Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Mit Käsekruste

Oft braucht es nur wenig für ein gutes Leben.

Um zu überleben, reichen Wasser und Brot. Die Theorie, ab und zu ein Sahnehäubchen oben drauf mache aus einem Überleben ein gutes Leben, teile ich nicht. Ich mag nichts Süßes. Und ich mache nicht gern Umstände. Weder dem Servierpersonal im Lokal, noch den „Kann-man-helfen?“-Beratern im Textilhandel (noch schlimmer für Kontaktmeider wie mich: „Was suchen der Herr?“ – Das Weite!).

Reklamations- und Beratungsgespräche machen mir Angst. Da trage ich die Sakkos lieber zwei Nummern zu groß  und esse die Bratwurst lauwarm, im Notfall sogar ohne Senf, dafür  mit extrascharfem Pastinaken-Physalis-Chutney, um nicht das Gespräch suchen zu müssen. An keinem Hot Chutney der Welt würde ich mir so  die Zunge verbrennen wie an dem Satz: „Entschuldigen Sie, ich habe das so nicht bestellt ...“

Unlängst beim Wirten habe ich die Rechnung ohne die Freundin und die Ex-Frau gemacht. Wir waren zu dritt essen,  ich versuchte, wie immer, keine Umstände zu machen, und ärgerte mich über den Mann am Nebentisch, der „ein Bier, aber nicht zu obergärig,  in einem möglichst zarten und nicht in einem dicken Glas, sonst schmeckt es mir nicht“ bestellte. Ich konterte souverän: „Ein Bier bitte.“ Und: „Schinkenfleckerln mit Käsekruste“. Keine Extrawürste, keine zarten Gläser, keine Sonderaufträge.

Die Schinkenfleckerln kamen, waren aber nicht überbacken. Ich tat so, als bemerkte ich es nicht. Meine Freundin fragte: „Wo ist die Käsekruste?“ Ich stellte mich dumm: „Wieso? Dein Gulasch war doch ohne Käse auf der Karte.“ Aber meine Ex-Frau  wandte sich bereits an den Kellner: „Entschuldigen Sie, hier fehlt die Käsekruste.“ Ich stammelte: „Passt schon.“ Doch der junge Mann nahm mir die Schinkenfleckerlpfanne weg und sagte: „Tut mir leid, kommt sofort!“ Zehn Minuten später hatte ich Schinkenfleckerln mit Käsekruste. Und ich muss sagen: Ab und zu eine Käsekruste oben drauf macht aus einem Überleben ein gutes Leben.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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