Volle Pracht: Die Sagrada Família zieht Tag für Tag Tausende Besucher an

Eine wahre Gaudí: Barcelona abseits der Massen

Gelassen und ausgelassen wird in der Trend-Stadt dem Leben begegnet. Plus: Die besten Lokale und Hotels für ein Wochenende.

Überblick

Einwohner

ca. 1.636.000

Beste Reisezeit

 April bis Juni & September bis Oktober

Lage

Katalonien, im Nordosten Spaniens

von Philipp Albrechtsberger

Wer etwas von der Schönheit Barcelonas erfahren will, der darf keinen Einheimischen fragen. Die Katalanen sind ein wenig enttäuscht von ihrer Stadt. Zu viele Autos und zu viele Touristen, zu hohe Mieten und zu niedrige Löhne. Stimmt alles. 

Trotzdem zieht die zweitgrößte Stadt Spaniens massenhaft Menschen an. Und zwar nicht nur jene, die im Zehn-Minuten-Takt aus Billigfliegern steigen oder Tag für Tag von Kreuzfahrtschiffen an Land gespült werden. Natürlich, für die Generation Instagram bietet Barcelona die perfekte Kulisse: Sonne, Strand, Sonnenbrand. Und danach noch Mode, Musik und Messi. Das reicht vielen schon.

Die Schönheit dieser Stadt zeigt sich jedoch nicht zwingend am Wahrzeichen Sagrada Família, was schwer zu glauben ist, wenn man vor diesem Wunderwerk steht, das 1882 begonnen wurde und pünktlich (haha!) zum 100. Geburtstag von Architekt Antoni Gaudí 2026 fertig werden soll. Der Zauber, den Barcelona auf Millionen verströmt, findet sich abseits der touristischen Trampelpfade, auf denen glitzernder Souvenirschrott und mittelmäßige Paella angeboten werden.

3 kuriose Fakten: Wussten Sie, dass ...

... der Eiffelturm ursprünglich für Barcelona gedacht war? Ein Jahr vor der Pariser Weltausstellung 1889 reichte Ingenieur Gustave Eiffel ein ähnliches Konzept für die katalanische Metropole ein. Die Stadtbevölkerung war aber gegen die Stahlkonstruktion.

... der Hafen der Stadt der größte im mediterranen Raum ist und jährlich 3,6 Millionen Passagiere an Land gehen?

... mit fast zwei Millionen Besuchern pro Jahr das Museum des FC Barcelona das meistbesuchte der Stadt ist?

Magisch ist ein zielloser Spaziergang durch die engen Gassen von Gràcia, ein Viertel, in dem Künstler Tür an Tür mit Studenten wohnen und darunter in den  winzigen Bars Pensionisten schon vor dem Mittagessen Kaffee mit mehr Weinbrand als Milch, einen carajillo, trinken.

Kunterbunt: Das Straßenfest Festa Major de Gràcia

©APA/AFP/JOSEP LAGO

Besonders imposant ist das Viertel beim jährlichen Fest Mitte August. Bei der Festa Major de Gràcia treten die einzelnen Gassen in einen kunterbunten Wettstreit miteinander. Am Ende gewinnt jene Straßengemeinschaft, die ihre Fassaden am kunstvollsten dekoriert hat. Dazwischen wird getanzt und getrunken, Karten gespielt und philosophiert.

Gambas und Elektromusik

Es ist eine spezielle Form der Gelassenheit, die diese oft auch chaotische Zwei-Millionen-Metropole umweht. Der Ärger über den täglichen Stau auf dem Weg zur Arbeit ist spätestens dann vergessen, wenn um 21 Uhr Gambas in Knoblauchöl zum Bier serviert werden; die Mühsal des 1.000-Euro-Jobs tanzt sich der Akademiker in der Morgendämmerung  bei angesagter Elektromusik im Club aus dem Kopf. 

Auch deshalb mutierte die katalanische Metropole zum Sehnsuchtsort für Lebenskünstler und Hipster, noch lange bevor sich Berliner und Wiener Rauschebärte wachsen ließen und auf das nächste Projekt warteten. 

Barcelona bietet Hoffnung. Hat die Stadt immer schon getan, selbst nach der Wirtschaftskrise 2008, die Spanien besonders hart traf. Die Sonne schien dennoch, der Wein war auch nicht schlechter. Wirtschaftlich ging es der Region oft ein wenig besser als dem Rest Spaniens, in erster Linie besser als dem Süden, wo die Sommersonne das bisschen, das zum Leben nötig ist, gnadenlos verbrennt.

So machten sich die Andalusier, die Mehrheit von ihnen Bauern, vor Jahrzehnten in Scharen Richtung Norden auf. Die meisten sind geblieben. Mitgebracht haben sie nicht nur Arbeitskraft, sondern auch ihr Lebensgefühl. Südliches Temperament traf  – dank der Nähe zu Frankreich – westeuropäische Funktionalität. 

Dieser Mix hat Land und Leute in vielen Lebensbereichen geprägt. Die katalanische Küche, zuletzt stilbildend für die internationale Spitzengastronomie, feiert diese Traditionen – und bricht gleichzeitig mit ihnen. Den Nachfahren von einfachen Bauern eine „falsche Olive“ (ein Pulver aus Braunalge und der Saft von eingelegten Oliven verschmelzen in aufgelöstem Calciumchlorid zu einer Kugel, die im Mund platzt) vorzusetzen, muss dem kochenden Visionär Ferran Adrià eine diebische Freude entlockt haben.

Video: So kocht Ferran Adrià

Ich packe in meinen Koffer...

... einen gut verschließbaren Rucksack oder eine gut verschließbare Tasche. Barcelona ist zwar eine sichere Stadt, die Taschendiebe sind jedoch gewitzt und haben Übung.

... mehrere Schichten Kleidung. Die Sonne hat zu jeder Jahreszeit enorme Kraft, in den Geschäften, Restaurants und öffentlichen Verkehrsmitteln herrscht aber stets Eiszeit.

... Neugier. Die Stadt hat an jeder Ecke ungemein viel zu bieten. Nicht nur den Dutzenden Reiseführern vertrauen, einfach treiben lassen.

Essen kann man in Barcelona auch abseits der 250-Euro-Menüs ganz fantastisch. In den traditionellen Restaurants (Can) werden alle Speisen direkt im offenen Feuer zubereitet: Hendl, Lamm, Würste, Erdäpfel, Jungzwiebel, Weißbrot. Dazu wird Knoblauchmayonnaise (Aioli) gereicht und vorab Wermut mit Soda als Aperitif. Auf diese simple wie raue Art des Barbecues können sich Jung und Alt einigen.

Weltoffen und liberal

Wann genau Barcelona seine Coolness entdeckt hat, ist nicht genau festzumachen. Wo heute junge Künstler kleine Galerien eröffnen, feilschten vor Jahrzehnten Fabrikarbeiter mit Nutten. Die gnadenlose Militärdiktatur Francos, in der bis Mitte der 1970er-Jahre alles Katalanische unter Strafe gestellt war, weckte jenen Freiheitsgedanken, dem die Stadt ihre Weltoffenheit und ihren Liberalismus verdankt.

Womöglich pochen deshalb selbst die größten Gegner der Unabhängigkeit auf einige Errungenschaften der Autonomen Region. Katalanisch als erste Schulsprache ist unverhandelbar. Dazu muss man wissen: Katalanisch ist alles, nur kein Landesdialekt, die Sprache verhält sich zu Spanisch wie Deutsch zu Schwedisch. 

Glitzernd: Der öffentliche Meerzugang La Barceloneta

©Getty Images/iStockphoto/beyhanyazar/iStockphoto

Eine Zäsur in der Stadtentwicklung bildeten die Olympischen Spiele 1992. Barcelona hatte davor weder einen Autobahnring, der den Verkehr aus der Innenstadt leitete, noch einen öffentlichen Meerzugang. Dass sich auf der fünf Kilometer langen La Barceloneta heute vermehrt bleiche Tagestouristen im Sand räkeln und  anschließend spärlich bekleidet in den Lokalen Einheimische irritieren, ist eine andere Geschichte. Nach Jahren des Zusehens geht die Regierung nun rigoroser gegen die Auswüchse von Airbnb und Co. vor. 

Bei all ihrer Gelassenheit benötigt die Metropole derzeit vor allem eines: leistbaren Wohnraum. Weil es die Natur gut gemeint hat mit der Stadt – auf der einen Seite   glitzert das Mittelmeer  und auf der anderen locken bewaldete Hügel –, kann Barcelona nur in die Breite wachsen. Die dadurch entstandenen Pendlerstädte mit jeweils weit mehr als 200.000 Einwohnern bringen die City an ihre Grenzen.

Fantastischen Fisch gibt es an vielen Orten, etwa im "El Chigre"

©Paco Diaz Lopez

Die Touristen, egal ob auf Masse oder Klasse ausgerichtet, bekommen davon nur wenig mit. Mitunter gleicht das Durcheinander aus Rollern und Autos auf der Avinguda Diagonal einem sehenswerten Schauspiel. An Kunst mangelt es Barcelona ohnehin nicht. Miró, Dalí, die Jugendwerke Picassos – in der Stadt lässt es sich auch unter kühlem  Museumslicht bestens aushalten. 

Das wissen letztlich auch die Katalanen. Die seien im Grunde nicht anders als die Wiener, meint ein Freund des Autors dieser Zeilen. Er stammt aus Sevilla und findet, den Katalanen gehe es gut, doch sie jammern immerfort. Barcelona wie Wien? Charmant. Der FC Barcelona hätte freilich jedes Recht, gegen diesen Vergleich gerichtlich vorzugehen.
 

©Katjana Lacatena/carolineseidler.com
Barcelona-Tipps :Vier Tage, vier Routen

Donnerstag: 

1 / Park Güell
Die von Gaudí erschaffene Auftragsarbeit gleicht einer Fantasiewelt. Online reservieren.
www.parkguell.cat

2 / Can Punyetes
Traditionelles, katalanisches Essen, direkt aus dem Feuer.
www.canpunyetes.com 

3 / Viertel Gràcia
Angesagt und traditionell, bunt und verträumt. Sagrada Família liegt ums Eck.
 
4 / Mercat del Ninot
Hier lassen nicht nur Touristen bei Tapas den Abend ausklingen.
www.mercatdelninot.com

Freitag

5 / Mirablau
Das Frühstück ist nicht das allerbeste der Stadt, dafür aber der Ausblick.
www.mirablaubcn.com

6 / Sarrià
Spaziergang durch eines der ältesten und eigenständigsten Viertel der Stadt.
 
7 / Fundació Joan Miró
Mehr als 10.000 Ausstellungsobjekte würdigen Leben und Schaffen Mirós.
www.fmirobcn.org

8 / Arenas de Barcelona
In diesem Einkaufszentrum ist das Gebäude, die ehemalige Stierkampfarena, der Hingucker.
www.arenasdebarcelona.com

Samstag

9 / Mercat Santa Caterina
Noch schnell iberischen Schinken und Käse für den Heimflug besorgen.
www.mercatsantacaterina.com

10 / Museu Picasso
Ein Museum, das die jungen Jahre des Maler-Genies würdigt.
www.museupicasso.bcn.cat
 
11 / Koy Shunka
Hier gibt’s eines der besten japanischen Menüs in Europa.
www.koyshunka.com
 
12 / Bar Marlowe
Den Abend ausklingen lassen – bei  einem traditionellen Cocktail.
Carrer del Rec, 24

Sonntag

13 / La Barceloneta
Den Tag mit einem Strandspaziergang starten. Den öffentlichen Meerzugang gibt es erst seit Olympia 1992.
 
14 / Agua
Unprätentiöses Mittagessen mit herrlichem Blick aufs Meer.
www.grupotragaluz.com

15 / Rocambolesc
Ein Haubenkoch (Jordi Roca) führt einen Eissalon auf den Ramblas.
www.rocambolesc.com

16 / El Chigre
Der beste Oktopus und Sidra (Apfelschaumwein) aus Asturien.
www.elchigre1769.com

Hotel-Tipps

17 / Hotel Neri

Nobles Hotel in der verwinkelten und quirligen  Altstadt.
www.hotelneri.com/en/

 

18 / Hotel Granados 83

Modernes Hotel nahe der Einkaufsmeile Passeig de Gràcia.
www.hotelgranados83.com
 

19 / Hotel Arts Barcelona

 Wer den Blick aufs Meer beim Aufwachen braucht, schläft hier richtig. 
www.hotelartsbarcelona.com

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