"ÜberLeben": Mit Elvis im Bad
Hawaii, Acapulco und Badehaube mit Plastikblumen.
Ich liege im Bad und höre Elvis. Weil ich es mir gerne ein bisschen schwer mache, höre ich nicht das, was eh jeder mag, sondern die schwierigen Alben aus den Sechzigern, als Elvis in erster Linie damit beschäftigt war, am Fließband peinliche Filme zu drehen. Die Platten dazu sind kaum mehr als Stilübungen im angewandten Schnulzismus, aber es ist beeindruckend zu hören, wie diese unfassbare Stimme selbst über die belanglosesten Lieder triumphiert. Zur Musik mischt sich das Kreischen der Kinder, die einander auf der Liegewiese Eisstanitzel über die Köpfe dreschen, und plötzlich kann ich mir vorstellen, wie ein Elvis-Konzert geklungen hat.
Da wird mir bewusst: Ich bin schon in diesem Bad gelegen, da hat Elvis noch gelebt. Mehr noch: Da war er noch nicht einmal dick.
Viel hat sich nicht verändert. Die Menschen sind heute großflächig tätowiert, die Kinder sind besser genährt (wie war das mit der täglichen Turnstunde?), die Wassertemperatur wird nicht mehr mit Kreide an eine Tafel geschrieben, der Sprungturm ist weg (so etwas gilt heute als Aufforderung zum Suizid, offenbar ist das Wissen verloren gegangen, dass man aus drei oder fünf Metern keinen Bauchfleck macht).
Ich genieße die Hitze und stelle gleichzeitig fest, dass die Sonne schon herbstliches Licht wirft, was mich deprimiert, denn ich hasse den Herbst, er kündigt acht dunkle, kalte, nasse, traurige Monate an.
Ins Wasser gehe ich nicht, denn ich weiß, es wird mir zu kalt sein, aber ich genieße den Geruch des Wassers, eine Mischung aus Chlor, Tiroler Nussöl und Pommes.
Als ich ein Kind war, kostete der Doppellutscher zwei Schilling, heute muss man sich einen Kredit aufnehmen, um ein Eis zu finanzieren.
Ich setzte die Kopfhörer auf, Elvis singt von Hawaii und Acapulco, und auf einmal sehe ich tatsächlich eine Frau, die eine Badehaube trägt wie meine Oma damals, die, mit den dicken Plastikblumen oben drauf.
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