Chaos de luxe Kolumne: Unter Blutdruck

Was Goethe und Keith Richards miteinander verbindet

Ich legte dem Arzt artig mein Blutbild vor, er warf einen etwas angewiderten Blick drauf. So wie mein Boilerservice-Zorro, wenn ich die Wartung des Heizkessels wieder einmal ein paar Monate verschlampt habe. Der Blutdruck erfordere Handlungsbedarf, meinte der Arzt, dessen Statur auf einen Zweitwohnsitz auf einem Mountainbike rückschließen ließ. Wahrscheinlich schrotete er seine Morgen-Körndln selbst, um die Nährwerte zu optimieren. Ich müsse mir schnell ein Messgerät besorgen und mittels einer Tabelle "die Sache aufmerksam beobachten.”

Aus Amazonien kam jetzt dieses Gerät; die Lektüre der Betriebsanleitung (wie eigentlich die aller Betriebsanleitungen) stürzte mich schon in eine Nervenkrise. Ich prokastiniere die Inbetriebnahme erfolgreich und beschließe, meinem Blutdruck von der Maschekseite zu kommen: Kaltbäder. Die sind angeblich gut für eh alles: Blutdruck, Depressionen, das ganze Tralala. Ich habe das Gefühl, eine unbesiegbare mongolische Naturamazone zu sein, die einem jahrhundertealten Ritual folgt, wenn ich fünf Tempi bei 16 Grad in der Alten Donau strample.

Der Gedanke wärmt mich einfach, genau wie jener an all die beruhigenden Beispiele von Menschen, die bis ins hohe Alter ein bisschen schlimm sind: Queen Mum, 101, ihr Blutbild besaß wahrscheinlich einen besorgniserregenden Gin’n’Tonic-Wert, Giacomo Rossini,  der mit 77 (hohes Alter im 18. Jhd.) starb, war ein exorbitanter Gourmet und talentierter Trinker, Goethe ( wurde 83) ließ sich sogar für einen Kuraufenthalt ein Fass Würzburger (80 Bouteillen) einpacken und schrieb nach dem Genuss eines Fläschchen Champagners in sein Tagebuch: "Das hat der Literatur aufgeholfen.” Keith Richards, im Dezember 80, sieht zwar aus, wie von einem Traktor überfahren, ist aber immer noch fest dabei: "Ich stand schon auf mehreren Begräbnissen von Ärzten, die behauptet haben, ich hätte nur mehr sechs Monate zu leben.” Ich bin überzeugt: Sie alle haben oder hatten einen besorgniserregenden Blutdruck.  

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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