Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Die Liebe ist unterhaltsam

Die Sehnsucht nach Unterhaltung und der Besuch im Kabarett.

Christian Dolezal ist ein merkwürdiger Schauspieler. Merkwürdig im Sinn von: des Merkens würdig.  Er schafft es, die Sätze so zu sprechen, als kämen sie nicht von einer Figur, sondern von einem richtigen Menschen. Und trotzdem ist es immer Kunst. Er kaut immer ein wenig auf den Wörtern herum, bevor er sie ausspricht, als würde er erst überprüfen wollen, wie sie schmecken. Und wie sie schmecken, das zeigt dann sein Gesicht.

Dolezal ist jetzt auch Kabarettist, sein Programm handelt von der Liebe, also vom wichtigsten, fürchterlichsten und schönsten Thema von allen. Im KURIER-Interview sagte er über die Verlockungen der Liebe: „Man lässt sich manchmal unüberlegt und naiv in etwas hineinplumpsen – und dann wundert man sich, dass man als Schwerverletzter überbleibt.“ Spätestens da war ich mir sicher, dass ich das Programm sehen wollte, und zwar mutigerweise gemeinsam mit meiner Freundin.

Dolezals Programm erzählt von gelungener und missglückter Liebe, von sehnsuchtsvollen, aggressiven, seltsamen, ängstlichen, bissigen, peinlichen Personen, also von Menschen. Seine schönste Figur ist die Frau Knechtl, die davon träumt, einmal bei einem Sturz von einem Baum mit roten Äpfeln zu sterben, und der wir alle wünschen, es möge ihr gelingen.

Nach der Premiere stehen wir noch mit dem Künstler und seinen Freunden in der Gegend herum, halten uns an unseren Bieren fest und reden über die Liebe.

Und plötzlich wird mir klar, wonach ich in den vergangenen, nicht gerade schönen Jahren so viel Sehnsucht hatte: nach Unterhaltung. Nach Menschen, die mir spannende, interessante, lustige Geschichten erzählen. Kurz ist mir das fast ein bisschen peinlich – darf man so empfinden als Kulturjournalist? – aber nur kurz.

Danach fahren meine Freundin und ich nach Hause, lachen viel und schauen einander oft an. Und ja, das ist gut so.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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