Diamanten, Dolce Vita und Flamingos: Die Geheimnisse der Emilia-Romagna
Rimini feiert Federico Fellini. In Ravenna gibt es die schönsten Mosaike der Welt, in Ferrara Diamanten und Romantik und im Comacchio rosa Flamingos.
Emilia-Romagna, schon der Name zergeht auf der Zunge, klingt nach Gelati, Zuppa inglese, Cappellacci, Bolognese, Lasagne, Piadina oder Tenerina. Das Land südlich vom Po hat alles im Angebot. Renaissance und Romanik, Moscheen und Mosaike, Klöster und Kirchen, römische Straßen und bunte Reihen von Sonnenschirmen. Kultur und Dolce Vita treffen auf beste Pasta und atemberaubende Geschichten – die Reiselektüre kann man getrost zu Hause lassen. Wer die östliche Emilia-Romagna kennen lernen will, macht sich am besten auf den Weg in die Valli di Comacchio, zu Fischern und Flamingos, nach Ravenna, Ferrara und Rimini. Auch Cesenatico ist einen Abstecher wert.
Vier Tage, vier Routen. Die freizeit führt mit Dolce Vita durch das lange Wochenende:
Besonders reich ist Ferrara. Reich an Diamanten und Geschichten, die sich von geheimnisvollen Mauern und Palazzi ablesen lassen. Wie dem Palazzo dei Diamanti, in dessen prachtvoller Renaissance-Fassade noch immer echte Diamanten versteckt sein sollen.
Von Ercole I. d‘Este, dem Herzog von Ferrara, der davon besessen war: Er hatte einen Diamanten in seinem Wappen. Es war sein Hofarchitekt, der Stadtplaner Biagio Rossetti, der ab 1493 die Sandstein-Fassade des Palasts in Form geschliffener Diamanten erbaute. Wer sich an die Fassade des Palazzo dei Diamanti lehnt, einen Blick vis-à-vis auf die roten Mauern des dahinter liegenden Parco Massari wirft, kann vom „Garten der Finzi-Contini“ träumen, Giorgio Bassanis Roman, verfilmt von Vittorio De Sica, der hinter diesen Mauern spielen soll.
Das Buch ist bei den Wochenmärkten rund um Ferraras bekannteste Gasse, die „Via delle Volte“, die als eine der schönsten Straßen Italiens gilt, ein Dauerbrenner. Interessant und ein wenig schaurig zugleich ist auch ein Besuch in dem kleinen Kloster Corpus Domini in Ferrara, in dem die sagenumwobene Renaissancefürstin und Papsttochter Lucrezia Borgia begraben wurde.
Echte Riminesi
Angst vor Deutsch sprechenden Touristen braucht man in der Emilia-Romagna übrigens keine zu haben. Die Strände sind hier ein bisschen schicker und sauberer als anderswo. Und Frauen haben das Sagen. „Wir müssen nicht nur Schwimmer im Notfall retten, Fischstiche verarzten oder Liegestühle vermieten“, sagt Barbara Fratti vom Spiagga 17, „sondern auch den Strand putzen und Ordnung machen.“
Die resche Riminese führt mit ihrer Tochter, einer ausgebildeten Rettungsschwimmerin, und ihrer Schwester die Badeanstalt. Als erste weibliche Bademeisterinnen Riminis haben sie sich heute bereits Respekt erkämpft. Manchmal schreibt Fratti „Meduse“, „Quallen“, auf einen Zettel, den sie an die Badekabine heftet, heuer zum Glück nicht zu oft. „Im Herbst gibt es zwar keine Rettungsschwimmer, die Bäder sind geschlossen. Aber Sonnenbäder macht man hier das ganze Jahr und am 14. Oktober, zu San Gaudenzio, springen noch viele ins Meer.“
Bei spätsommerlichem Chiringuito, DJ-Live und Cocktails am Strand oder beim Flanieren auf der schönen Promenade Parco del Mare ist kaum ein deutsches Wort zu hören. Und die typische Piadina, deren Fladenbrotteig immer dicker wird, fährt man vom Süden Richtung Bologna, schmeckt am besten bei Lella al Mare. Auch hier im Restaurant im Herzen von Marina Centro regieren Frauen.
Gabriella Magnani gründete mit ihrer Tochter Nanni das hippe Restaurant, das heute nicht nur wegen seines dünnsten Piadina-Teigs berühmt ist, sondern auch wegen seines Styles: Alle Mitarbeiter tragen Strohhüte mit Blumen. Schlendert man dann über die Promenade Richtung Grand Hotel, kommt man zu dem Platz, den Federico Fellini berühmt machte: dem Grand Hotel, in dem der Regisseur seine Kindheit verbrachte.
Riminis Rhinos
Und zu einem goldenen Nashorn, das lebensgroß im Garten steht, als Hommage an den Film „E la nave va“, Fellinis „Schiff der Träume“. Auch die weißen Gusseisensessel stehen noch im Garten, auf denen der gebürtige Riminese saß. Nashörner in kleinen Rettungsbooten stehen übrigens überall herum in Rimini.
Man findet sie in Souvenirläden als Mitbringsel und im neuen interaktiven Fellini-Museum, im Castel Sismondo auf der Piazza Malatesta. Hier stellt man sich beispielsweise in einen Beichtstuhl. Oder setzt sich auf ein Motorrad oder auf Schauspielerin Anita Ekberg, ein Riesensofa, um Filme anzusehen.
Und kann so Fellinis Klassiker „La Strada“ oder Auszüge aus Filmen ansehen, in denen er selbst mitspielte.
Riminis Stadtplaner haben jetzt sogar eine eigene Fußgängerzone umgesetzt: Über die Ponte di Tiberio, die einzige alte Bogenbrücke, die zu dem ehemaligen Fischerviertel führt und bis heute jedem Hochwasser standhielt, dürfen nur mehr Fußgänger.
Vom Aal bis zum Branzino
Brücken haben ja etwas Magisches an sich. Für einen Blick in die typischen Kanäle rund um den Po muss man nicht unbedingt nach Venedig fahren. In der Emilia-Romagna gehören die kleinen Dörfer und Brücken denen, die sie besuchen. Ungestört von Touristenströmen genießt man fast alleine den Blick ins Wasser, wie etwa in Cesenatico.
Schiff ahoi, heißt es angesichts bunt besegelter Boote im stillgelegten Kanal vor dem Schifffahrtsmuseum. Auch in den Valli di Comacchio trifft man eher nur Einheimische. Bei einer Bootsfahrt auf den Spuren der Aalfischer kann man durchs Wasser staksende Flamingos beobachten, an den ehemaligen Casoni anlegen und sich anschließend in einem alten Fischerhaus in den Lagunen von Comacchio, im Restaurant Bettolino di Foce, mit frischem Aal stärken.
Was es sonst noch zu entdecken gibt in der Emilia-Romagna? Ravennas weltberühmte Mosaike. Von biblischen Motiven aus dem 5. und 6. Jahrhundert, etwa in der Basilika San Vitale, die wie ein prachtvoller Nachbau der Hagia Sophia wirkt.
Bis zu zeitgenössischen Mosaik-Kunstwerken von Balthus oder Memphis, die im MAR, dem Museum moderner Kunst zu sehen sind, wurden die bunten Glassteinchen zu Kunst verklebt. Doch viele Stadtführer, wie etwa der versierte Baldassarre Giardina, führen Touristen gerne auch dorthin, wo es gut schmeckt. Etwa in die dunkle Ca' de Vèn, die nicht nur optisch erfüllt, was man von einer italienischen Locanda erwartet, sondern auch kulinarisch: Neben Salamis und typischen Käsespezialitäten der Region gibt es hier natürlich auch Piadine. In allen Varianten.
Gestärkt mit einem Glas Sangiovese, heimischem Rotwein, erfährt man von Giardina noch Details, die nur Einheimische wissen. Etwa, dass das Öl des ewigen Lichts von Dante Alighieris Grab, einem kleinen Tempel im Zentrum, extra aus der Toskana importiert wird, damit er ein Stück Heimat im Grab hat. Giardina führt Besucher aber auch an Orte, wo sich Kultur und Shopping-Vergnügen verbinden lassen.
Fresken aus dem 14. Jahrhundert findet man im Geschäft bei Falconeri und bei Max Mara neben der Markthalle shoppt man in einem schönen romanischen Gewölbe. Auch der Mercato Coperto, in dem Sternekoch Marco Cavallucci kocht, ist sehenswert und lockt mit vielen Ständen typisch lokaler Delikatessen.
Will man zum Strand, steigt man in Bus oder Taxi. In Marina Romea trennt, anders als in Rimini, ein Pinienwald den Ort von den Restaurants am Strand. Hier sollte man auf jeden Fall Branzino Millefoglie bestellen. Zum Beispiel im Bagno Polka. Bis Mitternacht gibt‘s hier Dolce Vita. Bambini toben herum, eine Live-Band spielt im Hintergrund und die coole Chefin Cinzia bringt schon mal ein Glas Prosecco persönlich vorbei, setzt sich an den Tisch und erzählt, dass hier alles funktioniert – nur Massentourismus nicht.
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