Das Stöhnen der anderen: Wenn die Nachbarn lautstark Sex haben

In der Reihe "Coole Tipps für heiße Nächte" heißt es meist: Lüften Sie nachts! Wenn das jeder macht, kann es zu einem spannenden Soundmix kommen – samt Sexgeräuschen von Nachbarn. Was tun?

Es ist Sommer, nachts stehen viele Fenster offen. Rein kognitiv betrachtet ein interessanter Umstand. Weil man allerlei wahrnimmt – das Bellen der Hunde, das Scharren der Katzen, nächtliches Staubsaugen, die Schlafapnoe des Herrn Nachbarn und – davor – seinen Sex.

Ob mit sich selbst oder der Frau Nachbarin – man weiß es nicht genau. Nur eines steht fest: Wenn’s tropisch ist, bleibt nichts verborgen.

Irgendwann, meist Ende August, wissen wir, dass Frau X beim Vögeln mehr grunzt als stöhnt, während Herr X eher dem Schweigen zugetan ist. Allerdings nur bis zu jenem Moment, in dem er kommt und lauthals schreit: "Ja!".

In solchen Momenten macht sich Unsicherheit breit: Darf man das hören? Soll man es? Fenster zu? Fenster auf? Ohropax ja oder nein? Allenfalls Kopfhörer, um der Playlist "Tibetische Mantren" zu lauschen – oder diesem Wissenschaftspodcast zum Thema "Gravitationswirkung von Massen".

Zumal mitunter der Eindruck entsteht, die Gunst des Sommermoments würde von manchen Menschen bewusst genutzt, um sich akustisch zu exhibitionieren: Wir gehören gehört!

Irgendwann, meist Ende August, wissen wir, dass Frau X beim Vögeln mehr grunzt als stöhnt, während Herr X eher dem Schweigen zugetan ist. Allerdings nur bis zu jenem Moment, in dem er kommt und lauthals schreit: "Ja!".  

Exzessives ächzen und seufzen

Nicht nur: So erzählte mir ein guter Freund von jenem Paar gegenüber, das mindestens zweimal pro Tag am Wochenende schnackselte, anschließend nackt durch die Wohnung lief, aber keine Vorhänge besaß.

"Die müssen gewusst haben, dass sie jeder beobachten kann", sagte er. Vielleicht war genau das gewünscht – als Reiz. Sich davon belästigt zu fühlen, ist legitim. Andererseits könnten das Zuseher beziehungsweise Zuhörer für sich gewinnbringend nützen. Wie? Indem sie sich davon inspirieren lassen. Anderen Menschen beim Sex zuzuhören (oder eben zuzuschauen) kann animierend wirken, dafür wurde einst der Porno erfunden.

Wie stimulierend das Stöhnen wirkt, wissen vor allem Frauen: Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Damen beim Sex bewusst exzessiv ächzen und seufzen, um ihre Partner anzutörnen. Musik in seinen Ohren. In ihren ebenso. Wer sich auf die erotischen Schwingungen einlässt, kann sich stimmlich in eine Art Trance vibrieren. Vor allem in Verbindung mit tiefem Ein- und Ausatmen wird alles zu Schwingung, die Stimmbänder, der Beckenboden, der Bauch, das Hirn.

Das kann auch bei etwaigen Zuhörerinnen und Zuhörern Lust auslösen – das Stöhnen der anderen, die eigenen Bilder dazu im Kopf. Auf einmal macht’s Boom! – und schon mischt man selbst in diesem speziellen Sommernachtskonzert mit. Es verwundert daher nicht, dass so genannte "Hör-Pornos" mittlerweile florieren.

Spezielle Podcasts mit Sex-Szenen samt klassischen Geräuschkulissen – von Knutschen, Lecken, Stöhnen, Seufzen, Ächzen bis zum Flüstern und Hauchen. Auch hier spielen Frauen eine zentrale Rolle, weil sie – in Verbindung mit dem Sound – die Freiheit haben, ihre eigenen sexuellen Fantasien zu entwerfen. Anders als Männer, die die direkte Stimulation bevorzugen, vor allem durch das Sehen expliziter Bilder.

– Zurück zur Sommernacht: Selbstverständlich können die Sexgeräusche der Nachbarn nerven und unangenehm werden. Speziell wenn sie sich stupide wiederholen. Jede Nacht das gleiche Theater – aneinander klatschendes Fleisch, irgendwann ist man sich nicht mehr sicher, ob da ein Mensch oder eine alte Kastentüre ächzt. Was tun? Erster Impuls: mit den Kunstturnern darüber reden. Leider ist es nicht einfach den beiden mit den herzigen Gartenzwergen auf dem Balkon, ans Herz zu legen, einen Hauch leiser zu sein, wenn sie geil sind. Einziger Trost: Der nächste Herbst kommt bestimmt.

Tipp

Wer sich als sinnerfüllter Mensch erfahren möchte, sollte das Leben in all seinen sinnlichen Facetten spüren können. Wie wichtig Momente des Genießens für Resilienz und Zufriedenheit sind, und was dabei im Gehirn passiert, erzählt Sabine Schmid, Medizinerin und Psycho-therapeutin, im Vortrag  "Das Leben mit allen Sinnen spüren und sinn(e)voll erfahren".

Am 14. 9.,  19 h, im Viktor Frankl-Zentrum, Info: franklzentrum.org

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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