Alarmstufe Psychoanalyse
Das Kind dreht mich im Liegen durch die Mangel.
Meine Misanthropin des Herzens,Fran Lebowitz, hat mir aus der Seele gesprochen. In einem Interview sagte sie, dass der Sieger der aktuellen Nervensägen-Parade mit Abstand Prinz Harry sei. Der Junge benehme sich gerade so, als ob er „in einem syrischen Flüchtlingslager” aufgewachsen sei. Jetzt einmal abgesehen von dem frühen Halbwaisenstatus, der natürlich traumatisierend gewesen sein muss: ein gewalttätiger Bruder, ein emotional tollpatschiger Vater, eine superbusy Omi – das klingt eigentlich nach familiärer Alltagskost. Der Befindlichkeits-Katastrophengebiet der Generation Maybe (so von 23 bis 35) ist tatsächlich auch unter weniger reich Leidenden ein ziemlich weites Land. Da kann man schon mit Winzigkeiten jahrelange Traumatisierungen fest zementieren „Meine Mum ist voll arg”, sagte eine Fortpflanz-Freundin, die sich in einem Britney-Spears-Moment das Köpfchen scheren hatte lassen, „sie nennt mich Egghead und akzeptiert diesen Schritt aus dem sexistischen Käfig nicht. Ich habe jetzt einmal die Ties gecuttet, denn ich habe keine Lust, dass sie in mir weiter Minderwertigkeitsgefühle triggert.”
Der Fortpflanz hat sich gerade mit Verve in eine Psychoanalyse geworfen. „Mutter, du bist jetzt gerade voll das Thema bei meinem Shrink. Unlängst habe ich geträumt, dass du deine Enkelin nicht reanimiert hast, weil du irgendeine Deadline hattest.” Na bravo. Aber ein sinnloser Panik-Traum: Angesichts der Klimakrise, hatte das Kind schon oft gemeint, kann ich mir Mini-Fortpflänzchen sowieso pinseln. Klar, dass der Vater da vergleichsweise ungeschoren bleibt. Der war ja auch kaum vorhanden. „Und weißt du was? Wäre ich eine Heli-Mum gewesen, die jede gesunde Jause mit vitaminhältigen Schnitzereien dekoriert und nachts noch schnell ein Faschingskostüm gebastelt hat, hättest du deinem Onkel Freud erzählt dass ich Barrikaden gegen deine Autonomiebestrebungen errichtet und dir die Luft abgraben habe.“ Das Kind grinste breit: „Sicher. Aber dafür ist ja so eine Psychoanalyse schließlich da.”
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