Alles in Buddha, Franzi
Über die Notwendigkeit von Stoizismus im Angesicht von Katastrophen
Es ist ein eigenartiges Phänomen, dass man in der Fremde auch immer wieder das Vertraute sucht. Tatsächlich fahre ich seit sechs Jahren immer an den gleichen Ort in Sri Lanka, und jedes Mal, wenn das Tuk-Tuk des Bäckers mit der lautstarken Motivations-Melodie von Beethovens „Für Elise“ durch die lehmigen Straßen kurvt, überfällt einen ein so kuscheliges Heimatgefühl. Das hätte sich der selige Ludwig van B. nicht albträumen lassen, dass der Bäcker von Wadduwa seine Komposition schändet. Die Brote kosten inzwischen das Zehnfache, als in den Zeiten vor dem großen C, das Land steht knapp vor dem Bankrott. Die Straßen sind nachts zappenduster, manche der Hotelkästen verbarrikadiert, in den Touri-Läden die Regale schütter besetzt. Trotz drohender Katastrophen („Die Chinesen werden uns zum Frühstück essen“, schreit der Strandphilosoph), wirken die Menschen großteils stoisch. „Problem is problem anyhow, M’dm, is a laughin better“, erzählt mir die Greißlerin, die mitten im Dschungel einen auch ohne C zäh florierenden Kiosk mit Postkarten unterhält. Michael, der ansonsten so quietschfidele Schneider, hat sich tageweise ein Auto gemietet, mit dem er immer wieder die Hauptstraße entlang kurvt, damit seine Nachbarn nicht spitz kriegen, dass er seine Kutsche verklopfen musste. Er weint dicke Tränen, wenn er vom Verlust seines BMWs erzählt, aber der Erlös hat die Familie im letzten Jahr durchgebracht. In meinem Zimmer hat es sich eine fette Küchenschabe gemütlich gemacht, eine Art Krisen-Groupie, denn einiges an Personal musste abgebaut werden. Ich nenne sie „Franzi“ (wegen Kafkas „Verwandlung“) und beschließe, eine friedliche Ko-Existenz mit ihr zu führen. Schließlich hat mir mein Landlord gestern einen Vortrag über das buddhistische Konzept der Wiedergeburt gehalten. Um der Gefahr vorzubeugen, dass ich nach einem Insektenmord als Staubmilbe wieder geboren werde, flüstere ich Madam Franzi zu: „Alles in Buddha, is no problem at all.“
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