"ÜberLeben": Schweinebäuche im Fitnesscenter
Ich gehe gerne trainieren. Um zu beobachten.
Einer meiner besten Freunde ist Friseur, und ja, ich weiß, das sieht man nicht. Ich gehe auch regelmäßig ins Fitnesscenter, und auch das fällt nicht auf.
Ich gehe ja auch nicht in erster Linie ins Fitnesscenter, um meine Muskeln zu vergrößern. Ich möchte nicht unbedingt aussehen wie diese Männer, die sich offenbar jeden Morgen eine Fahrradpumpe ins Gesäß stecken, um sich aufzupumpen wie eine Luftmatratze. Ich gehe dorthin, weil ich das Trainieren wie Meditation empfinde: Es beruhigt die Nerven so schön, und man braucht dazu weder Räucherstäbchen, noch eine Familienpackung Achtsamkeit, noch auf der Panflöte vertonte Bodennebeleinbrüche. Und ich gehe dorthin, weil ich so gerne beobachte.
Während der vergangenen zwei Jahre war das Fitnesscenter ja entweder geschlossen oder ein potenzieller Seuchenherd, jetzt aber sehe ich sie alle wieder. Den Typen etwa, der vor lauter Kraft kaum noch stehen kann und der nach jeder Übung die Gewichte laut krachend fallen lässt, anschließend aufspringt, ein wenig auf und ab hüpft und heftig die Luft ausbläst, damit jeder sieht, wie unglaublich viel Testosteron in seinem Blutkreislauf rotiert.
Oder der Nervöse, der ununterbrochen durch die Gegend rennt, einmal an dieser Maschine reißt, einmal an jenem Gewicht zupft und dazwischen Tanzschritte übt, als hätte er einen Kerosineinlauf bekommen.
Oder der Wichtige, der immer im Business-Anzug kommt, sich dann in ein hautenges Sportdress mit Sponsoraufdrucken füllt, sich an ein Gerät setzt – und dort 45 Minuten lang am Handy die neuesten Aktienkurse für Schweinebäuche diskutiert. Er trainiert nie, vermutlich hält er es einfach zu Hause alleine mit sich nicht aus.
Das Interessante ist: Die sind immer da, egal, wann ich komme. Vermutlich beobachten sie mich und denken sich: Der mit der Frisur schaut tatsächlich beim Trainieren drein, als würde er meditieren oder hätte Blähungen.
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