Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Die gestreifte Laufhaube

Laufen: Auf dem Weg zu sich selber.

Als ich ein Kind war, veranstalteten meine Freunde einen Laufwettbewerb, und ich nahm natürlich daran teil. Der Vater eines Freundes besaß eine Super-8-Kamera und filmte das Großereignis. Als wir uns eine Woche später den Film ansahen, war ich schockiert: Während meine Freunde schön zackig geradeaus liefen, taumelte ich herum wie ein betrunkener Bär. Ich war ... mir fällt kein anderes Wort ein: plump. Fortan verzichtete ich aufs Laufen und bewegte mich gehend fort, das erschien mir sicherer und weniger peinlich.

Das Ganze war mir umso unangenehmer, als mein Vater in seiner Jugend einer der besten Mittelstreckenläufer des Landes gewesen war.

Erst im Gymnasium fand ich wieder zum Laufen, ich kam nämlich drauf, dass ich eine gute Kondition hatte und dadurch vielen anderen beim Laufen überlegen war. Den betrunkenen Bären war ich inzwischen losgeworden, jetzt lief auch ich geradeaus, wie sich das gehörte. Bei einem Schulwettbewerb erreichte ich einen  Platz ganz vorne und war enorm stolz. Seitdem gehört Laufen zu meinem Leben.

Laufen ist die einfachste Sportart von allen. Man benötigt dazu nur einen Körper und ein Paar Schuhe, und schon kann es losgehen. Laufen ist nicht nur enorm gesund, es ist auch Meditation in Bewegung. Man kann sich selbst dabei beobachten, wie die Gedanken immer langsamer werden und sich irgendwann das wohlige Gefühl völliger Ruhe einstellt. In diesem Zustand habe ich die besten Ideen – und manchmal habe ich auch gar nichts, was auch nicht wirklich schlecht ist.

Zuletzt habe ich das Laufen vernachlässigt, mir taten die Knie weh, aber das war eher eine Ausrede. Ich war zu träge, zu faul zum Laufen geworden. Aber damit ist jetzt Schluss: Ich habe im Kasten meine überaus kleidsame, gestreifte Laufhaube gefunden, und jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Diese Kolumne ist fertig, und jetzt gehe ich laufen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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