Expedition ins Eis: Eine Reise ans Ende der Welt

Kajakfahren zwischen Eisbergen, Baden in der Arktis, eine Schifffahrt mit Blick auf Eisbären und Orcas: Der Norden Norwegens fasziniert. Es geht zu den Lofoten, nach Tromsø, Spitzbergen – und immer weiter.

Das Tor zur Arktis heißt Tromsø. Und die Reise beginnt dort gleich mit einer Überwindung: Es ist nass und eiskalt. Keinem Mitteleuropäer wäre nach baden zumute. Doch es lohnt sich, denn wer kann von sich schon behaupten, in der Arktis schwimmen gewesen zu sein? Viele Einheimische liegen bereits in der frischen Frühlingssonne mit Badeanzügen am Strand von Telegrafbuktas, Tromsøs südlicher Bucht. Ende Mai hat es hier, in der nördlichsten Metropole der Welt, immerhin etwa neun bis 15 Grad Celsius, die Wassertemperatur beträgt zwischen zwei und sieben Grad. 

Eisbaden in Tromsø: Die Reise beginnt mit einer Überwindung. Es ist nass und eiskalt, doch Redakteurin Julia Elzea traut sich in das arktische Meer. Im Mai hat die Wassertemperatur immerhin bereits zwischen 2 und 7 Grad Celsius. 

©Katherine Ozanich

Tromsø ist eine kompakte, sehr entspannte Stadt. Die Menschen kommen neugierig und freundlich auf einen zu, wie auch die vielen, frechen Möwen. Die Straßen sind kaum befahren. Das liegt auch an dem ausgedehnten Tunnelsystem: Straßen, Kreisverkehre und Parkhäuser befinden sich teilweise unter der Oberfläche, sodass man gemütlich durch die kleine, bunte und saubere Stadt schlendern kann. 

Das Tor zur Arktis

Tromsø von Oben: Die Fjellheisen-Seilbahn bringt einen auf Tromsøs Hausberg Storsteinen. Von hier hat man einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt, Berge und Fjorde rundherum. 

©Julia Elzea

Nach dem Eisbad hat man sich ein arktisches Bier verdient: in der Ølhallen (Bierhalle) gibt es über 72 norwegische Biersorten, da ist also für jeden etwas dabei. Auch die traditionellen Köstlichkeiten, wie gegrillten Stockfisch, Rentierfilet oder Möweneier sollte man sich nicht entgehen lassen. Eine norwegische Fiskesuppe (Fischsuppe) oder der schmackhafte Eintopf Bacalao mit Klippfisk (Klippfisch: getrockneter und gesalzener Kabeljau) wärmt den Magen – und schmeckt ausgezeichnet. 
 

In der malerischen Altstadt steht ein Musikant, der ausgesprochen spannende Töne von sich gibt. Eine Dame erklärt begeistert, dass er gerade joikt. Ein intensiver und improvisierter Kehlgesang, der zu den Traditionen des samischen Volkes gehört, den indigenen Bewohnern Norwegens, mit eigener Sprache und Kultur. Tromsø bietet reichlich Gelegenheit, sich mit ihren Bräuchen vertraut zu machen. Außerdem ist Tromsø ein guter Ausgangspunkt für Polar-Expeditionen. Mit dem Schiff dringt man von hier tief in die Arktis vor … 

Eisbären & Walen auf der Spur  

Das Schiff hält plötzlich an. Menschen laufen aufs Deck, aufgeregter Jubel erklingt überall. Eine Durchsage: „Drei Eisbären gesichtet, eine Mutter mit ihren zwei Jungen, bitte leise sein und Kameras bereithalten.“  Dies sind bereits die achten Bären, die bei dieser Expedition gesichtet wurden. Ein bisschen später sieht man vom Schiff aus, wie drei Finnwale, vier Orcas und dutzende Weißschnauzendelfine zusammen jagen. Willkommen in der Arktis

Die Backen rot von der starken Sonne und der arktischen Kälte, in den Händen ein Fernglas. Auf der Suche nach Leben in einer so wilden und zugleich zerbrechlichen Umgebung. Eine flache, eisige und unberührte Landschaft, keine Bäume, kein Grün. Man fühlt sich von geringer Größe und isoliert, wenn man in den weißen Horizont blickt. Kein Kontakt zur Außenwelt. Es kracht, vibriert, echot laut, wenn das Schiff durch die dicke Eisschicht stößt. 

Mehr als 60 Prozent der Landfläche von Spitzbergen werden von Gletschern bedeckt. Insgesamt leben hier nur um die 2897 Personen. 

©Julia Elzea

Von Tromsø  auf dem Weg zum Hauptort von Spitzbergen, dem größten Ballungsraum der Inselgruppe. Longyearbyen ist eines der nördlichsten bewohnten Gebiete der Welt. Eine Zivilisation, die einst vom Walfang, dem Handel mit Fellen und dem Abbau von Kohleminen lebte. Der Walfang wurde verboten, wie auch die Jagd nach Eisbärfellen. Die Bergarbeitersiedlung wurde zu einer Geisterstadt.  Mittlerweile lebt Longyearbyen vor allem vom Tourismus und dem Fischfang. Hauptsaison ist während des Lichtwinters, zwischen März und Anfang Mai, wo die Sonne nicht mehr untergeht, wenn noch genügend Schnee für (Hunde)-Schlittentouren liegt. 

Statt Straßenschilder findet man hier Warnschilder: Achtung Eisbären!
©Julia Elzea

Im Ort angekommen, findet man statt Vorrangschilder nur Warnschilder: Achtung Eisbären! Die Eisbär-Population auf den Inselgruppen wird nämlich auf rund 3.500 Tiere geschätzt. Ein Einwohner berichtet, dass die weißen Tiere immer neugieriger werden und eine unglaublich gute Nase haben. „Draußen grillen ist hier also nicht so leicht“, meint der Mann mit dem langen Bart. Alle lachen nervös. Aber praktisch alle Einheimischen sind hier bewaffnet – auch die Tourguides.
Mehr als 60 Prozent der Landfläche von Spitzbergen werden von Gletschern bedeckt, wovon viele auf Tagesausflügen oder Kreuzfahrten bestaunt werden können. Und obwohl die Hälfte von Spitzbergen als Schutzgebiet gekennzeichnet ist, ist Longyearbyen eine kosmopolitische Stadt mit modernen Hotels, einer Brauerei und mehr als 15 verschiedenen Restaurants. Hier findet sich sogar einer der größten Weinkeller Skandinaviens. 

Ein Gefühl, als würde man durch den Himmel gleiten: Mit dem Kajak durch das arktische Wasser. Auf Spitzbergen kann man viele  unvergessliche Abenteuer erleben

©Julia Elzea

Völlig schwerelos ... 

Wie ein surrealer Traum ist das Gefühl, im arktischen Wasser im Kajak zwischen den vielen Eisbrocken zu gleiten. Das klare, eiskalte Wasser ist so still, dass es den blauen Himmel und die kleinen Eisberge wie ein Spiegel reflektiert. Ein Gefühl, als würde man durch den Himmel gleiten. Alle störenden Töne und Geräusche werden von der unendlichen Eislandschaft verschluckt, so scheint es. Man hört hier nur sich selbst und wie das Wasser vom Paddel tropft. Vom kleinen Flughafen in Longyearbyen gelangt man unkompliziert zurück nach Tromsø oder Oslo, wo der Rückflug nach Wien starten kann. 

Eisberg voraus:   Im Frühling schmilzt das meiste Eis rund um Spitzbergen und ermöglicht faszinierende Naturschauspiele 

©Julia Elzea

Zwischenstopp auf den Lofoten

Wer noch Zeit und Lust auf einen Ortswechsel hat, sollte unbedingt einen Zwischenstopp auf den Lofoten und Træna machen. Hier gibt es die typische Norwegen-Postkarten-Stimmung, mit bunten Hausfassaden, die sich im Wasser spiegeln. Von der Hauptstadt Svolvær verläuft die Europastraße 10 durch viele Dörfer mit traditionell roten Fischerhäusern (Rorbuer) aus Holz. Das idyllische Henningsvær wird wegen seines ursprünglichen Charmes auch als das „Venedig des Nordens“ bezeichnet. Der kleine Ort Reine gehört mit zu den meistbesuchten und vor allem auch meistfotografierten Orten auf der Inselgruppe der Lofoten. Wir hatten Glück: Es war menschenleer und somit perfekt für das Postkarten-Bild. Aber Achtung: Wenn die vielen Stockfische gerade trocknen, stinkt es intensiv. 

Der erste und letzte Elch

Es gibt Menschen, die davon überzeugt sind, dass Værøya die schönste der Lofoten-Inseln ist.  Værøya ist eine gebirgige Insel, auf der man die älteste Kirche der Lofoten besuchen, die Vogelfelsen sehen und alte Adlerfanghöhlen, in denen Adler mit bloßen Händen gefangen wurden, finden kann. Ein Strand auf der Nordseite bietet die Möglichkeit, im Schein der Mitternachtssonne zu baden.
Und dann ist da noch Træna: Als 2011 ein Elch 40 Kilometer über den Trænafjord schwamm und auf einer der 1.000 Inseln ankam, hätte das Tier nicht wissen können, wie besonders seine Aktion war. Es war nämlich der erste und auch letzte Elch, der jemals dort lebte. Ihm wurde eine riesige Statue gewidmet. Mitten durch die Hauptinsel Husøy verläuft der Polarkreis. Dies wird durch eine exakt an der Stelle aufgestellten Weltkugel verdeutlicht. Ein guter Ort, um die Ankunft in der Arktis mit einem Selfie festzuhalten.  

Durch Træna verläuft der Polarkreis. Obwohl hier nur um die 350 Einwohner wohnen, gibt es viel zu sehen und durch die fast 9.000-jährige Geschichte des Ortes, auch viel zu lernen... 

©Julia Elzea

Das Hawaii im Norden 

Das „Aloha“-Café am Hafen überrascht schließlich mit hawaiianischem Flair. Aber siehe da: Die abgeschottete Insel hat tatsächlich eine besondere Beziehung zu Hawaii: 1898 verließ Theodor Holmen Træna, um nach Honolulu, Hawaii, zu reisen. Er kehrte nie zurück. Drei Jahre später wurde seine Schwester Alma geboren, die ihr ganzes Leben in Træna verbrachte. Die Geschwister trafen sich nie persönlich, aber 1925 erhielt Alma eine Kamera. Absender: Ihr Bruder Theodor in Hawaii. Alma brachte sich selbst das Fotografieren und Entwickeln bei und dokumentierte unermüdlich das Leben auf Træna. Die Bilder schickte sie ihrem Bruder ans andere Ende der Welt, jetzt sind sämtliche Fotografien gemeinsam mit weiteren Kunstprojekten auf der Insel ausgestellt. 

Nicht nur das hawaiianische Café begrüßt einen am Hafen: Das älteste Bootshaus der Stadt wurde von Architekturstudenten in eine Sauna direkt am Meer umgebaut. Nach einem Eisbad trifft man in der Naust-Sauna die warmherzigen Einheimischen. Denn wie in Tromsø schreckt man auch hier nicht vor den bitterkalten Wassertemperaturen zurück. Aber die Überwindung ist man mittlerweile beinahe gewohnt …

Julia Elzea

Über Julia Elzea

Als Social-Media-Redakteurin gestaltet sie die Kanäle der Kurier-Freizeit von Facebook über Instagram bis hin zu Pinterest und TikTok. Julia ist ausgebildete Fotografin und hat Theater- Film und Medienwissenschaft studiert. Zu ihren Leidenschaften zählen Kunst, Kultur, Musik, Reisen und Sport. Sie mag es neue Dinge auszuprobieren, neue Orte zu entdecken und sich neuen Herausforderungen zu stellen.

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