Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Geräuchert

In meiner Wohnung riecht es komisch. Machen wir jetzt achtsames ayurvedisches Tantra-Töpferei-Yoga?

In meiner Wohnung riecht es derzeit interessant. Anders gesagt: Es riecht so, als hätten wir vor, demnächst ein Trainingscamp für achtsames ayurvedisches Tantra-Töpferei-Yoga zu eröffnen.

Das liegt daran, dass meine Freundin und ich einander das gleiche zu Weihnachten geschenkt haben: nämlich Räucherstäbchen. Und jetzt haben wir genug Räucherzeugs, um ganz Wiener Neudorf unter einer dichten Wolke verschwinden zu lassen und in Klein-Indien zu verwandeln. Es  sind wirklich so viele Räucherstäbchen, dass sie uns  olfaktorisch einhüllen, ohne dass wir sie anzünden müssten. Wir grinsen ständig leicht benebelt.

Wunderbaum Bulldogge

Wir haben übrigens beschlossen, die Tatsache, dass wir die gleichen Geschenke ausgewählt haben, als gutes Zeichen zu betrachten. Offenbar kennen wir nicht nur uns, sondern auch einander gut. Und wir beide mögen es, wenn es gut riecht. Die Räucherstäbchen sind auch durchaus notwendig, denn in meiner Wohnung hängt immer noch der Geruch meiner Bulldogge, die uns vor drei Jahren für immer verlassen hat. Bulldoggengeruch ist hartnäckig, und es gibt aus gutem Grund keinen Wunderbaum Bulldogge fürs Auto – Bulldogge riecht nach Raubtiergehege und gleichzeitig nach Turnsackerl.

Meine Freundin ist die ideale Zielgruppe für den Räucherstäbchen-Handel. Sie liest gerne Bücher von asiatischen Gurus mit komischen Namen, sie glaubt an Dinge, die man nicht wissen, sondern eben nur glauben kann, und sie verteilt gerne Post-it-Zettelchen in der Wohnung, auf denen Dinge stehen wie „Auch glücklich sein ist eine Entscheidung“.

Ich habe dagegen wenig Talent für die Esoterik, ich fühle mich wohler auf dem sicheren Boden von Tatsachen als im Sumpf der Ahnungen. Aber ich mag Räucherstäbchen, sie erinnern mich an meine Teenager-Jahre, als alle begehrenswerten Mädchen der Schule nach Patschuli rochen und Vanilletee tranken.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

Kommentare