Ich komme? Die häufigsten Gründe für Fake-Orgasmen

Frauen tun es oft, Männer tun es manchmal: den Höhepunkt vortäuschen. Warum das so ist und welche Konsequenzen das haben kann.

Erst Koitus, dann sexueller Höhepunkt: Die Idee des „erfolgreichen Geschlechtsakts“ ist eng mit dieser Vorstellung und Zielvorgabe verknüpft. Ein unerschütterliches Bild - funktioniert aber nicht immer. Und so faken Frauen gerne die ultimative Ekstase, während Männer sich als Versager empfinden, wenn es bei ihr nicht immer klappt. Wohl deshalb sind sie lieber leichtgläubig und geben sich der Illusion hin, die Frau rundum glücklich gemacht zu haben: "War's gut, Darling?" Auch Männer täuschen Orgasmen vor – viel seltener zwar, aber immerhin. Dafür greifen sie tief in die Trickkiste, wie vor Jahren eine Umfrage für eine Doktorarbeit zeigte. Manche Herren bäumen sich demonstrativ auf, stöhnen und sacken dann in sich zusammen, um das "Ich habe fertig" zu signalisieren, wenngleich das natürlich viel schwieriger ist als bei Frauen. Das Verhalten ist auch viel seltener. Eine Studie, die 2019 in den „Archives of Sexual Behavior“ veröffentlicht wurde, zeigte, dass 60 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer „faken“. Aber warum tun sie das? Nun: Es ist kompliziert – mindestens so kompliziert und komplex wie das orgiastische Geschehen selbst.

Einer der wichtigsten Gründe, warum Menschen lieber schwindeln und „Lust spielen“, ist eine Kombination aus Scham, Schmeichelei und Rücksichtnahme. Viele Frauen würden gerne mit ihrem Partner darüber sprechen, dass sie nicht immer kommen können, trauen sich aber nicht. Vielmehr wollen sie ihren Partner nicht kränken oder enttäuschen. Ein Orgasmus wird von vielen Menschen als Leistung empfunden. Wer den Höhepunkt vorspielt, schmeichelt dem Partner und weist ihn als „erfolgreich“ aus. Aber auch man selbst hatte "Erfolg". Alle scheinen glücklich, Motto: „Ich bin toll, du bist toll, wir sind toll.“ Dazu gesellt sich ein gewisser Performance-Druck, was auch mit dem unterschiedlichen Tempo der Liebenden zu tun haben könnte.

Wenn er schneller kommt als sie (was häufig ist), dann fühlt sie sich gedrängt, auch bald „fertig“ zu werden. So entsteht der Eindruck von Synchronizität, auch weil in vielen Köpfen immer noch das fälschliche Bild des „gemeinsamen Kommens“ herumschwirrt. Viele Frauen trauen sich erst gar nicht anzusprechen, dass ihnen etwas fehlt – eine gewisse Berührung, eine bestimmte Bewegung. Viele Männer wissen wiederum nicht, wie wichtig die Stimulation der Klitoris ist, geschweige denn, wo sie sich genau befindet. Statt innezuhalten, um darüber zu sprechen, tun Frauen dann einfach weiter und „als ob“, um den Eindruck zu erwecken, gut zu funktionieren und eine "richtige Frau" zu sein. So wie die Darstellerinnen in Pornos, zum Beispiel. Ein weiterer Grund: Man will, dass der Geschlechtsverkehr endlich aufhört, weil die Lust vorbei ist oder alles schon viel zu lange dauert. Und das am besten mit Happy End. Und auch Männer tun dann so, als ob – um nicht zu enttäuschen.

Das Problem: Je öfter das Schauspiel stattfindet, desto größer wird die Illusion auf der einen Seite („Eh alles super“), auf der anderen Seite entsteht Resignation („an mir ist was falsch, das wird nix mehr“). Ein irreführendes Signal. Das Vortäuschen wird zur Gewohnheit und Routine. Gar keine gute Idee: Denn so kann sich kein Raum für Veränderung und Weiterentwicklung öffnen – die Lust stagniert auf niedrigem Niveau und in einem Teufelskreis aus falschen Bildern und Lügen. Männer bekommen auf diese Weise eine irrige Vorstellung - von sich, von der Lust, vom Liebesakt. Das zeigt, wie wichtig es ist, ehrlich zu sein. Auch beim Sex. Um miteinander zu sprechen – Bedürfnisse zu artikulieren, nachzufragen, zu hinterfragen. Auch das Konzept des Orgasmus als Punkt auf der "To-do-Liste" - guter Sex braucht nicht immer diese Zielvorgabe, er kann auch so wunderschön sein. Darüber zu reden, lohnt sich. Und nur so kann sich ein neuer Raum öffnen - für neue und vor allem authentische Erfahrungen. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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