Glamour und Gelassenheit in Marbella an der Costa del Sol

Marbella ist als Jetset-Hochburg bekannt – zu Recht. Doch der Ort bietet mehr als nur Schickimicki-Tand. Man muss ihn nur spüren wollen.

Überblick

Währung

Euro (€)

Einwohner

ca. 143.400

Beste Reisezeit

März bis Dezember

Hola, sagt die Kellnerin lächelnd und bietet uns einen Platz in der Sonne an. Was auch sonst – hier, an der spanischen Costa des Sol mit 315 Sonnentagen im Jahr? Heute aber hat es etwas geregnet, das kommt vor, im Herbst, und hat Charme. Dann glänzt das Pflaster der kleinen Gassen, es riecht dampfig und schwer, aber immer noch nach Meer.Die Menschen ziehen sich plaudernd mit Gläsern in der Hand unter Schirme zurück oder ins gemütliche Innere der Lokale. Doch kaum bläst der Wind die Wolken davon und malt den Himmel wieder blau, werden Tische und Sessel rasch abgewischt, Polster rausgeräumt, der Wein und die Tapas fröhlich draußen serviert. Weil das Leben hier meist im Freien stattfindet, während es daheim längst nebelt und Tag für Tag eisiger wird. Und dann lächeln die Sonnenhungrigen erneut, an diesem wunderbaren „Plaza de los Naranjos“, dem Orangenplatz im historischen Zentrum von Marbella Altstadt, mit seinen vielen kleinen Geschäften, Restaurants und Bars. Und dem Rathaus aus dem 16. Jahrhundert, erbaut von Kaiser Ferdinand nach der Eroberung Marbellas.

Ein Bummel durch die Altstadt Marbellas bezaubert. Weiß getünchte Häuser, Gebäude mit maurischen Elementen – pures, andalusisches Lebensgefühl

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Unzählige Orangenbäume säumen diesen Ort, deren feine Duftnote fast das ganze Jahr in der Luft liegt. Das pure andalusisch-flirrende Lebensgefühl, Gitarrenklänge inklusive – abends flackern die Kerzen. Und selbst jene, denen das zu kitschig ist, finden es immer noch schön. Die Details, das Liebevolle, die weiß getünchten Häuser, die Wände mit bunten Blumentöpfen, Stiegen mit Fliesen und Ornamenten im maurischen Stil, die unzähligen kleinen Kirchen. Die milde Luft, bis weit in den November, Dezember hinein. Was vor allem das Mikroklima dieser Gegend ermöglicht, bedingt durch die Sierra Blanca, die mit ihrem Berg La Concha (1.215 m) wie ein Schutzschild wirkt, die Vegetation üppig gedeihen und das mediterrane Lebensgefühl schwirren lässt.

Mutige gehen auch jetzt noch ins Meer, Genießer gehen wandern, ins zerklüftete Hinterland, mit seinen wunderschönen Naturparks. Fünfzig Prozent Andalusiens bestehen aus Wald mit mächtigen Korkeichen, Eukalyptusbäumen, Johannisbrotbäumen, Pinien oder wilden Oliven. Zwanzig Prozent davon stehen unter Naturschutz.

Tapas sind typisch für Spanien – etwa kleine Fische oder Sardinen 

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Wo Champagner fließt

Sich aufzumachen, um von der Höhe aus übers weite Mittelmeer zu schauen und den Duft der Vegetation einzuatmen, lohnt sich. Kühler und ruhiger ist es jetzt, anders als im hitzigen Sommer, wenn sich die Touristen durch die schmalen Gassen schieben, um daheim zu erzählen, dass sie auch „da“ waren. In diesem schillernden Ort in Südspanien, von dem in den Tratsch-Postillen so oft berichtet wurde. Wo die Stars den Champagner fließen lassen, Milliardäre ihre Superyachten parken oder der saudische König einst drei Millionen Euro an einem einzigen Tag ausgegeben hat.

Eva Longoria war da, hört man, Antonio Banderas, Kanye West, Ryan Gosling, Scarlet Johansson und Prince Albert ebenso. Nur begegnet ist man ihnen nicht … verdammt, wo ist er nur der Jetset? Diskretion, bitte. Die echten Stars feiern sich selbst naturgemäß abseits, in sündteuren Clubs wie Nikki Beach oder gleich in einer gigantischen Privatvilla mit Poolparty irgendwo an der „Golden Mile“, der Villengegend der Superreichen. Von solchen Prachthäusern gibt es hier Hunderte – und ihre Eigentümer und Besucher sind es, die Marbellas Ruf einer Schickimicki-Hochburg prägen. Nur Ex-First-Lady Michelle Obama zeigte sich einst „nahbar“, als sie mit Tochter Sasha und Bodyguards durch die Altstadt Marbellas bummelte, um in Souvenirläden und Boutiquen zu shoppen. Glamour-Hotspot: Das ist das Narrativ, das Marbella durch die Jahrzehnte bis ins Jetzt begleitet, auch wenn es heute am Strand genauso Billig-Bars und auf dem Markt Fake-Taschen gibt, wie überall anders auch. Und so kann man hier, auch ohne Golduhr am Handgelenk, einfach nur sich selbst sein: Frühmorgens am Paseo Maritimo schlendern, mit stetem Blick auf Meer, Palmen und Jogger, an einem günstigen vegetarischen Sandwich herumbeißend, um gleichzeitig, weiter draußen, auf palastähnliche Luxusvillen zu schielen.

Superyachten, Superautos: In Marbella gibt es viel zum Schauen, Staunen und Träumen 

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Spielplatz der Reichen

Der Mythos Marbella als Spielort der internationalen Jetseteria schwingt trotzdem unermüdlich mit. Das wird bis heute zele-briert. „Marbella ist kein Ort, sondern ein Lebensstil“, werben Immobilienmakler für ihre Quadratmeterware mit Park, Pool und kompliziertem Überwachungssystem. Aber klar: Wer sich hier eine Villa leisten kann, wird immer noch im Paradies landen, mit der höchsten Golfplatzdichte Europas.

Der Mythos begann in den 1950er-Jahren als Prinz Alfonso von Hohenlohe-Langenburg (1924–2003), „Spross aus deutschem Uradel“, in dem kleinen Fischerdorf an der Costa del Sol den „Marbella Club“ gründete – entstanden aus einer Finca für private Zwecke. Das war prägend für die gesamte Region – von nun an kamen alle, um dabei zu sein und dort fest zu feiern: die Könige, die Staatspräsidenten, die Wirtschaftsmogule, die Playboys und Stars aus aller Welt. Der Ort wurde zum legendären Spielplatz für Menschen mit mehr oder weniger gutem oder schlechtem Ruf, aber meist mit dicker Geldbörse: Juan Carlos, Onassis, Sean Connery, Gunther Sachs, Brigitte Bardot – man könnte viele nennen und sich an so manches Schmankerl erinnern. Etwa, als Alfonso Hohenlohe bei einer seiner legendären Partys, Motto „Arabische Nächte“, als Scheich verkleidet auf einem Esel dahergeritten kam. Anekdoten wie diese gibt „Conde Rudi“, Rudolf Schönburg, der im Marbella Club jahrzehntelang als Direktor fungierte, noch heute in Interviews zum Besten. Dann wird er gerne gefragt, wie’s damals war. Er schwärmt – und moniert, dass die Stimmung der 1960er- und 70er-Jahre nie mehr wieder kommen würde. Und das Promi-Aufkommen heute eher überschaubar sei.

Sehen und gesehen werden: Das ist das Credo des Luxushafens Puerto 
Banús, wo Lamborghini aus dem Bauch der Edel-Yachten gleiten 

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Mag sein, dass die VIP-Sichtung an Marbella-Tagen wie diesen vielleicht etwas mager ausfällt, aber ein bisserl was geht immer. Man muss dafür nur ein paar Stunden in Puerto Banús abhängen, der im Jahr 1970 neu eingeweihte Luxushafen. Das Megayachtaufkommen ist dort immer noch sehr hoch. Wer Glück hat, kann mit dem Handy filmen, wie ein Lamborghini aus dem Bauch eines in der Sonne glänzenden Schinakls herausgefahren wird.

Wandern in der Sierra Bermeja – mit Meerblick und einer beeindruckenden Flora mit alten Korkeichen und Olivenbäumen

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Lustig, aber darum geht’s im Grunde gar nicht. Weil Marbella so viel mehr bietet – endlose Strände, wunderbare Sonnenuntergänge, ein atemberaubendes Hinterland und zugleich pulsierendes Leben. Vor allem aber: Sonne. Sonne. Sonne. Ein fantastischer Platz, um dreieinhalb Flugstunden vom heimatlichen Herbstwinter-Gefühl entfernt, aufzutanken und sich’s ein paar Tage (oder länger) gut gehen zu lassen. „Que mar bella!“, soll Königin Isabella von Kastilien einst gerufen haben, als sie zwischen Malaga und Gibraltar auf das Meer blickte, so kam der Ort angeblich zu seinem Namen. Man kann ihr Entzücken gut verstehen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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