Wunder Vagina: Es lebt - die Geheimnisse des weiblichen Ökosystems

Warum die Entwicklung eines „Vagina-Chips“ bedeutend sein könnte. Und weshalb Frauen auf ihre Scheidenflora gut aufpassen sollten.

Als Empfängerin diverser Medizin-Newsletter bekam ich unlängst ein Mail, in dessen Betreff zwei Begriffe standen: Vagina. Und: Chip. Flüchtig wie ich in diesem Moment unterwegs war, war mir nicht bewusst, dass es sich dabei um eine seriöse Information handelte. Daher hatte ich schnell ein komisches Bild im Kopf, später googelte ich nach Vagina-Kartoffelchips. Interessant ist, dass ich tatsächlich fündig wurde, eine litauische Firma brachte im vergangenen Herbst die weltweit ersten Chips mit dem Geschmack „Pus*sy“ auf den Markt, als limitierte Ausgabe. Auf Amazon unter „Geburtstagsgeschenke für Männer“ zu finden. Seltsam.

Entsprechend erleichtert war ich, als ich das Vagina-Chip-Mail näher betrachten konnte und begriff, dass es sich dabei um etwas Spannendes und Wichtiges handelt. An der Uni Harvard haben Wissenschaftler eine „Vagina-on-a-Chip“ erschaffen. Ein zirka 2,5 cm langes Gefäß aus Plastik mit dem Vaginalgewebe einer Spenderin, alles in einem östrogenisierten Umfeld, das den Vaginalschleim simulieren soll. Ein Organ-Chip also, mit dem es möglich ist, menschliche Körperfunktionen nachzuahmen und der dazu dient, diverse Substanzen auszuprobieren, um zu schauen, wie der Chip darauf reagiert. Laut Berichten gibt es bereits Modelle mit Lungen- oder Darmgewebe.

Unsexy, aber bedeutend

Nicht schlecht für uns Frauen, weil damit auch neue Medikamente entwickelt werden können, die zum Beispiel gegen lästige bakterielle Vaginose helfen. Womit wir beim Thema „Vaginalgesundheit“ wären – sehr wichtig! Auf den ersten Blick etwas unsexy, aber im Sinne von gutem Sex von großer Bedeutung. Sex also, der nicht wehtut, nicht juckt, nicht brennt, sondern einfach nur Spaß macht. Wovon wir reden: die gesunde Scheidenflora, fachlich ebenfalls eher sperrig,„vaginales Mikrobiom“ genannt. Eine eigene, sehr vielfältige Welt aus Mikroben, nicht ganz so artenreich wie das Darmmikrobiom, aber immerhin. Ungefähr 250 verschiedene Bakterienarten wurden bereits identifiziert, sie alle besiedeln die Vagina. Und nein, das ist nicht „wäh“, sondern super. All die Mitbewohner in diesem Ökosystem, wie etwa Laktobazillen, fördern die Scheidengesundheit, im Sinne des Gleichgewichts. Sie sorgen für ein saures Milieu, das vor Infektionen schützt und schlechte Bakterien ins Out kickt. Gerät das vaginale Mikrobiom in Schieflage, droht Ungemach. Und wer schon mal eine hartnäckige Blasenentzündung hatte, weiß, was ich meine. Schluss mit lustig – auch beim Sex.

Jede Frau sollte sich daher bewusst sein, wie wichtig es ist, für eine ausgewogene Artenvielfalt im Schritt zu sorgen. Die Zusammensetzung der Scheidenflora ist individuell, abhängig zum Beispiel von der aktuellen Hormonlage. Alles anders vor oder nach der Regel, aber auch im Wechsel oder zum Beispiel in der Schwangerschaft. Äußere Einflüsse wirken erheblich. Es ist also nicht egal, was wir essen, welche Medikamente wir nehmen und wie wir leben und lieben. Antibiotika irritieren das Scheidenmilieu, das ist bekannt. Und ja, da sind wir erneut beim angesagten Thema der Selbstfürsorge und der Selbstliebe. Denn auch Stress kann Irritationen und Infektionen begünstigen, ebenso wie Rauchen oder eben Sex. Regelmäßiger Verkehr sorgt zwar für ein ausgewogenes vaginales Mikrobiom, aber nur wenn beide Partner gesund sind. Übertriebene Intimhygiene schadet ebenfalls – dauerndes beduften, waschen oder duschen braucht’s nicht. Und schon gar nicht müssen wir unsere Vagina dampfreinigen, wie es uns schon via Social Media empfohlen wurde. Gekärchert wird nur der Terrassenboden.

Buchtipp

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Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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