Guido Tartarotti

"Überleben": Die Vorteile des Singlelebens

Meine Freundin war das schönste, humorvollste und warmherzigste Mädchen der Welt. Dass sie plötzlich weg war, machte mich atemlos.

Nach vier Jahren bin ich plötzlich aufgewacht und war wieder Single. Im ersten Augenblick ist das atemberaubend. Ich war gerne vergeben. Meine Freundin war das schönste, humorvollste und warmherzigste Mädchen der Welt. 

Dass sie plötzlich weg war, machte mich atemlos. Dann sah ich plötzlich die Vorteile des Singlelebens. Ich kann alleine ausgehen und Frauen treffen. Ich kann mich plötzlich in zwielichtigen Bars herumtreiben und Cola trinken – Alkohol lasse ich lieber bleiben. Ich kann laufen gehen, Tennis spielen und Freunde treffen, ganz wie es mir gefällt. Nicht, dass sie da etwas dagegen gehabt hätte, aber ich hatte etwas dagegen – ICH hatte etwas dagegen, denn ich empfand jede Minute, die ich nicht mit ihr verbrachte, als verlorene Zeit. 

Ich kann sogar Nordic Walking gehen, was ich bisher als verlorene und etwas peinliche Beschäftigung betrachtete. Nordic Walker sehen immer ein wenig komisch aus, vor allem, wenn sie zu bunte und etwas zu enge Dressen tragen. Ich kann fernsehen bis drei Uhr früh, ohne dass ich Gefahr laufe, jemanden aufzuwecken. Ich kann in meinem Bett schlafen. Bisher musste ich immer ins Wohnzimmer auswandern, weil ich viel zu laut schnarchte. 

Das Schnarchen ist übrigens verschwunden, weil ich 20 Kilo abgenommen habe. Ich kann mich mit meinem besten Freund treffen und die halbe Nacht durchplaudern. Und ich kann laut Heavy Metal hören, das hat ihr nämlich gar nicht gefallen. Und ich kann mir selbst etwas kochen und so scharf würzen, wie es mir gefällt. 

Ja, Single sein ist nicht schlecht. Warten wir einmal ab, was passiert – denn Single sein ist, wie gesagt, nicht schlecht. Aber es ist nur die zweitbeste Lebensweise. In Wahrheit bin ich doch am liebsten zu zweit. Ich bin stark und fühle mich bereit für neue Abenteuer. Was immer da kommen mag, ich bin sehr neugierig. Das Leben hält doch immer wieder neue Überraschungen in der Hinterhand

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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