Auf den Spuren von Rosamunde Pilcher abseits der Touristenmassen
Seit 30 Jahren begeistern die deutsch-österreichischen Verfilmungen von Rosamunde-Pilcher-Romanen das deutschsprachige Publikum. Wir zeigen die romantische Kulisse Cornwalls.
Überblick
Flug Wien-London Heathrow und dann 4 Std. mit dem Leihauto oder Flug Wien-Bristol und 2.45 mit dem Leihauto
Von Wien mit dem Nightjet über Amsterdam nach London und von dort rund 9 Std. bis Cornwall
Pfund Sterling
aktueller Kurs
Rosamunde Pilcher?“ Die Engländerin runzelt die Stirn, nickt dann. „Oh, doch, das sagt mir etwas.“ Der Fährmann löst das Seil und für einen Moment verlieren die Passagiere durch das ruckartige Anfahren des Boots die Balance. „Leichte Wohlfühlgeschichten, oder?“ Es ist eine ungewöhnliche Antwort für eine Engländerin; ist die Autorin unter ihren Landesgenossen allgemein wenig bekannt. Aber nicht hier, empfängt einen nach der siebenminütigen Überquerung des Tamar von Plymouth doch ein vielversprechendes Ortsschild: „Welcome to Cornwall“. Die Region, die mit ihren sandigen Stränden, schroffen Klippen und teils tropischen Pflanzen regelmäßig zur schönsten Grafschaft Großbritanniens gewählt wird, hat sich unter einem besonderen Fokus etabliert.
Schnitt! Das türkisblaue Meer glitzert in der Tiefe, während die Felsen schroff emporragen. Endlich kann Buchhändlerin Rebecca (gespielt von Sophie von Kessel) ihren Joss (Michael Lesch) in die Arme schließen. Die Kamera fährt zurück, gibt den Blick auf die Küste neben dem berühmten „Land’s End“-Schild frei, auf sattes Gras, den weiten Horizont. 1993 flimmerte erstmals das kitschige Ende von „Stürmische Begegnung“ über die TV-Geräte. Es war die erste Episode der deutschen Rosamunde-Pilcher-Filmreihe, die weiterhin produziert und von der am 5. März mit „Liebe ist die beste Therapie“ die 168. Folge ausgestrahlt wird. Grund genug, sich die Filmkulisse außerhalb der Sommersaison anzusehen.
Cornwalls Charme
Der Kies knirscht unter den Füßen als es durch eine Baumallee zu einer ansteigenden Wiese geht, die erstmals den Blick auf eine Tudor-Villa freigibt: Mount Edgcumbe House, seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der gleichnamigen Familie, ist mit seinen 350 Hektar Garten regelmäßig Drehort; etwa in „Eine besondere Liebe“, wo im Park Tee genommen wird. Er wird gern „vergessener“ Teil Cornwalls genannt, die Halbinsel Rame südlich von Plymouth. „Es ist ein bisschen wilder und rauer hier“, sagt Gastronomin Heide Jewell vom „Edgcumbe Arms“, in dem man sich nach dem Spaziergang mit Sandwich und der obligatorischen Chips-Beilage stärkt. Im Sommer sei es doch oft sehr voll, auch wegen der Reisebusse, die Pilcher-Drehorte abklappern.
Rosamunde Pilcher, geboren 1924 in Lelant zwischen St. Ives und Hayle Beach, war nach ihrer Hochzeit nach Schottland gezogen, wo sie zu schreiben begann – und die Landschaft ihrer Jugend aufleben ließ. Der Durchbruch gelang ihr 1987 im Alter von 63 Jahren und der Familiensaga „Die Muschelsucher“. Auf die englische Verfilmung mit Angela Lansbury als Penelope 1989 folgte bald die ZDF-Reihe. Die Szenerie wollten viele nicht nur am Bildschirm erfahren. Für Visit Britain ist Pilcher regelmäßig Thema; bei Ruefa ist die Pilcher-Busrundreise seit 25 Jahren eine der bestgebuchten Touren. Und so wurden 2002 Rosamunde Pilcher und der damalige ZDF-Hauptredakteursleiter Claus Beling mit dem britischen Tourismus Award ausgezeichnet.
Das typische Cornwall findet man im Süden. Pittoreske Städte wie Penzance oder St. Ives haben sich weltweit einen Namen gemacht. Doch es sind kleinere Ortschaften, die richtig bezaubern: Wer aufgrund der langen Autofahrt nach Einbruch der Dunkelheit im antiken Marazion ankommt – und das Glück hatte in Zimmer 9 des Marazion Hotels zu sein –, blickt beim Aufwachen an niedlichen, steinernen Häuschen vorbei auf transparentes Meer, aus dem sich 366 Meter entfernt eine kleine Gezeiteninsel erhebt. Auf der wiederum ein Schloss thront: St. Michael’s Mount, quasi ein Juwel der kornischen Krone, seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der St. Aubyn Familie. Der viktorianische Zubau ist aus dem gleichen Material wie die Londoner Tower Bridge. Im Inneren trifft man auf Fresken, die Jagdszenen darstellen, und den eleganten blauen Drawing Room, in dem Lord und Lady St. Levan den König empfangen würde.
Shakespeare an der Klippe
Bei Ebbe kommt ein Damm zum Vorschein, und macht die Insel zu Fuß erreichbar. Obwohl die Gezeiten an der Rezeption aushängen, müssen die Mitarbeiter des Hotels immer wieder schmunzeln, wenn Inselbewohner bei dem ein oder anderen Pint die Zeit übersehen und überstürzt aufbrechen oder Gäste die letzten Meter mit Kinderwägen oder Taschen über ihren Köpfen durchs Wasser waten. „Die Flut kommt ganz schnell“, sagt Hotelier Karen Kitshoff.
Ein paar Autominuten nach Westen trifft man nicht nur auf versteckte Buchten – bei dessen Anfahrt zur Vorsicht gemahnt werden muss, weil die engen Landstraßen mit Schlaglöchern gespickt sind – sondern das vielleicht beeindruckendste Theater der Welt, das Minack Theatre. 1930 hat Rowena Cade der lokalen Theatergruppe ihren Klippengarten für die Aufführung von Shakespeares „The Tempest“ angeboten.
Das Pub der Schmugglerkönigin
Die richtige Stelle war schnell gefunden, doch sie benötigte eine Bühne und Sitzgelegenheiten. Mit Gärtner Billy Rawlings begann sie händisch (und der ein oder anderen Ladung Dynamit), ein Theater in die Felswand zu bauen. Die Produktion kam so gut an, dass bald weitere folgten – und Rowena ihr Leben lang am Theater werkte. „Sie war wie eine Gämse“, sagt Architekt Simon Crosse in einem Video im Theatermuseum, „hager, unglaublich stark und wunderschön“. Nachdem sie tagsüber im Felsen gearbeitet hatte, würde sie abends vom 60 Höhenmeter entfernten Strand Sand für den nächsten Tag holen. In Säcken auf den Rücken geschnürt auf steilen Stiegen, die sie selbst gezimmert hatte. In den Sommermonaten wird wöchentlich eine neue Produktion geboten. Außerhalb der Saison ist die Architektur erkundenswert. Und wenn man selbst die steilen Stufen zur Bucht hinabsteigt, trifft man mit etwas Glück auf neugierige Robben, die im klaren Wasser herumdümpeln.
Die weite, großteils unbewohnte Steilküste hat vor den Touristen eine andere Gruppe angelockt: Im „First and Last Inn“, der westlichsten Schenke Englands, befindet sich im Boden eine quadratische Glasplatte, die den Ausgang eines früheren Schmugglertunnels zeigt. Die einstige Wirtin Ann Treeve, wird einem an der Bar schnell erzählt, war Schmugglerkönigin – bis sie sich auf die Seite der Königin stellte und ihre Komplizen verriet. Zur Strafe wurde sie ins Meer getrieben und im Zimmer über der Bar aufgebahrt, bevor sie in einem namenlosen Grab begraben wurde. „Prost“, sagt der Stammgast, grinst und leert sein Pint. Vor der Heimreise geht es zurück an die Ostküste. Den Hügel hinauf, dann hinab, bis man gebeten wird, zu parken, weil äußerst schmale Gassen folgen. Willkommen in der Hafenstadt Mevagissey. Mit Blick auf bunte Boote, die im Hafen wippen, wird die typische Cornish Pasty probiert. Eigentlich ein Arbeiteressen, ist die Blätterteigtasche, gefüllt mit Rindfleisch, Karotten, Lauch und Pastinaken die ideale wärmende Mahlzeit auf langer Reise. Die Augen sollte man beim Verzehr nicht vom Snack lassen. Schneller als man denkt, haben ihn sonst Möwen stibitzt. „Möwen im Wind“ lassen sich in Cornwall auch in Filmform genießen. Es ist einer von jenen Pilcher-Episoden, die auf einer Kurzgeschichte basieren. Die Roman-Vorlagen reichen für die Produktion schon lange nicht mehr. Zumindest an der Landschaft wird man sich aber nicht sattsehen.
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