Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Mit Venus und Jupiter auf eine Leberkässemmel

Am Geheimweg riecht es nach Frühling.

Meine  Freundin und ich sitzen auf dem Bankerl, schauen in den Nachthimmel und sagen nichts. Am Himmel sieht man Venus und Jupiter, die sich langsam und vorsichtig annähern, als würden sie schmusen wollen. Wir schauen ihnen dabei zu, und das Ganze ist schöner als jeder Liebeskitschfilm im Fernsehen.

„Das Bankerl“ steht auf einem kleinen Hügel der Parkanlage neben der Wohnhausanlage, in der wir leben. Am besten erreicht man das Bankerl über den „Geheimweg“, einen ausgetretenen Pfad, der durch die Bäume und Büsche führt.

Als Kind habe ich die Abendspaziergänge gehasst. Meine Eltern bestanden darauf, dass ein anständiger Mensch den Tag nicht beschließen darf, ohne seine Füße zu bewegen, abgesehen davon musste der Hund raus, ein Schäferhund namens Adolf. Mein Vater hatte einen schrägen Humor, er fand es lustig, sagen zu können: Adolf, du bist ein blöder Hund. Also gingen wir spazieren, jeden Abend, bei jedem Wetter.

Heute liebe ich die Abendrunde, den kleinen Weg zum Bankerl, ich liebe es, dort  sitzen, die Planeten beobachten und schweigen zu können. Meine Freundin und ich teilen uns eine Dose Bier und schnuppern die Luft. Es riecht schon ein ganz kleines bisschen nach Frühling, und der Duft ist einfach herrlich.  Er erzählt uns von Leben und Freude und von den Tagen am Ziegelteich, die auf uns warten. Von den Vespafahrten zum Heurigen.  Und vom Schlafen bei weit offenem Fenster, bis die brüllenden Vögel uns im Morgengrauen wecken werden.

Dann unterbricht meine Freundin das Schweigen, indem sie einen sehr alten, aber sehr guten Witz erzählt. Wir stehen auf und nehmen uns an den Händen. Hinter dem Hügel leuchtet einladend eine Tankstelle, und weil der Abend so schön ist, beschließen wir, uns eine Leberkässemmel zu gönnen. Venus und Jupiter dürfen mitgehen, wenn sie denn wollen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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