Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Das Nilpferd im Flugzeug

Über das Träumen: Im Schlaf kommt das Fernsehen.

Als meine Tochter klein war, sagte sie einmal: „Ich freue mich  aufs Schlafen, weil dann kommt wieder das Fernsehen.“ Sie meinte damit: Träumen.

Was kann man Besseres tun, im Lockdown, außer Schlafen und Träumen?

Unlängst träumte ich, ich bin der einzige Passagier einer Boeing 747, am Steuer sitzt mein Freund D., und wer  D. kennt, der wird nicht verwundert sein, dass das Flugzeug im Begriff war, abzustürzen.

Flugzeugabstürze sind mein Standard-Traum, ich träume mindestens einmal die Woche davon. Aus einem Traumbuch, das mir der Kabarettist Gerald Fleischhacker geschenkt hat, weiß ich, dass der geträumte Flugzeugabsturz für die Angst vor dem Leben und dem Tod steht: Das Leben als Flugreise, die auf jeden Fall mit einem Absturz endet, unklar ist nur, wann. Kein Wunder, dass mir auch in der Realität das Fliegen Angst macht: Ich sitze im Flugzeug und rechne stets damit, dass die Maschine in der nächsten Sekunde explodiert.

Ich träume interessanterweise immer die gleichen Geschichten: Ich muss dringend Koffer packen, finde aber die Kleidungsstücke nicht. Ich will meine geheime große Liebe besuchen, habe aber vergessen, wo sie wohnt. Ich entdecke eine großartige, menschenleere Skipiste, verfahre mich und stürze über eine Felswand. Ich muss zum 35. Mal die achte Klasse wiederholen.

Als Kind hatte ich interessantere Träume (aber damals war ja auch das Fernsehen besser, glaube ich). Einmal habe ich geträumt, dass im Stiegenhaus ein Nilpferd auf und ab hüpft. In meinem Traum wurde das Nilpferd mein Haustier, es begleitete mich überallhin und verteidigte mich gegen böse Menschen. Als ich erwachte, sagte mir meine Mutter, dass im Stiegenhaus kein Nilpferd zugegen war, sondern nur unsere dicke Nachbarin, die ihre Einkäufe polternd in ihre Wohnung geschleppt hatte.

Schlafen Sie gut, und ein gutes Programm sei Ihnen gewünscht!

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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