. Sie klapperten per GPS-Daten die einzelnen Drehorte von „Der Herr der Ringe“ ab. Eine Mammutaufgabe, immerhin gibt es weit mehr als hundert davon. Diese liegen noch dazu ziemlich weit verstreut über die sehr unterschiedlichen Landschaften der Insel. Aber auf diese Weise lernt man das ganze Land kennen. Und die Leute. Dass diese zu Besuchern ausgesprochen zuvorkommend und freundlich sind, hat sich schon herumgesprochen.

Die „Säulen der Könige“ kommen natürlich so nur im Film vor. Die vielfältige Landschaft Neuseelands aber verdeutlicht, warum das Fantasyepos „Der Herr der Ringe“ ausgerechnet hier gedreht wurde. 

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Höchstes Ansehen genießt mit Filmemacher Peter Jackson natürlich ein Einheimischer. Ihm ist es zu verdanken, dass das Vermächtnis von J. R. R. Tolkien in Wellington und Umgebung gedreht wurde.

Wo geht’s hier ins Auenland?

Geht es um Fantasy, kommt Filmfreunden seit der kinogerechten Tolkien-Trilogie das Land Neuseeland noch vor der Movie-Metropole Hollywood in den Sinn. Was denn sonst, wo sollte sich auch in Kalifornien eine weitgehend unberührte Landschaft finden lassen? Oder gar ein Schicksalsberg sowie ein mythisches Auenland?

Das von Hobbits besiedelte, leicht bewaldete Hügelgebiet im Nordwesten von Mittelerde ist pure Idylle. Hier schaut alles so putzig aus wie in einem Märchen.

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„Wir sind alle ein Teil von Mittelerde“, bekräftigte vor Kurzem Neuseelands Wirtschaftsentwicklungsminister Phil Twyford und bezeichnete die mit insgesamt 17 Oscars prämierte Film-Trilogie als gerade für seine Landsleute „wichtiges Stück Populärkultur“.

Für alle, die bis hierher vorwiegend Bahnhof verstanden haben, worum geht’s eigentlich?

Die Roman-Trilogie „Der Herr der Ringe“ stammt vom britischen Sprachwissenschaftler John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973), wurde 1954/55 veröffentlicht und zählt zu den erfolgreichsten Büchern des 20. Jahrhunderts. Eine zentrale Rolle dabei spielt ein Ring, mit dessen Vernichtung die böse Macht in Gestalt des dunklen Herrschers Sauron untergeht.

Vier Fabelwesen, sogenannte Hobbits, stellen die Hauptfiguren dar, unter ihnen der gutmütige Bilbo Beutlin und sein Neffe Frodo. Gandalf der Graue ist jener Zauberer, der die besonderen Fähigkeiten der Hobbits entdeckte.

Das Vorbild für die mythische Seestadt Esgaroth: der intensiv blaue Lake Pukaki mit dem Aoraki Mount Cook im Hintergrund

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Auftritt Gandalf

Gandalf ist seit den frühen 1980er-Jahren auch das Pseudonym des im Westen Wiens lebenden weltbekannten Musikpoeten Heinz Strobl. Inspiriert von der Lektüre Tolkiens hat er seinen eigenen magischen, zwischen elektronischen und akustischen Klängen pendelnden Musikstil entwickelt. Vielleicht nicht ganz zufällig nannte er sein Debütalbum „Journey To An Imaginary Land“ („Reise in ein erfundenes Land“). Von den Plänen einer Verfilmung seines Lieblingsbuchs hat er nichts geahnt, verspürte aber Ende 1999 selbst den Impuls, ein „Der Herr der Ringe“-Album aufzunehmen.

Als „Visions 2001“ kam es schließlich zwei Jahre später, anlässlich seines 20-jährigen Bühnenjubiläums heraus. Für die erinnert sich Gandalf: „Als ich erfuhr, dass Regisseur Peter Jackson an der Verfilmung arbeitete, war ich zuerst eher skeptisch. Nachdem ich dann aber den ersten Film gesehen hatte, war ich äußerst beeindruckt, wie gut er die Welt Tolkiens in faszinierende Bilder umgesetzt hat. Zusammen mit der Musik von Howard Shore ist es ihm tatsächlich gelungen, die Magie der Geschichte einzufangen. Die weitgehend unberührte Landschaft Neuseelands ist sicherlich die perfekte Kulisse für diesen Film.“

Er persönlich sei zwar nie in Neuseeland gewesen, habe aber genügend Berichte und Reportagen darüber gelesen, um sich vorstellen zu können, dass dies alles gut zusammenpasst: das erdachte Land Mittelerde und das ganz reale Neuseeland. Gandalf, der Komponist, hat auch Medienberichte gelesen, in denen kritisiert wurde, dass die vielen hundert Mitarbeiter der Filmcrew einen riesigen Misthaufen auf der schönen Insel hinterlassen hätten.

Klagen dieser Art werden vermutlich nicht mehr vorkommen. Denn Amazon hat im Sommer bekannt gegeben, die Dreharbeiten zur zweiten Staffel der neuen „Der Herr der Ringe“-Serie nach Großbritannien zu verlegen. Ein Schock für jene Neuseeländer, die sich schon daran gewöhnt haben, auch in den nächsten Jahren als Kulisse für eine der erfolgreichsten Filmproduktionen der Welt mitzuwirken. Denn man darf nicht vergessen: Immerhin 20.000 Kiwis, wie sich die Neuseeländer selbst nennen, haben in den letzten zwanzig Jahren bei Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“- sowie seiner „Der Hobbit“-Trilogie größere und kleinere Statistenrollen übernommen. Eine ganze Menge für ein Land, das lediglich knapp fünf Millionen Einwohner zählt.

Will man einen Drehort besuchen, der es in jeden einzelnen „Der Herr der Ringe“-Teil geschafft hat, kommt man an der Gemeinde Matamata in der Provinz Auckland nicht vorbei. Hier liegt das Filmdorf Hobbingen bzw. „Hobbiton“ mit den vielen putzigen Hobbithöhlen, dem Wirtshaus Zum Grünen Drachen, der Mühle sowie dem Festbaum.

Der Drehort für das Auenland bei Wellington, der Hauptstadt des Inselstaats im südlichen Pazifik, ist eine gut besuchte Sehenswürdigkeit. 

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Mehr Schafe als Menschen

Am Weg dorthin passiert man die saftig grüne Hügellandschaft der Familie Alexander. Sie betreibt dort seit Jahrzehnten eine Landwirtschaft und eine Schafzucht. Der Legende nach ist Regisseur Peter Jackson vor mehr als 20 Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Filmset auch über die Farm geflogen. Für ihn stand sofort fest: Genau hier befindet sich Hobbiton. Den Rest erledigten Filmscouts, Anwälte und Soldaten der neuseeländischen Armee.

Nachdem die Farmer davon überzeugt wurden, ihr idyllisches Land für einige Monate der Filmcrew zu überlassen, baute die Armee eine Zufahrtsstraße und grub Dutzende Höhlen für die Behausungen der Hobbits.

All diese Arbeiten wurden argwöhnisch von den gar nicht so heimlichen Herren über Neuseeland verfolgt, den Schafen. Von ihnen gibt es etwa 25 Millionen, das heißt gut fünf Mal so viel wie Menschen.

Auf der Farm der Familie Alexander weiden natürlich nicht ganz so viele, aber immerhin an die 13.500 Tiere. Und die posieren, seit sie Zeugen der Dreharbeiten waren, wie Profis, wenn Besucher anpirschen. Und das tun sie ständig, seit Farmer Craig Alexander das Filmset zu einem gewaltigen Filmdorf für Tolkien-Fans ausgebaut hat.

Der nächste Megaevent steht vor der Tür. Am 10. Dezember wird in Hobbiton der 20. Jahrestag der „Der Herr der Ringe“-Premiere gefeiert. Und das stilecht mit Bilbo, Frodo, Gandalf – und jeder Menge Schafe als Zaungäste.

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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