Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Karotte Käse

Zählen beim Tennis: Geheimwissenschaft und kulinarische Anregung.

Ich weiß noch, wie ich einmal versucht habe, meiner damaligen Freundin zu erklären, wie man beim Tennis zählt: 15, 30, dann aber nicht 45, sondern 40, nach dem nächsten Punkt hat man ein Game, außer es steht 40 zu 40, dann gibt es Einstand und Vorteil. Man braucht sechs Games, um einen Satz zu gewinnen, außer es steht fünf zu fünf, dann spielt man bis sieben. Steht es sechs zu sechs, gibt es ein Tiebreak, da zählt man nicht 15, 30, 40, sondern bis sieben. Es sei denn, es steht sieben zu sieben, dann spielt man weiter, bis es zwei Punkte Abstand gibt. Man braucht zwei Sätze, um ein Match zu gewinnen, es sei denn, man spielt auf drei Gewinnsätze. Und dann gibt es noch Match-Tiebreaks und Champions-Tiebreaks und beim Doppel ...

Meine Freundin sah mich leer an und gab der Vermutung Ausdruck, ich sei nicht ganz dicht.

Zugegeben, wenn man es sich so anhört, klingt es nicht nach Sport, sondern nach einer esoterischen Geheimwissenschaft.

Ich war ein kleines Kind, als ich Tennis kennenlernte – mein Vater war Tennistrainer – und für mich war das alles ganz normal. Ich weiß noch, wie faszinierend ich es fand, dass man ein Tennismatch verlieren kann, obwohl man mehr Punkte gemacht hat als der Gegner. Und dass das Spiel erst aus ist, wenn der letzte Punkt gemacht wurde. Im Hobbytennis kann man das gar nicht so selten erleben, dass einer 6:0, 5:0 führt und trotzdem noch verliert. Ich finde, das ist eine schöne Metapher für das Leben.

Unlängst sah ich eine Tennisübertragung aus Montreal. Der Schiedsrichter tat sich schwer mit der französischen Sprache. Immer, wenn es 40:15 stand, musste er sagen: „Quarante quinze.“ Es hörte sich aber an wie: Karotte Käse. Das hat meine Fantasie beflügelt: Karotte Käse klingt wie ein vegetarisches Menü. Oder wie die  Geschmacksnote einer neuen Eissorte. Vielleicht sogar wie eine Punschkreation, die wir schon bald auf einem Christkindlmarkt verkosten dürfen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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