Das kanadische Topmodel Linda Evangelista, 58, will „nicht einmal mehr jemanden atmen hören“

Die neuen Super-Singles: "Frauen kommen besser mit dem Alleinsein zurecht"

Prominente Frauen wie Linda Evangelista entscheiden sich bewusst gegen eine herkömmliche Partnerschaft. Warum sie damit Tabus brechen.

Sie war verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und galt seit den Achtzigerjahren als eine der begehrtesten Frauen der Welt. Dass Supermodel Linda Evangelista den Männern vergangenes Jahr offiziell abgeschworen hat, kam für viele überraschend. Sie wollte „nicht einmal mehr jemanden atmen hören“, sagte die 58-Jährige in einem Interview mit der Sunday Times, geschweige denn jemals wieder mit einem Partner zusammenleben. Bitterkeit oder Wehmut schwangen bei ihrem medialen Bekenntnis nicht mit – es ist eine bewusste Entscheidung, die Evangelista getroffen hat. Die bewusste Entscheidung, unverpartnert zu bleiben.

Wider die Erwartung

„Consciously Single“, also „bewusst Single“, heißt das Konzept, das heuer viel prominente Unterstützung erfahren hat. Nicht nur Evangelista, auch Fitnessikone Jane Fonda (86) oder „Ted Lasso“-Star Hannah Waddingham (49) ließen die Öffentlichkeit 2023 wissen, dass sie vorerst keine konventionelle Liebesbeziehung mehr in Betracht ziehen. Und dann äußerte sich eine, deren Image jahrzehntelang darin bestand, ein Männertraum zu sein: Schauspielerin Pamela Anderson (55) braucht nach eigenen Angaben keine Beziehung mehr, um glücklich zu sein. Ihr neues Leben in Kanada sei trotz Single-Status romantischer denn je, schilderte sie im People-Magazin: „Ich zünde mir Kerzen an, lege Musik auf, setze mich ans Piano.“

Fünf geschiedene Ehen sind genug für Pamela Anderson

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Die Kulturwissenschafterin Sarah Diehl beobachtet den Trend schon seit Längerem. In ihrem Buch „Die Freiheit, allein zu sein“ appelliert sie, Alleinsein nicht mehr als Krankheit oder Versagen zu betrachten – sondern als selbstbestimmte Lebensform frei von gesellschaftlichen Erwartungen. Denn die würden immer noch auf vielen Frauen lasten, sagt die 45-Jährige.

„Der Wert von Frauen hängt stark davon ab, dass sie begehrenswert sind für einen Mann und sich um die Bedürfnisse anderer Menschen kümmern. Viele Frauen, die älter werden, stellen fest: Ich will mein Selbstwertgefühl nicht mehr davon abhängig machen, für andere da zu sein.“ Studien würden belegen, dass Frauen im Alter nicht mehr mit neuen Partnern zusammenziehen wollen. „Sie wollen nicht mehr in die Falle tappen, dass sie den Haushalt für den Mann schupfen müssen“, erklärt Diehl. Auch seien es die Frauen, die eher Scheidungen nach der Silberhochzeit – „Grey Divorces“ – initiieren.

Jane Fonda hat sich erst als Single vollständig gefühlt

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Sofern sie es sich leisten können, alleine zu leben. Denn die drohende Altersarmut sei für viele Frauen nach wie vor ein Grund, in einer lieblosen Ehe zu verharren, gibt Diehl zu bedenken. „Das System baut darauf auf, dass Frauen gratis Fürsorgearbeit leisten, wodurch sie im Schnitt immer noch weniger verdienen als die Männer.“

Fakten

Consciously Single
nennt sich das Konzept, bewusst unverpartnert  zu bleiben. Der Name ist angelehnt an die Trennungsmethode „Consciously 
Uncoupling“

Ca. 2 Millionen Singles
leben laut einer Umfrage der Datingplattform Parship in Österreich. Vor allem Frauen finden demnach, dass das Single-Dasein  Vorzüge hat

Vorteile
Frauen schätzen am Alleinsein vor allem, sich für nichts rechtfertigen zu müssen, frei über ihr Geld zu verfügen, selbst zu entscheiden, was sie kochen und essen wollen sowie ungestört zu schlafen

Nachteile
Weibliche Singles sehnen sich laut Umfrage eher nach  Geborgenheit und danach, finanzielle Belastungen nicht allein stemmen zu müssen. Männer vermissen vor allem die körperliche Nähe

Männer leiden eher

Mit sich alleine sein können sei eine Fähigkeit, die Frauen eher liegt, erklärt die Psychologin Caroline Erb, die für die Partnerbörse Parship tätig ist. „Wir wissen aus Studien, dass Frauen grundsätzlich besser mit dem Alleinsein zurechtkommen. Oft sind sie sozial gut eingebunden und pflegen ihre familiären und freundschaftlichen Beziehungen.“

Alleinsein werde oft mit krank machender Isolation verwechselt, sagt Diehl. Wie sich diese verhindern lässt? „Aktiv sein!“, rät die Expertin. „Im Alleinsein lernt man ein Selbstwertgefühl, das einem erlaubt, auf andere zuzugehen. Es ist heilsam, wenn man erkennt, dass man mit sich selbst komplett ist – unabhängig davon, wie die Gesellschaft das vorsieht. Wenn man auf seine Bedürfnisse achtet, profitieren letztlich alle davon.“ Sie bestätigt, dass Männer mit Einsamkeit eher Probleme hätten. „Ihnen wurde abtrainiert, sich um ihr soziales Umfeld und ihre Gesundheit zu kümmern. Es sind die Männer, die eher unter Einsamkeit leiden – aber den Frauen wird mehr Angst davor gemacht.“

„Brauche nur meine Girls and Gays“: Hannah Waddingham

©APA/AFP/MICHAEL TRAN

Weil sie eher dem Stereotyp widersprechen, werden Singles wie Evangelista und Anderson medial auch stärker thematisiert als ihre männlichen Solo-Pendants. Zeit, diese Muster abzubrechen, findet Diehl. Schöne, berühmte Frauen, die zu ihrem Single-Alltag stehen, helfen, das Wort „alleine“ von seinem Negativ-Image zu lösen. Die Wandlung von „Sexsymbol“ Pamela Anderson – die neuerdings auch auf Make-up verzichtet – sei besonders bemerkenswert: „Ich denke, dass sie endlich realisiert hat, wie schlecht es für sie war, ihren Selbstwert von Männern abhängig zu machen. Was für eine Befreiung!“

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