Nordburgenland: Nachsaison am großen See

Burgenland kann viel mehr als Badespaß. Und lockt mit winterlichen Spaziergängen, Fahrradtouren, Safaris, Thermen-Entspannung, einzigartiger Kulinarik - und jeder Menge Kultur.

Überblick

Anreise

40 Min (ab Wien), 2,5-3 Std (ab Linz, Salzburg)

Alternative Anreise

ca.1 Std ab Wien, 3:20 Std ab Salzburg

Einwohner

ca. 297.600

Winter am Meer, das hat eine eigene Magie. Die Luft ist klar, der Blick weit, und stahlblau bis silbrig glitzern die unermüdlichen Wellen. Spazieren gehen, den Wind spüren, oder einfach den Wolken zusehen, die vorbei ziehen. Herrlich.

Ohne die Landesgrenzen zu verlassen kommt man diesem Gefühl tatsächlich im Burgenland am nächsten. Denn dort liegt es: il mare austriaco,  oder Il mare dei Viennesi – der Neusiedlersee, das Meer der Wiener. Was oft ein wenig nach Abwertung klingt, die allerdings beide Parteien nicht verdient haben. Es ist halt einfach so, dass man hier ein wenig Meer-Flair spürt, und zwar sommers wie winters.

Das fängt schon mit der Anreise an, wenn sich das Land vor einem ausbreitet wie eine Picknickdecke und dann der große See auftaucht, der sich, aus der richtigen Perspektive, wirklich bis zum Horizont streckt. Ein Leuchtturm dazu, hübsche alte Dörfer, deren Bewohner in der Nachsaison besonders entspannt mit Besuchern umzugehen wissen, guter Wein – und ja, eine eigene, quasi einzigartige Küche. Wenn da kein Urlaubsfeeling aufkommt, dann stimmt was nicht.

Der Neusiedlersee gilt auch als "Meer der Wiener" und trägt daher auch den Namen " Il mare dei Viennesi"

©Burgenland tourismus/birgit machtinger

Ja, die Küche. Sie bietet echte Spezialitäten, wie wir sie sonst nicht unbedingt gewohnt sind. Allerlei Fisch natürlich, oft aus dem See selbst, Zander oder Wels, und sehr gerne auch als würzige Halászlé serviert, also als ungarische Fischsuppe. Die Einflüsse Ungarns sind vielfältig, immerhin wurde das Burgenland erst 1921, als letztes Bundesland österreichisch.

Davor gehörte es jahrhundertelang zu Ungarn, die Fürstin Esterházy verwandelten Eisenstadt in eine wahre Kulturmetropole, bauten, als wollten sie Wien selbst Konkurrenz machen, und hielten sich mit Joseph Haydn einen der besten und berühmtesten Komponisten der Welt als Hofkapellmeister.

Berühmte Burgenländer

Franz Liszt ist gleich in der Nähe von Oberpullendorf, in Raiding, geboren und sogar Theoderich der Große, eine der schillerndsten Gestalten der Spät-Antike und als Dietrich von Bern fixer Bestandteil des mitteleuropäischen Sagen-Kanons, ist ein waschechter Burgenländer: Er wurde 454 am Neusiedlersee geboren, wahrscheinlich direkt in Neusiedl. Das damals natürlich noch nicht Neusiedl hieß, im Mittelalter wird der Ort als Sumbotheil erwähnt, was uns doch an das gar nicht so weit entfernte ungarische Szombathely erinnert, und so viel bedeutet wie  „Samstagsmarkt“.

Jedenfalls lässt es sich hier schon mal wirklich schön anfangen, wenn man ein paar Tage im Burgenland verbringen will. So an der Nordspitze des Sees, bevor man sich für das Ost- oder das Westufer entscheiden muss. Also, rein ins Stadtgasthaus am Nyikospark, egal ob zum Frühstück – hier gibt’s tatsächlich noch morgendlichen Kümmelbraten, das gibt Kraft – oder zum Mittagessen, Oktopus etwa, der auf Blunzn trifft, was sich wirklich spannend anhört. Oder jede Menge Fisch aus der Region, als Tatar, geräuchert, gegrillt, gebacken, gebraten.

Es gibt doch nichts Besseres, um sich auf so einen kleinen Urlaub einzuschwingen, als ihn von Beginn an zu genießen ...

Rund um den See

Dann geht’s entweder Richtung Eisenstadt im Westen oder Podersdorf im Osten. Dort wartet mit der St. Martin’s Therme auch die größte öffentlich zugängliche Therme des Nordburgenlands, also vielleicht lässt man gleich einmal die winterlich solide durchgekühlten Körperchen wärmen. Und erkundet dann die Region.

Zeitgeschichtlich spannend: Die Brücke von Andau, über die der große James A. Michener einen Roman geschrieben hat. Ein Ausflug zum ehemals Eisernen Vorhang, wo 1956 nach dem Volksaufstand in Ungarn Tausende versuchten, in die Freiheit zu flüchten. Etwas weiter nördlich liegt Halbturn mit dem imposanten Barock-Schloss und der hübschen Pfarrkirche, in der ein prächtiger neobarocker Hochaltar zu finden ist. Was man in dieser Gegend ebenfalls überall sieht, sind die Tschardaken, schmale ehemalige Maisspeicher, die das Bild der Region prägen. Ihr Name kommt aus dem Persischen, die Osmanen benutzten ihn für ihre rechteckigen Wehrtürme. Die Osmanen gingen, der Name blieb.

Zeitgeschichte und Populärkultur: Die Brücke von Andau war auch Thema im Kult-Film „Der Bockerer“

©Burgenland Tourismus/Vwat Salvia

In Frauenkirchen selbst sollte man sich die Basilika auf keinen Fall entgehen lassen. Sie machte die kleine Stadt schon im 14. Jahrhundert zu einem in Europa bekannten Wallfahrtsort, Fürst Paul Esterházy ließ sie von seinem Lieblingsarchitekten, Francesco Martinelli vom Comer See als glanzvolle Barockkirche neu aufbauen. Gleich in der Nähe bietet Gols sogar für Bierfreunde eine überraschende Attraktion, weil die bekannte Weinbaugemeinde auch mit einem ausgezeichneten Hopfensaft aus der dortigen Privatbrauerei glänzt.

Fahrrad-Vergnügen

Bei so viel Genuss sollte man zwischendurch auch etwas für die Figur und den Kreislauf tun. Nachdem die Zeiten ausgedehnter Eislauf-Touren auf dem See vorbei zu sein scheinen, bieten sich Ausflüge mit dem Rad an.

Provinziell? Sicher nicht! Der prächtige Innenraum der Basilika Frauenkirchen

©Burgenland Tourismus GmbH/Andreas Hafenscher

Mehr Radverleihe als hier kann man sich fast nicht vorstellen, von Podersdorf aus sind’s nur knappe 15 km nach Illmitz, und dort ist man quasi schon im Nationalpark Seewinkel. Flora und Fauna in diesem grenzübergreifenden Naturschutzgebiet sind einzigartig in Europa und seit kurzem gibt es auch echte Safaris in dieses Paradies der Tiere, stilgerecht in Land Rover Defendern, organisiert von der St. Martin’s Therme & Lodge. Wer allerdings mit dem Fahrrad in Illmitz ist, sollte sich einen Besuch beim wirklich lässigen UH33 Pop-up-Heurigen der Familie Gartner gönnen. Doch ja, die Kalorien etwaiger Sünden verbrennt man beim Zurückradeln eh wieder.

Auf der Westseite des Sees bietet sich eine Fahrt von Rust mit seiner bezaubernden Altstadt nach Mörbisch an. Lockere elf Kilometer, Aufstieg gerade mal zehn Meter, das schafft man ohne zu schwitzen in der Winterjacke. Und Mörbisch hat mehr als die sommerlichen Festspiele zu bieten. Die Hofgassen im Ort sind seit über 20 Jahren UNESCO Weltkulturerbe, neben der katholischen gibt es auch eine sehr hübsche evangelische Pfarrkirche – und man kann hier, was in unseren Breiten doch eher unüblich ist, an einem Olivenhain entlangspazieren.

Echtes Safari-Feeling: Dazu tragen neben den stilgerechten Land Rover Defendern auch die ungarischen Grau- oder Steppenrinder bei

©Kurt-michael westermann/St. Martins Therme und Lodge

Richtig gehört, seit 2019 pflanzt eine burgenländische Familie hier Oliven an. Noch mehr Mittelmeerfeeling am „mare dei Viennesi“ also. Schön!

Genuss und Entspannung am See gehören sicher zu den Hauptanziehungspunkten Burgenlands. Auch im Winter. In Eisenstadt verbinden sich diese Komponenten noch mit einem ausgiebigen Kulturprogramm. Konzerte im prachtvollen Schloss Esterházy, Ausstellungen, das Museum im Haydn-Haus, der spätgotische Dom, das Jüdische Museum und der alte Friedhof – praktisch überall gibt es was zu entdecken. Weiter im Norden dann auch das Wander Bertoni Freiluftmuseum, mit spektakulären Exponaten des österreichischen Bildhauers, wobei man auf dem Weg dorthin unbedingt die Wein Csarda im Weingut Reichardt in Donnerskirchen besuchen sollte und die Bärenhöhle in Ludlloch und die römische Palastanlage in der Region Leithaauen und – vielleicht sind ja vier Tage fürs Burgenland fast zu knapp bemessen ...

Im prachtvollen Schloss Esterhazy in Eisenstadt war sogar Kaiserin Maria Theresia zu Gast

©Andreas Tischler / picturedesk.com

Kuriose Fakten. Wusstet ihr, dass...

… die zweitlängste Brücke Europas über den Neusiedlersee hätte führen sollen? Die in den 1970ern geplante, 3.241 Meter lange Verbindung zwischen Mörbisch und Illmitz wurde allerdings nie realisiert.
... sich um den Neusiedlersee die einzigen österreichischen Salzgewässer befinden? Ja, genau, die teils riesigen „Lacken“, die manchmal verschwinden.
… der Neusiedlersee Namenspate für eine amerikanische Rockband ist? Die Erzählung, dass ein See austrocknen könnte, hat Kult-Star Howe Gelb zur Gründung seiner Band „Giant Sand“ inspiriert.

Innenhof des Haydn-Hauses in dem sich ein stimmungsvolles Museum befindet. Hier genoss der geniale Komponist wohl auch die burgenländischen Sonnenstrahlen ...

©Andreas Hafenscher
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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