Mit einer Vulva-Robe auf dem Red Carpet: Statement oder Skandal?

Schauspielerin Gillian Anderson zeigte sich mit ihrem Vulva-Dress bei den „Golden Globes“. Aber was ist das nun: skandalös oder ein Statement im Namen der Weiblichkeit?

Das ging aber zackig: 2024 war noch keine zwei Wochen alt, schon oszillierte der erste „Erotikskandal“ (man beachte die Anführungszeichen) durchs Netz. Oder wäre „Fashion-Skandal“ vielleicht das passendere Wort? Dafür sorgte Schauspielerin Gillian Anderson, bekannt als Agentin Scully in „Akte X“ und der Serie „Sex Education“. Darin spielt sie die Rolle der Jean Milburn – Mutter eines Teenagers und Sexualtherapeutin. Bei den Golden Globes, die am 7. Jänner in Beverly Hills stattfanden, erschien sie mit einer „Statement-Robe“ – weißer Stoff, zart bestickt mit vielen, vielen Vulven. Welch ein Hollodero für die Online-Redakteure rund um den Globus, flugs wurden diverse „S“-Worte ausgepackt: schlüpfrig, saftig, schockierend, skandalös.

Doch so richtig sicher, was man da zu sehen bekam, waren sich nur wenige: Manche schrieben von „Vulva-Kleid“, andere bezeichneten es als „Vagina-Dress“, was, genau betrachtet, nicht ganz stimmt: Die Vulva ist das, was man sieht, wenn man sich selbst mit einem Spiegel zwischen den Beinen anschaut, also der äußere Bereich des weiblichen Intimbereichs, samt großen und kleinen Vulva-Lippen und Klitoris sowie Scheideneingang. Die Vagina ist, als Teil der Vulva, jener schlauchförmige Bereich, der den Scheideneingang mit dem Muttermund und dem Uterus verbindet. Anderson selbst beschrieb ihre Robe als „Yoni-Kleid“, auf Instagram teilte sie ein Video davon mit dem Hashtag #yonieoftheday. Yoni – das ist der All-inklusive-Sanskrit-Begriff für Vulva, Vagina, Uterus.

Dem „Pussy“-Prinzip huldigten auch schon andere Designer, wie etwa das Label „Namilia“, das bei der New York Fashion Week im Jahr 2017 Kleider mit aufgenähten Vulven zeigte. Das absolute Highlight war eine barocke Robe im Stil von Marie Antoinette mit eindeutigen Applikationen.

Vulva-Tapeten

Handwerklich ist das Kleid jedenfalls vom Feinsten: Jedes Prachtstück wurde von Hand gestickt, als Zierde eignet sich die Vulva allemal. Mal sieht sie aus wie eine Wunderblume, dann wie ein Schmetterling. Übrigens war Anderson nicht die erste, die mit ihrem genital inspirierten Mode-Statement Aufsehen erregte. Die US-amerikanische Rapperin Cardi B erschien im Jahr 2019 bei der Met-Gala in einem opulenten blutroten Abendkleid, das für allerlei Spekulationen sorgte – als Hommage an die „Menstruation“, die an einen wandelnden Uterus samt sichtbaren Labien erinnerte. Dem „Pussy“-Prinzip huldigten auch schon andere Designer, wie etwa das Label „Namilia“, das bei der New York Fashion Week im Jahr 2017 Kleider mit aufgenähten Vulven zeigte. Das absolute Highlight war eine barocke Robe im Stil von Marie Antoinette mit eindeutigen Applikationen. Und schon damals gab es Diskussionen darüber, ob solcherlei Modestatements ausschließend seien oder einfach nur dazu da, um ein bestimmtes Körperteil zu feiern und zu enttabuisieren. 

Zeit dafür wäre es ja, meint Lisa Frischemeier in ihrem lesenswerten Buch „I see Vulvas everywhere“: „Die Vulva wird nicht nur sprachlich verleumdet, sondern auch visuell. Unser Untenrum ist unterrepräsentiert, und damit auch das, was uns anmacht“, schreibt sie. Wer das ändern möchte, muss nicht zwingend in ein Kleid oder T-Shirt mit Vulva-Design schlüpfen, sondern kann sich zum Beispiel auch Tapeten oder Stoffe für daheim kaufen, die Yoni-inspiriert sind. Ein hübsches, vor allem geschmackvolles Beispiel findet sich etwa auf der Website „Spoonflower.com“, wo Stoffe mit so hübschen Namen wie „Romantic Christmas Vulva“, „Viva la Vulva“, „Labial Damask“ oder „Celebrate Your Uterus“ angeboten werden. Bevor sich die Herren jetzt benachteiligt fühlen, ruhig Blut: Ein bisserl was davon gibt’s auch in der männlichen Version, sogar mit einer Prise „Humor“, in Form des Designs „Just Urology Things“. Vielleicht ein sanfter Reminder, dass der regelmäßige Check-up beim Urologen des Vertrauens nicht vergessen werden sollte.

Aufgeklärt – aber wie?

Wie junge Menschen heute zu sexuellem Wissen kommen, zeigt der aktuelle Report des Sextoy-Herstellers „Amorelie“: Bei jeder dritten Person aus Österreich über 30 waren Magazine für die sexuelle Aufklärung wichtig. Menschen unter 30 beziehen ihr Sex-Wissen vor allem digital: 37 Prozent der Befragten aus Pornos, 32 Prozent von Websites und 19 Prozent aus diversen Social-Media-Kanälen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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