Warum Teenager heute lieber Single sind als früher

Deutsche Forscher verglichen die Lebenszufriedenheit in verschiedenen Altersgruppen und Zeiträumen. Heranwachsende haben demnach weniger Probleme damit, alleine zu leben.

Jugendliche ohne feste Beziehung sind mit ihrer Lebensweise zufrieden. Jedenfalls zufriedener, als es gleichaltrige Singles noch vor zehn Jahren waren. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die an der Universität Mainz durchgeführt und im Fachmagazin Personality and Social Psychology Bulletin veröffentlicht wurde.

"Die Jugendlichen haben heute insgesamt einen geringeren Wunsch nach einer Beziehung. Vielleicht ist dies eine Erklärung für die größere Zufriedenheit mit dem Singleleben", sagt die Psychologin und Studienautorin Tita Gonzalez Avilés. Dass immer mehr Menschen als Single - also ohne eine fixe Partnerschaft - leben, ist schon länger bekannt. "Allerdings wusste man bisher nicht, ob mir dieser Entwicklung auch eine größere Zufriedenheit einhergeht", erklärt die Wissenschafterin. 

Single-Dasein ist heute nicht mehr ungewöhnlich

Bekannt ist auch, dass die Zahl der Eheschließungen weltweit zurückgeht, während Scheidungsraten und Einpersonenhaushalte zunehmen. "Gerade in den westlichen Industrieländern ist das Single-Dasein heute nicht mehr ungewöhnlich und wird auch sozial mehr akzeptiert als früher", beobachtet Gonzalez Avilés. 

Für ihre Forschung hat sie Erhebungen einer repräsentativen Längsschnittstudie ausgewertet, die Daten zu Liebesbeziehungen und Familiendynamiken in Deutschland seit 2008 ermittelt. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden die Angaben von 2.936 Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedener Geburtsjahrgänge analysiert. Die Angaben stammen aus zwei verschiedenen Zeiträumen, 2008 bis 2011 und 2018 bis 2021. Dadurch kann zwischen früher und später geborenen Singles unterschieden werden.

Ursachen für größere Zufriedenheit vermutlich vielfältig

Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass heute lediglich die 14- bis 20-Jährigen zufriedener mit ihrem Single-Dasein sind - im Vergleich zu Jugendlichen, die zehn Jahre früher geboren wurden. Unter den jungen Erwachsenen im Alter von 24 bis 30 Jahren und den Erwachsenen im Alter von 34 bis 40 Jahren war im Jahresverlauf keine größere Zufriedenheit zu beobachten. 

Auch der Unterschied bei den Jugendlichen zwischen heute und damals ist nicht riesig, räumt die Psychologin ein. "Dennoch hebt er sich von der Entwicklung bei den Erwachsenen ab." Als möglichen Grund vermuten Gonzalez Avilés und ihre Co-Autoren, dass vor allem unter jungen Menschen das Singleleben zunehmend akzeptiert wird, sie für mehr Diversität in Beziehungsformen offen sind und eine andere Einstellung zu romantischen Normen haben. "Wir vermuten, dass die jungen Leute heute den Beginn einer festen Beziehung aufschieben und persönliche Autonomie sowie ihre individuelle Entfaltung über die Liebesbeziehung stellen. Aber dazu bedarf es weiterer Untersuchungen", betont die Psychologin.

Der Traum von Kind, auch ohne Zweierbeziehung

Die Soziologin Christine Geserick, Mitarbeiterin am Österreichischen Institut für Familienforschung, ist von den Ergebnissen wenig überrascht. "Diese Daten gehen einher mit verschiedenen Entwicklungen in der Single-Forschung", sagt die Expertin für Beziehungsformen und junge Erwachsene. "Zum Beispiel sehen wir in den Daten für Österreich, dass der Anteil der Singles in der Gesamtgesellschaft und unter jungen Erwachsenen in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Auch eine weitere Studie aus Deutschland hat Längsschnittdaten dazu veröffentlicht, dass Jugendliche im Jahr 2021 nicht nur häufiger Single waren als in den Jahrzehnten davor, sondern das Lebensmodell 'Single' auch häufiger anstreben."

Über die Gründe kann auch Geserick nur mutmaßen. Dass heutige Teenager häufiger mit getrennten Eltern aufwachsen als die Generationen vor ihnen, könnte eine Rolle spielen - in die eine oder die andere Richtung. "Vielleicht haben sie den Lebensalltag ihrer Single-Eltern als akzeptables Modell erlebt. Oder es gibt umgekehrt einige, die den 'Beziehungsstress' ihrer Eltern als negativ abgespeichert haben und ihm entgehen wollen, zumindest kurzfristig."

Christine Geserick forscht zu Beziehungsmodellen

©Christine Geserick

Gleichzeitig werden alternative Lebenskonzepte akzeptierter und moderner. "Aktuell vermehrt im Gespräch sind zum Beispiel die Modelle des Co-Parenting und der Verantwortungsgemeinschaft - beides Lebensformen, die gemeinsame Kinder oder eine Absicherung im Alter ermöglichen, aber nicht auf einer romantischen Liebesbeziehung basieren."

Auf jeden Fall sei zu berücksichtigen, dass die Zufriedenheit mit dem Single-Status - wie ja die Mainzer Studie zeigt - typisch für die Jugendphase ist. "Das ist eine Momentaufnahme, die sich entlang der eigenen Biografie immer wieder ändern kann", sagt Geserick. "Die meisten Jugendlichen streben nach wie vor ein partnerschaftliches Lebensmodell an. Zwar gehen konkret die Heiratsabsichten etwas zurück, aber der Wunsch, den eigenen Lebensweg in Zweisamkeit zu gehen, ist nach wie vor dominant."

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