Was wir aus offenen Beziehungen über Eifersucht lernen können

Sie kann verdammt weh tun: Eifersucht ist mächtig. Ist es möglich, sie zu überwinden? Menschen in offenen Beziehungskonzepten erzählen.

„Alles begann mit einem Supergau“, beschreiben Sarah (35) und Nick (37) jenen Moment, als er durch Zufall entdeckte, dass sie eine Affäre hatte. Sarah war dem „Reiz des Neuen“ erlegen. Es passierte, was viele Paare erleben. Untreue gilt als einer der häufigsten Gründe für Trennung und Scheidung.  

Doch das Paar aus Hamburg schmiss die Beziehung nicht hin, sondern begriff die Krise als Chance. Darüber schrieben sie das Buch „Splitterfaserkrass“ (Goldegg Verlag) und reden im Podcast „Beziehungsweise unverblümt“ darüber. Um Menschen zu erreichen, die „lieben, die Sex haben, die im Leben stehen und das Leben lieben. Und ahnen, dass Partnerschaft mehr sein kann als nur miteinander zu existieren.“ Sarah und Nick sind überzeugt, dass es für manche Paare besser sein kann, zu erzählen, wer mit wem etwa bei einer Dienstreise geschlafen hat, statt es zu verschweigen. Dass die Liebe größer werden kann, wenn Menschen den Mut haben, jedes Geheimnis zu teilen. Sie hinterfragen also das „Monopol der Monogamie“ und experimentieren mit alternativen Beziehungsformen, von der offenen Beziehung bis zur Polyamorie.

Ähnlich geht es Anna und Max, die seit 16 Jahren zusammen sind, seit acht Jahren in einer offenen Beziehung leben, die mittlerweile eine offene Ehe ist. Auch sie reden in einem Podcast tabulos über ihre Affären: „Max und Anna Zimt – Geschichten über eine offene Beziehung“. All das klingt nach aufregenden Gegenentwürfen zur Monogamie im Spannungsfeld von Nähe und Freiheit. Aber was ist mit der Eifersucht? Wie geht man in solchen Beziehungskonzepten damit um? Und was können monogam Liebende daraus lernen?

"Gefühle als Kompass für die Seele"

Auch wenn „Mit-Freude“ als essenzielles Element in alternativen Beziehungen gilt, ist Eifersucht auch bei nicht-monogamen Menschen immer wieder ein Thema, wie ein Beispiel von Anna und Max zeigt: „Das letzte Mal eifersüchtig war ich, als er mir auf eine kleine Liebes-SMS nicht geantwortet hat, weil Max bei der Arbeit zu beschäftigt war. Und ich dachte, dass er seiner Affäre, der Yogalehrerin, bestimmt geantwortet hätte." Eine Petitesse, in Anbetracht dessen, dass es sie nie eifersüchtig macht, wenn Max mit der Yogalehrerin regelmäßig schläft. Und das seit Monaten. Aber warum jetzt? Anna tat, was für Menschen in nicht-monogamen Beziehungen besonders wichtig ist - sie horchte in sich hinein: „Weil ich immer versuche, meine Gefühle als Kompass für meine Seele zu sehen. So auch vermeintlich negative, wie Eifersucht. Denn ja, ich hasse es, wenn sie sich wie ein Gift von meinem Herz aus, den Weg bis in die letzte Zelle meines Körpers bahnt, ich Angst und Wut und meine innere Grenze spüre. Genau da lohnt es sich hinzusehen und sich zu fragen: Wovor habe ich gerade Angst? Warum? Und was kann ich jetzt machen?“

Diese Ehrlichkeit im Umgang mit Emotionen ist ein zentraler Punkt. Sie werden nicht verdrängt, sondern ernst genommen. Denn auch Sarah, die wie Anna nicht zu Eifersucht tendiert, spürte in Bezug auf eine von Nicks romantischen Beziehungen schon mal ein „Grummeln in der Magengegend“. Worüber sie allerdings nie redete und damit ihre Grenzen ignorierte. Ein Fehler, den sie erst im Rückblick erkennen konnte: „Wir versprachen uns, so etwas nicht mehr zuzulassen“, erzählt sie im Buch.

Sarah und Nick leben in einer offenen Beziehung und polyamor

©Privat

Im Gespräch mit freizeit.at betont Sarah erneut, wie wichtig es ist, bereit dafür zu sein, sich mit dem Thema Eifersucht eingehend zu beschäftigen. Um ihre Wurzeln zu ergründen und Verantwortung dafür zu übernehmen, statt alles dem Partner umzuhängen. „In jenem Sinn, als ich schaue, was mich bewegt und nicht sage, das ist einfach so“, sagt sie. Dafür sei manchmal professionelle Hilfe nötig, vor allem dann, wenn eine Person immer wieder grundlos eifersüchtig ist.

Anna Zimt fand schließlich in Bezug auf die „Causa Yogalehrerin“ heraus, worum es ihr tatsächlich gegangen ist: „Ich lief daher nicht zu meinem Mann und sagte, dass er sie nicht mehr sehen darf, sondern redete mit ihm offen über meine Gefühle. Danach verabredete ich mich für den Abend mit Max zum nackt im Bett liegen, Schokolade essen, plaudern, kuscheln und Nähe auftanken.“ Das war, was sie eigentlich gebraucht hatte - Zeit mit ihrem Mann, die gerade sehr fehlte. „So wurden aus einem Moment der Eifersucht kein Streit und Drama, sondern die schönsten Stunden seit Langem“, resümiert sie.

Sarah und Nick sind davon überzeugt, dass es bei Eifersucht um Angst geht – Angst, den wichtigsten Menschen zu verlieren. Basis für eine nicht-monogame Beziehungskonzept ohne Eifersuchtsgefühle, ist außerdem ein guter Selbstwert. „Im Sinne von Selbstakzeptanz, Selbstliebe, sozialer Kompetenz, Selbstbewusstsein. Wer da nicht gefestigt ist, sollte herausfinden, welche Säule fehlt oder geschwächt ist“, rät Sarah. Meist hat das etwas mit der eigenen Biografie zu tun, aus der manches in die Gegenwart nachwirken kann. „Sich das anzusehen und daran zu arbeiten, ist wesentlich“, meint Nick. Deshalb ist es wichtig, Grenzen zu erkennen und ziehen zu können. Dazu Sarah: „Ich bin in einer Beratung tätig, für Menschen, die ihre Beziehung öffnen. Da komme ich immer wieder an den Punkt, wo ich merke, da sorgt jemand nicht mehr gut für sich und lässt sich verletzen. Es ist dann nötig zu sagen, ich bin noch nicht so weit und ich weiß auch nicht, ob ich je an diesen Punkt kommen werde.“

Auch wenn Sarah und Nick ihre Liebe offen leben, vertreten sie nicht den Standpunkt, das sei das Nonplusultra: „Trotzdem viele Beziehungen am Fremdgehen scheitern, ist die Monogamie nicht tot. Wir wollen nicht missionieren, es gibt Menschen, für die ist eine offene Beziehung oder Polyamorie einfach nix. Wir sind alle gleich, jeder hat seine eigene Geschichte.“

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

Kommentare