Ein Königreich für ein Regal
Wie sich alle fünf Sekunden ein Mensch mit harter Arbeit Platz für seine Bücher schafft – oder Schuhe.
Meine kleine Familie hat nicht vor, jemals wieder aus dem Häuschen auszuziehen, in das wir hoffentlich bald einziehen. Dementsprechend wollte ich mir den Traum erfüllen, einen Tischler mit der Anfertigung eines ewigen Zuhauses für meine geliebten Bücher zu beauftragen. Doch dann stellten sich die Rohre unseres Hauses als Herr und Frau Blei vor, Dachboden und Fassade müssen gedämmt werden, Baustoffe verteuern sich in der Rohstoffkrise ’21 gefühlt täglich.
Mein Traumregal wird also warten müssen, bis ich mich vom Haussanieren saniert habe, und meine Druckwerke einstweilen mit Billy vorlieb nehmen – jenem schwedischen Bücherregal, das laut Konzern alle fünf Sekunden gekauft wird. Der Nachhaltigkeit zuliebe wollte ich sie zumindest aus zweiter Hand erwerben und wunderte mich, dass im Internet für gebrauchte Billys nur geringfügig weniger verlangt wurde als für neue.
Ein Verkäufer erklärte das so: „Bereits betriebsbereit zusammengebaut.“ Nicht wenige der „betriebsbereiten“ Billys waren beim Aufbau ramponiert worden: Nägel hatten die Rückwand durchbohrt, Auslassungen für Steckdosen waren mit Buttermessern ausgestochen worden, eines sah aus, als hätte der arme Teufel, der es zusammenbaute, nicht nur die Anleitung falsch verstanden, sondern seinen Frust darüber am Regal ausgelassen. Zwei Verkäuferinnen priesen diesen Klassiker der Buchaufbewahrung als „Bestes Schuhregal was gibt“, ein anderer verlangte für zwei gebrauchte Regale 20 Euro, für die Lieferung 60 Euro. Regal ohne Lieferung war nicht möglich. Nach wochenlanger Korrespondenz hatte ich einen Einblick in die Welt des Wiederverkaufens bekommen, aber kein einziges Regal. Zermürbt wollte ich schließlich neue kaufen. Allerdings ist Billy aktuell nicht lieferbar. Rohstoffkrise ’21.
Wenn also wirklich alle fünf Sekunden jemand ein Billy kauft, dann hat er sich das ehrlich verdient.
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