Zwei Personen, eine mit einem Kreuzohrring, sind sich sehr nah.

Affären am Arbeitsplatz: Wenn der Arzt plötzlich den OP verlässt

Wo Menschen zusammenarbeiten, funkt es. Der Skandal um einen britischen Arzt zeigt, wie schmal dieser Grat ist.

Stellen Sie sich folgende Szene vor: Ein Patient liegt auf dem OP-Tisch, narkotisiert, beatmet, voller Vertrauen in das Team. Metall klirrt, Tupfer werden gereicht – der Monitor piepst. Ein Blick auf den Anästhesisten – doch dessen Platz ist leer. „Wo steckt er denn?“, fragt der Chirurg, ein Assistent murmelt in seine Maske: „Er musste aufs Klo.“ Wenig später stellte sich dann das heraus: Der gute Mann steckte in einer Kollegin: Er hatte den OP-Saal verlassen, um eine spontane horizontale Weiterbildung mit einer Krankenschwester zu absolvieren. Acht Minuten dauerte die leidenschaftliche Fortbildung, dann war er zurück, als wäre nix gewesen. Der Patient hat’s verschlafen, doch das Vertrauen in die Zunft der Mediziner bekam einen Dämpfer.

In Schweden schlug eine Lokalpolitikerin ernsthaft vor, Bürgerinnen und Bürgern eine bezahlte Sexstunde pro Woche während der Arbeitszeit einzuräumen – zur Förderung der Geburtenrate und Lebensqualität

Doktorspiele 3.0, quasi – so absurd, so real, wie man unlängst im britischen „Guardian“ nachlesen durfte. Die seltsame Story wirft ein grelles Licht auf ein altes Phänomen: Sex am Arbeitsplatz. Wo Menschen eng zusammenarbeiten – übermüdet, manchmal überreizt, immer nah aneinander dran – da knistert es häufig. In der Bordküche hoch über dem Atlantik. Im Lehrerzimmer unter Lehrkörpern. Im Büro, wenn Kollegin und Kollege ganz dringend dieses „schwierige“ Projekt nachbesprechen müssen. Und ja: Das Klischee lebt – ebenso wie diverse Paarungsfantasien zum Thema: Arzt und Schwester, Pilot und Stewardess, Chef und Assistentin. Ein Cocktail aus Uniformen, Autorität und Gelegenheiten, auch noch nach #MeToo. Serien wie Grey’s Anatomy oder Suits leben von dieser Mischung aus Professionalität, Hormon-High und Fatalismus. 

Firmenklo, Firmenauto, Kopierraum

Beispiele gefällig? Eine deutsche Firma musste einen Konferenzraum renovieren, nachdem sich zwei Angestellte dort so intensiv miteinander beschäftigt hatten, dass die Sprinkleranlage reagierte. In Schweden schlug eine Lokalpolitikerin ernsthaft vor, Bürgerinnen und Bürgern eine bezahlte Sexstunde pro Woche während der Arbeitszeit einzuräumen – zur Förderung der Geburtenrate und Lebensqualität. Absurd? Nicht wirklich. In Umfragen gestehen rund ein Drittel der Befragten, schon einmal eine Affäre am Arbeitsplatz gehabt zu haben. Beliebte Orte: Firmenklo, Firmenauto, Kopierkammerl. Da hat jeder so seine Vorlieben, Hauptsache: Es geht was. Weil: Menschen sind eben Menschen, ob im grauen Business-Anzug oder im sterilen OP-Kittel

Doch genau betrachtet liegt hier die Grenze. Wer in der Mittagspause hinter dem Kopierer verschwindet, riskiert höchstens einen Papierstau. Wer dagegen mitten im OP-Dienst andere Prioritäten setzt, liefert nicht nur Stoff für Legenden in der Kaffeeküche, sondern auch für Untersuchungskommissionen. Zwischen Flirt und Fahrlässigkeit liegen manchmal nur acht Minuten. Heikel. Und doch steckt genau darin das Material, aus dem Kabarettprogramme und Serien geboren werden. Geschichten aus Konferenzräumen, Cockpits und OP-Sälen beweisen vor allem eines: Die wahre Work-Life-Balance heißt vielleicht nicht Yoga oder Achtsamkeit – sondern Protokolle am Vormittag, Quickies am Nachmittag und am Abend die Ausrede, man sei völlig überlastet.

Workshop-Tipp

„Impro für Flirten, Dating und Beziehungen“  – so heißt ein Workshop, bei dem es darum geht, spielerisch neue Seiten an sich selbst zu entdecken – egal ob als Single oder in der Partnerschaft. Gestartet wird bei dem, was da ist: Unsicherheiten, Zweifel, Sehnsüchte oder Selbstvertrauen. Ziel ist es, mehr Leichtigkeit, Ausdruck und Freude in Begegnungen zu bringen – mit anderen und mit sich selbst. 18., 19. Oktober, mehr Info: corinna-lenneis.com

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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