Ansteckungserkrankung Vorfreude
Warum in außergewöhnlichen Zeiten außergewöhnliche Maßnahmen nötig sind, um die Ausbreitung der Weihnachtsmuffelei einzudämmen
Statt Jingle Bells werd ich Heavy Metall hören“, erklärte mir eine Freundin unlängst. „Außerdem halte ich streng Diät: keinen Zucker, kein Weißmehl, keinen Alkohol. Und schenk mir bloß nix, denn ich schenk dir auch nix.“
Sie war zwar die erste, allerdings nicht der einzige meiner Lieblingsmenschen, der Weihnachten heuer ausfallen lassen wollte. Weihnachtsmuffelei kommt alle Jahre wieder – wie die Grippe und zeitgleich mit dem ersten Lebkuchen nahe der Supermarktkassa. Doch aktuell scheint eine heftige Delta-Variante der Weihnachtsmuffelei zu zirkulieren. Ich kann niemandem die schlechte Laune verdenken, aber diese sollte uns Christbaumanhänger keinesfalls bremsen, sondern in missionarischem Eifer erglühen lassen!
Der Freundin auf Zucker-Diät schickte ich dementsprechend Vanillekipferln, auf dass sie sie bei nächtlichem Heißhunger verspeise. Einem Freund, der im Homeoffice verzweifelt, flocht ich einen Adventkranz, um ihm den Schreibtisch zu erleuchten. In unserem Baustellen-Garten hängen mehr Lichterketten, als ich für (außerhalb Amerikas) akzeptabel erachte – aber außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen. Die schlechte Laune meiner Schatzis rührt daher, dass vieles schon wieder nicht passieren kann. „Was ist der Advent ohne einen grauslichen Glühwein-Rausch am Christkindlmarkt?“, meinte eine weitere Freundin, der ich daraufhin ein Do-it-yourself-Glühwein-Set brachte. Nur weil manches nicht möglich ist, ist keineswegs alles unmöglich. Und ein Punschrausch am Wohnzimmerboden ist auch herrlich grauslich. Advent bedeutet, sich auf Weihnachten vorzubereiten. Vorbereitungen wiederum erzeugen Vorfreude.
Deswegen muss man gerade jetzt, wo so vielen nicht nach Adventkitsch zumute ist, diesen umso mehr zelebrieren: weil wir alle Freude gebrauchen können. Und diese ist glücklicherweise höchst ansteckend.
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