Innviertel Waldzell

Unbekanntes Innviertel: Rabiate Leute, sanfte Hügel, gute Knödel

Dieser Teil Oberösterreichs ist vielen Wienern fremd. Sieht man über ein paar Dinge hinweg, ist es hier spektakulär unspektakulär.

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Einwohner

ca. 287.600

Menschen, die aus dem Innviertel kommen und in Wien leben, werden das Gespräch kennen:

"Woher kommst du?"

"Aus dem Innviertel."

"Wo ist denn das?"

"Zwischen Braunau und Passau".

"Ah, Braunau."

Es ist kein Renommee, als Geburtsort Adolf Hitlers weitum bekannt zu sein, auch wenn die Stadt wirklich nichts dafür kann. Mittlerweile könnte man aber auch sagen: Das ist da, wo sie so eine niedrige Impfrate gehabt haben, weil die stolz darauf sind, solche Sturschädeln zu sein. Auch nicht unbedingt ein Renommee. Oder dass hier xenophobe Parteien meist mehr Stimmen bekommen als anderswo.

Aber eigentlich würde man dem westlichen Teil Oberösterreichs damit auch etwas unrecht tun, ihn nur darauf zu reduzieren. Sieht man nämlich über derartige Dinge hinweg, ist es landschaftlich ganz hübsch hier.

Hügeln und Andi-Goldberger-Monument

Zwar fehlen große Seen oder mächtige Berge, aber gerade das macht es reizvoll. Es ist einfach spektakulär unspektakulär (wenn man von einigen großen Industriezentren einmal absieht). Hier gibt es teilweise noch riesige alte Bauernhäuser aus dunklem Holz. Es gibt große Auen rund um den Inn. Die Landschaft ist weit und vielfach hügelig. Besonders toll ist der Blick von Salzburg kommend aus dem Kobernaußerwald heraus. Wer dort in der Gegend ist, kann gleich zum goldenen Andreas-Goldberger-Monument nach Waldzell fahren.

Die großen Wiesen und Felder sind fruchtbar, und wenn nicht grad Mais angebaut wird, schön anzusehen. Und von manchen Erhebungen gibt es eine bei guter Witterung tolle Sicht ins Gebirge oder weit ins benachbarte Bayern, das durch die Salzach und den Inn abgetrennt ist.

Innviertel Winter

So kann das Innviertel im Winter aussehen - wie hier in Waldzell. Zwar fehlen Berge, im Ort wuchs aber mit Andreas Goldberger ein erfolgreicher Skispringer auf. Es steht auch eine goldene Goldi-Statue dort.

©Alois Litzlbauer / picturedesk.com

Die Gegend gehörte bis 1779 zu Bayern - und kam nach ein paar Uneinigkeiten ab 1816 fix zu Österreich. So recht hat das damals den Menschen wohl nicht gefallen. Hundert Jahre zuvor haben die aufständischen Bauern im Spanischen Erbfolgekrieg den Österreichern noch zugerufen „Lieber bayrisch sterben als kaiserlich verderben!“ Dass die Menschen auch sprachlich Bayern waren, gefiel den Oberen in Wien nicht - sie schickten Lehrer aus, die den Kindern eine mehr österreichisch gefärbte Sprache verpassen sollten. Es mag heute noch Menschen geben, die bezweifeln, dass das gelungen ist.

Und eventuell kommt diese "Mia-san-Mia"-Mentalität, die bei manchen Personen zur Tugend erhoben wird, auch von hier. Oder davon, dass man sich von Linz vergessen fühlt, weil das Land Oberösterreich lieber im strukturschwachen Mühlviertel investiert als in der prosperierenden Wirtschaftsregion.

Auf jeden Fall: die Verbundenheit zu Bayern ist noch da. Brauereien gibt es viele. Und vor ein paar Jahren war es etwa noch ganz normal, sich als Fan der 60er, also von 1860 München oder des FC Bayern zu deklarieren. Mit Rapid vs. Austria kann hier nie wer was anfangen.

Erlebnisorientiert

Immerhin ist auch seit 1995 die SV Ried (ja, die, weil Sportvereinigung) regelmäßiger Gast in der Bundesliga. Es gibt zuweilen Gesprächspartner, bei denen muss man nicht Braunau bemühen, um zu erklären, woher man ist. "Ried im Innkreis, da wo der Fußballverein spielt." Und am Fußballplatz geht es manchmal ruppig zu. Es mag der Innviertler Mentalität geschuldet sein, dass es unter den Anhängern in Relation zur Größe des Vereins eine ganz stattliche Anzahl "erlebnisorientierter" Männer gibt. 

Denn Schlägereien gehören zu einem verklärten Mythos. Dereinst schlossen sich ledige Jungbauern zu Kameradschaften, den Zechen, zusammen. Wenn sie auf Rivalen trafen, ging es rund. Noch heute verklärt man den Spruch: "Die Landler, die Bandler, / die Nudldrucka, / wann d’Innviertler kemman, / müassens umirucka". Landler waren die verfeindeten Burschen aus dem Hausruckviertel. Zur Legende gehört auch, dass jede Taufe, jede Hochzeit, jeder Kirtag mit einer Rauferei geendet haben soll. Und auch die Feitln saßen locker - es gab hin und wieder Tote.

Wenn der Lockdown vorbei ist, empfiehlt sich ein Besuch in den Heimathäusern in Braunau, Obernberg oder dem Volkskundehaus Ried. Hier sind heute viele selbstgebastelte Raufwerkzeuge ausgestellt.

Raufwerkzeuge im Heimathaus in Braunau am Inn.

©Wikimedia Commons/Karl Gruber / CC BY-SA-4.0

Wenn schon mal in einem der Orte, bietet sich ein Rundgang an. Sie haben alle Plätze mit bunten Häusern, die im sogenannten Inn-Salzach-Stil erbaut wurden. Besonders pittoresk ist das barocke Schärding, dort nennt man die Häuserreihe Silberzeile. Vor ein paar Jahren kürte man sich dort sogar zum Weltwunder. Auch wenn's nicht dafür reicht, hübsch ist es allemal. Am Inn lässt sich vorzüglich entlang spazieren. Und am Wassertor erkennen, wie bedrohend hoch hier der Fluss bei Hochwasser werden kann.

Die Silberzeile in Schärding.

©Getty Images/iStockphoto/Animaflora/iStockphoto

Wenn es die Pandemielage wieder zulässt, ist auch ein Wirtshausbesuch Pflicht. Vorher aber schauen, ob es dort auch wirklich die kleinen Innviertler Knödel gibt. In den Teig (meist ist es ein Brandteig) kommt Surspeck, aber auch Grammeln und Bratenreste sind erlaubt. Dazu gibt es Sauerkraut. Besonders stolz ist man auf das Bratl in der Rein. Das ist ein (gesurter) Schweinsbraten, der zusammen mit Stöcklkraut, Semmelknödeln und Erdäpfeln gemeinsam im Rohr zur Vollendung gebracht wird. Besser wäre es ja, wäre das Fleisch nicht gesurt. Aber das ist auch so eine Eigenheit.

Paniertes Schnitzel mit Sauce

Generell ist die Innviertler Küche im Ganzen etwas deftig und gewöhnungsbedürftig - auch wenn man sich viel darauf einbildet. Ein Innviertler Schnitzel etwa ist Gewöhnungsbedürftigkeit in seiner höchsten Form: Ein paniertes Surschnitzel in Rahmsauce mit Semmelknödeln. Da hat mancher Besucher aus Ostösterreich schon mal lustlos darin herumgestochert.

Bekannter als die Küche ist der Motorrad- und Sportwagenhersteller KTM. Wer sich nicht unbedingt Raufwerkzeuge in Museen ansehen will, kann - wenn man sich dafür interessieren sollte - nach Mattighofen zur Motohall fahren (sobald der Lockdown vorbei ist). In dem raumschiffartigen Gebäude stehen Motorräder en masse herum. Ob das überhaupt ein Museum ist, erregte 2019 die Gemüter. Das Land Oberösterreich hatte das Projekt mit mehreren Millionen gefördert - unter anderem aus dem Kulturbudget. Der Landesrechnungshof entschied: es ist ein förderungswürdiges Museum.

Viele Motorräder gibt es in der KTM Motohall in Mattighofen anzusehen.

©KTM

Wem diese Vorgehensweise immer noch sauer aufstößt, lässt Mattighofen links liegen. Und fährt ins bayerische Passau, das gleich neben dem Innviertel liegt. Dort gibt es einen großen Dom mit einer der größten Orgeln der Welt - wenn man Glück hat, zieht gerade jemand virtuos alle Register. Es soll Damen geben, die würden dort auch gerne den Bischof treffen. Der war früher Radiomoderator und ist verhältnismäßig jung. Und überaus fesch, sagen diese Damen. Aber stockkonservativ ist er halt auch.

In Passau fließen aber auch Inn, Ilz und Donau zur Donau zusammen. Was auffällt: Der Inn ist erstens viel blauer als die schöne blaue Donau. Und eigentlich auch breiter. Und unter Umständen könnte man sich fragen: Warum heißt der große Strom ab Passau nicht Inn? Und müsste es dann nicht eigentlich Wien am Inn heißen? Und dann würde niemand mehr fragen: Innviertel? Wo ist denn das? 

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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