Das „Nizza von Kärnten“ nannte man Millstatt zu Kaisers Zeiten. Auf der Terrasse in der Villa Streintz kann man die Idee von der eleganten Sommerfrische direkt am See nachempfinden

Die Millstätter Coolness: Hippe Villen und plüschige Dekadenz

In der angestaubten Eleganz aus der Monarchie blüht eine Urlaubszene, die den K.-u.-K.-Charme mit Discokugeln überstrahlt und mit Loungemusik beschallt.

Der alte Kaiser schaut recht missmutig von der Wand herunter. Liegt wohl am quietschbunten Wasserski, der sich da über ihm im kleinen Salon breitgemacht hat. Eigentlich wäre die Villa Streintz in Millstatt ein würdevolles Rückzugsgebiet für K.-u.-K.-Nostalgiker. Doch in dem edel angestaubten Feriendomizil, das irgendein Schlotbaron aus der Monarchie ans Seeufer gebaut hat, macht sich ein Störenfried namens Wolfi bemerkbar. Zimmer für Zimmer haben die Stilmöbel überraschende Mitbewohner bekommen: Ein Wasserski hier, ein Stückchen Pop-Art da.

Der Mittvierziger geht mit all der Nostalgie, die durch die Räume seines kleinen Boutique-Hotels schwebt, grundsätzlich entspannt um. Gerast ist der Sohn aus altem Millstätter Seeadel, der Kärntnerisch so gut wie Schönbrunnerdeutsch beherrscht, als Teenager ohnehin genug: Mit wahnwitzig getunten Mopeds durch die Millstätter Nächte.

Aus der Villa Streintz hat er seine ganz persönliche Interpretation der neuen Millstätter Coolness gemacht: das friedlichste Prunkstück in dieser bunten Sommerfrischelandschaft, die überall zwischen den geistlosen Appartement-Burgen aufpoppt.

„Nizza von Kärnten“

Das „Nizza von Kärnten“, so nannte man einst in der Monarchie dieses Millstatt. Die Wiener Bourgeoisie schuf sich ihre standesgemäße Idylle. Bis heute prägt die Eleganz dieser Villen das Bild des Ortes: Eine Spielwiese für ein paar unverwechselbare Charaktere wie Wolfi, die den alten Glanz ein bisschen windschief und mit viel Witz interpretieren.

Den Anfang hat vor zwanzig Jahren Thomas gemacht, den es nach Jahren in den USA nach Millstatt und in eine jener traurig vor sich hin verfallenden Villen namens „Hubertusschlössl“ verschlagen hatte, dort brachte man gerade noch Bustouristen unter.

Millstatt, Kärnten

©Grafik

Was ihn an dem angestaubten Glanz fasziniert hat? „Na ja, das Landleben war es sicher nicht“, erinnert sich Thomas an seine Gehversuche als Hotelier. Aus dem Hubertusschlössl machte er die „Villa Verdin“, aus dem Stilgewirr zwischen altem Glanz und grellorangen Fliesen aus den 1980ern seine eigene urbane Inszenierung: Zebrafelle neben Doppeladlern an der Wand, scheinbar achtlos verstreute Kunstbücher auf Kaffeetischchen, knarrende Stiegen und ein ebenso knarrender Tom Waits im Hintergrund.

Die Bar im Parkschlössl: Eine Inszenierung plüschiger Dekadenz. Hotelier Peter lässt seine kreative Gestaltungswut in jedem Detail aus

©Konrad Kramar

Die Millstätter Sommerfrische-Hippness wurde zum Landeplatz für Cafè-Latte-Langbärte aus Wien und Berlin. Und wenn sich die in den Anfangsjahren in der Villa Verdin bei ihren Cocktails verschanzten, gibt es heute zwischen Dorfplatz und Seewiese Anlaufstellen, die auch am Prenzlauer Berg oder in der Josefstadt gute Figur machen würden.

Millstatt und sein nostalgisches Sommerfrische-Flair als Spielplatz für eine Handvoll kreativer Querköpfe, die von den touristischen Platzhirschen oft etwas neidisch beäugt werden. Ob es nun Wolfi in seiner Villa Streintz ist oder der genialische Handwerker Peter in seinem Parkschlössl. Als biedere Frühstückspension hat seine Tante das Haus geführt, in dem einst ein reicher k. u. k. Baron seine Geliebte einquartiert hatte. Peter, eigentlich studierter Informatiker, erbte und nahm selbst das Werkzeug in die Hand. Ob es der exotische Garten ist, die bis ins Detail designten Zimmer oder die plüschig-dekadente Bar: Das Haus trägt seine Handschrift – und wo die noch fehlt, hat Peter schon eine Idee.

An Ideen fehlt es auch Max nicht. Selbst Jahrzehnte im Filmgeschäft, hat er das Kino am Hauptplatz – zur Pizzeria verkommen – freigelegt: In seinem ganzen marmornen 1950er-Glamour. Jetzt gibt es nicht nur ein handverlesenes Filmprogramm, sondern Tanztees am Wochenende, bei denen man die Schritte aus „Grease“ oder „Flashdance“ üben kann. Und wem das alles noch zu konventionell ist, der kann ja den Berg hinter dem Ort hinaufspazieren. Dort, in der Villa North, werkt jetzt ein Künstlerduo – und die haben so viel vor, das sprengt ohnehin den Rahmen jeder Sommerfrische. Außer vielleicht in Millstatt, da ist vieles ein bisschen anders.

Info

Klimafreundliche Anreise
Mit der Bahn kommt man bequem nach Spittal am Millstättersee. Von dort fährt ein Bus nach Millstatt; oebb.at

Unterkunft
Die Villa Streintz ist ein mit viel Witz neu designtes Prunkstück, das sich die Beschaulichkeit der alten Sommerfrische bewahrt hat. Mit eigenem Boot und Badesteg der entspannteste Platz, um die neue Millstätter Coolness zu genießen. DZ ab 120 €; villa-streintz.at

Bergausflug
Ob in den Wanderschuhen oder auf dem Mountainbike: Die Pichlhütte mit Seeblick und rustikaler Speisekarte ist die Mühe wert; pichlhuette.at

Weitere Auskünfte
millstaettersee.com

Konrad Kramar

Über Konrad Kramar

Erfahrungen, europa- und weltweit, hat Konrad Kramar in seinen Jahren als Auslandsreporter mehr als genug gesammelt. Jetzt berichtet er als Korrespondent für den KURIER aus dem Machtzentrum der EU, aus Brüssel und kann genau dieses Wissen aus seinen Jahren als Reporter bestens einsetzen: egal ob es um Krieg in Nahost, Bauernproteste, oder die Chancen und Gefahren der neuen Gentechnik geht. Eine ganze Handvoll Fremdsprachen - inklusive einem allmählich immer besseren Französisch - ist da durchaus hilfreich Als langjähriger Amerikaexperte hat er die USA von den schwarzen Ghettos in LA bis zu den Villenvierteln in Boston bereist, US-Eliteunis und Armeebasen von innen kennen gelernt: Die USA waren für Auslandsreporter Konrad Kramar immer ein Land, an das er sein Herz verlieren konnte - trotz Antiterrorwahn, Trump und religiöser Fanatiker. Mehr als 20 Jahre war er vor dem für den KURIER unterwegs, vom Iran bis nach Spanien oder Tschechien, begleitet von langjähriger Erfahrung mit Krisen und Katastrophen. Als Buchautor wirft er lieber einen Blick in die heimische, oder auch die europäiche Geschichte, etwa in Büchern wie "Die schrulligen Habsburger", "Mission Michelangelo", oder "Neue Grenzen, offene Rechnungen"

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