Fabelhafte Welt: Zu zweit im Bootcamp

Warum es ok ist, wenn man so wenig Zeit füreinander hat, dass man Zweisamkeit neu definieren muss

Als wir heirateten, nahmen wir uns felsenfest vor, alle Hochzeitstage pompös zu zelebrieren. Vergangene Woche ging der fünfte mit einem eher unpompösen Bussi (an uns) vorbei. Wir haben zwei Kinder unter zwei Jahren, da fehlt für alles, was Erwachsene tun wollen, die Zeit. Laut Beziehungsratgebern sei es der Anfang vom Ende, wenn man sich keine Zeit mehr füreinander nehme. Dann müsse man umgehend zur Paartherapie oder radikal etwas ändern. Doch interessanterweise geht es uns als Paar besser denn je. Wir sind lieb zueinander, behutsam im Umgang, an den letzten Streit kann ich mich nicht erinnern. Kurz machte ich mir Sorgen, ob es gut ist, wenn es uns so gut geht, obwohl wir wenig miteinander sind - doch dann riss mich unser neuer normaler Alltagsirrsinn aus den Gedanken.

Das große Kind wollte spielen, das kleine getragen werden, beide kreischten, beiden musste die Windel gewechselt werden, eine Hornisse flitzte durchs Wohnzimmer, der Hund jaulte, weil ihm ein Legostein zwischen den Zehen steckte, draußen wollten Bauarbeiter Aufmerksamkeit. Zweisamkeit bedeutet neuerdings: zu zweit den Tag bewältigen. Abends dachte ich ans Bundesheer. Da setzt man in der Grundausbildung Rekruten im Wald aus, um sie durch die Widrigkeiten der Natur abzuhärten und als Truppe zusammenzuschweißen. Vielleicht befinden wir uns in der Eltern-Grundausbildung: Wir schlafen zu wenig und essen gehetzt, sind konfrontiert mit wilden Tieren (Hund), gelegentlich wagt sich der Feind aus der Deckung (Hornissen), und dabei sind wir dem Willen und der Willkür zweier strenger Drill-Serganten unterworfen, die uns keine Sekunde ausschnaufen lassen: unseren Kleinkindern. Zeit miteinander mag verbindend sein. Doch es gibt nix verbindenderes als die existenziellen Erfahrungen eines Boot-Camps, um auf die harte Tour ein gutes Team zu werden.

 

 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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