Ab in die Stadt des Lichts: Ein Kurztrip nach Lissabon
Lissabon ist das ganze Jahr über eine der allercoolsten Kurztrip-Ziele in Europa. Im Herbst und Winter ist es vor allem die tiefer stehende Sonne, die Straßen und Fassaden einen besonderen Charme verleihen.
Überblick
Cristo Rei beschützt deinen Sinkflug mit weit ausgestreckten Armen – so, wie er auch die Menschen der Stadt beschützt. Die große Statue auf ihrem fast hundert Meter hohen Betonsockel, dem Christus von Rio de Janeiro nachempfunden, wacht über allem. Wohl deshalb beugt dein Kapitän die Maschine vor der Landung immer sanft in diese große, weiche Kurve über dem Atlantik und lässt das Flugzeug den Einzugsbereich der offenen Arme voll Zuversicht durchmessen. Sanft lässt er dich in deinem Flugzeugsitz über der Mündung des Tejo hinabsinken, mit dem Fahrwerk gefühlt noch schnell die Dächer der Stadt küssen, bis deine Maschine schließlich am Flughafen tatsächlich sicher den Boden berührt. Touchdown. So kommst du in Lissabon an.
Die Pflasterkunst
Allein schon der Landeanflug ist also ein Erlebnis. In der Stadt dann, im Wirrwarr der Hügel und der verwinkelten Gassen des Altstadtviertels Alfama, schreiten die Besucher auf den „Paralelepípedos“ der gepflasterten Gehsteige dahin, der „Calçadas“, die eine Art Symbol für die Sorgfalt sind, welche die Bewohner ihrer Stadt entgegenbringen. Denn Reihe in Reihe, Glied in Glied, Bogen für Bogen, Muster für Muster sind die kleinen Quader akkurat verlegt, die meisten von ihnen eben in Weiß, viele aber auch in Schwarz. Eine mühsame Arbeit muss das gewesen sein, in ganz Lissabon dürfte es viele Millionen davon geben. Aber es zahlt sich aus. Denn die quadratischen Steine verleihen dem Boden unter den Füßen besonderen Charme, zaubern Abwechslung auf Lissabons Straßen. Die Paralelepípedos, wie die miniaturisierten Pflasterquader auf Portugiesisch heißen, machen Straßen und Plätze zu Kunstwerken, zu schwarz-weißen Mosaiken, und sind fast ein informelles Wahrzeichen der Stadt. Zusammen mit der bunten Keramik, die in der Altstadt immer noch auf die Wände zahlreicher Häuser gefliest ist, ergibt das ein verführerisches Panoptikum der Vielfalt und der Einzigartigkeit Lissabons.
Für uns, die wir das viele Betongrau mitteleuropäischer Großstädte gewohnt sind, ist Lissabon etwas Besonderes. Vor allem unglaublich bunt. Die Stadt, einst glamouröser Ausgangspunkt früherer Seefahrer, besitzt zweifellos das Flair der großen, weiten Welt und gleichzeitig die Bodenständigkeit einer südländischen Bevölkerung. Sie trägt in ihren Plätzen und Aussichtspunkten die Weite und Endlosigkeit des Atlantiks ebenso in sich wie in ihren engen Gässchen die Geborgenheit einer warmen, freundlichen alten Kultur.
Fragen wir Estela
Es ist sinnvoll, sich dieser schönen Stadt über einheimisches Wissen zu nähern. Fragen wir also einfach einmal Universitätslektorin Estela, die in Lissabon geboren wurde, dort Philosophie und Tourismus studiert hat, dann über zwei Jahrzehnte in Österreich lebte, zuerst in Salzburg und dann in Wien, bevor sie vor einigen Jahren wieder nach Hause zog, wo sie nun Portugiesisch für Erasmus-Studenten unterrichtet. Also: Was genau macht Lissabon so besonders? Estela, deren Name sich ohne das „E“ zu Beginn und mit einem halben „sch“ danach ausspricht, ungefähr „Schtela“ also, sagt kurz und bündig: „Es ist das Licht“.
Tatsächlich ist Lissabon eine Stadt des Lichts, eine „Cidade da Luz“, wie es auf Portugiesisch heißt. Gerade im Winterhalbjahr taucht die tief stehende Sonne in Zusammenarbeit mit den Reflexionen der Wellen des Atlantiks auf der einen und jenen der Mündung des Flusses Tejo auf der anderen Seite alles in eine eigentümlich schöne Beleuchtung. Die Paralelepípedos und die Fliesen an den Häusern tun ein Übriges, denn alle zusammen streuen das Sonnenlicht beim Reflektieren und verteilen es neu. Fotografen aus der halben Welt strömen in der kalten Jahreszeit nach Lissabon, weil die Motive der Stadt dann in diesem warmen Winterlicht einzigartig in die Welt leuchten. Lissabon im Winter, das ist überhaupt eine wunderbare Erfahrung. Es ist nicht kalt, denn einstellig werden die Temperaturen selten, und Tage, an denen es sich im leichten Pullover am Strand sitzen lässt, sind häufig.
Stichwort Meer: Lissabon ist natürlich auch eine Stadt des Meeres, im Osten von der breiten Tejo-Mündung begrenzt und im Süden und Westen vom Atlantik. Natürlich orientiert sich hier, in der Hauptstadt der alten Seefahrer, alles in der einen oder anderen Form am Wasser. Der pittoreske alte, weiße „Torre de Belém“, der im Mittelalter noch als Insel im Tejo stehende und mittlerweile verlandete Turm, gilt immer noch als Wahrzeichen und weithin sichtbarer Markierungspunkt. Die große Praça do Comércio, der zum Tejo hin offene Hauptplatz, ist Anziehungspunkt für alle und alles.
Schon der berühmte portugiesische Dichter Fernando Pessoa saß hier gerne im Café Martinho da Arcada, schrieb, aß, trank, und sah auf den Tejo hinaus.
Essen, Trinken und Geheimtipps
Fast könnte man sagen: Essen ist die liebste Beschäftigung der Portugiesen. Estela empfiehlt die nationale portugiesische Süßspeise, die „Pastel de Nata“, eine Art kleine, runde Teigtorte mit Cremefüllung. Die muss man gekostet haben, wenn man vor Ort ist – am besten in der „Fábrica dos Pastéis de Belém“, dem Kult-Café, wo die kleinen Törtchen schon seit 1837 gebacken und verkauft werden. Inzwischen gibt es sie nicht nur mit der ursprünglichen Creme, sondern auch mit Schoko- und anderen Füllungen. „Nein, nein, nein!“, sagt Lissabonnerin Estela dazu entrüstet, denn selbstverständlich biete nur die ursprüngliche Variante den einzig wahren, traditionellen Genuss.
Vom Süßen abgesehen: Das portugiesische Essen lebt natürlich vom Meer und seinen Früchten, aber auch deftige Gerichte mit Kartoffeln und Würstchen kennt es. Eine spannende Küche. Mehrere bunte Lebensmittelmärkte verteilen sich über die Stadt. Restaurants, Bars und Essenskioske ohne Ende warten darauf, entdeckt zu werden.
Estela hat einen Geheimtipp für Besucher parat: In den vielen kleinen Parks der Altstadtviertel, die „Jardins“ heißen, also „Gärten“, stehen fast immer solche kleinen Kioske mit einfachen kulinarischen Köstlichkeiten. Perfekt, um auf einer Sightseeingtour durch die Stadt innezuhalten und im Schatten alter Bäume bei einer Stärkung die Seele baumeln zu lassen oder ein Pessoa-Gedicht zu lesen.
Apropos Sightseeing: Natürlich gibt es all die Klassiker, die auf den Lissabonner Besucher warten: Museen, Kirchen oder andere touristische Schätze – die Reiseführer sind voll davon. Stellvertretend für sie alle sei empfohlen: Einfach in die berühmte Straßenbahnlinie 28 E steigen – das Ticket kostet drei Euro – und hinauf zur Festung Castelo São Jorge fahren, dann zu Fuß durch das Alfama-Viertel wieder hinunter spazieren und dabei Sehenswürdigkeiten abklappern.
Aber bitten wir noch einmal Estela um einen besonderen Tipp für Lissabon-Besucher. Sie schlägt vor: „Einfach aufs Meer schauen.“ Und das geht so: In den Zug nach Cascais steigen, den Bade-Vorort im Westen, und dann an der Station „Estoril“ aussteigen. Von dort führt direkt am Strand ein knapp drei Kilometer langer, befestigter Fußweg nach Cascais hinaus, auf der einen Seite gesäumt von Bars und Cafés, auf der anderen vom Atlantik. Am besten, man macht das am Abend eines klaren Tages, dann ist es ein Spaziergang direkt in einen unbeschreiblichen Sonnenuntergang hinein.
Kommen wir am Schluss noch einmal zum Stichwort Christus: Natürlich ist auch die riesige Statue am der Stadt gegenüber liegenden Tejo-Ufer einen Ausflug wert, entweder per Fähre und Bus oder mit dem Leihauto über die kilometerlange „Ponte 25 de Abril“. Und auch ein Wort zum Thema Advent und Weihnachten: An der Praça do Comércio wird jedes Jahr eine riesige, beleuchtete Christbaum-Skulptur aufgestellt, um die herum es sich abspielt. Zu Silvester gibt es dort immer ein Gratiskonzert. Weihnachts- und Adventmärkte im mitteleuropäischen Sinn sucht man jedoch vergebens – bis auf einen, den „Marquês de Pombal“, der sogar über ein kleines Riesenrad verfügt. Doch wie gesagt: Nach Lissabon fährt man im Advent ohnehin nicht wegen Weihnachten, sondern wegen des Winterlichts.
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