Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Der schwarze Begleiter

Über Depression, Fußpilz an der Seele und das Lachen.

Obacht! Die heutige Kolumne wird nicht ganz so heiter, wie Sie es von mir gewohnt sind. Wobei: Ich kenne mich. Ganz ohne Blödeln werde ich es nicht schaffen. Denn Humor ist ja die einzige wirksame Notwehrwaffe, die uns das Leben in die Hand gedrückt hat.

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Text schreiben soll. Er ist mir ein bisschen peinlich. Wobei ich gar nicht weiß warum. Einen Schnupfen, eine verstauchte Zehe oder Fußpilz zu haben, ist ja auch nicht peinlich.

Also: Schon als Kind spürte ich, dass ich einen schwarzen Begleiter habe. Ich nenne ihn so, weil das Wort „Depression“ für meinen Geschmack viel zu wichtigtuerisch klingt. Ich war als Kind oft grundlos traurig und dachte an die Endlichkeit von Erdbeereis und Leben. Meine Eltern nannten mich ein wenig hilflos „unser kleiner Philosoph“.

Als ich etwa 30 Jahre alt war, wurde der schwarze Begleiter plötzlich stärker. Manchmal verhielt er sich ruhig, aber immer öfter drängte er sich in den Vordergrund und bestand nachdrücklich darauf, mein Dasein in unschönen Herbstnebel zu legen. Damals suchte ich einen Neurologen auf und verstand zum ersten Mal, dass ich Schnupfen, Verstauchungen, Fußpilz an der Seele habe.
Wobei ich noch Glück habe: Der schwarze Begleiter hat mich nie daran gehindert, meine Arbeit zu tun, und zwar gerne. Aber er war lästig wie ein unhöflicher, rülpsender Gast, der sich weigert zu gehen.

Diesen Sommer beschloss ich – ermutigt durch das Beispiel des Kabarettisten Thomas Stipsits – auf Kur zu gehen, auf seelische Reha. Ich war in einer Tagesklinik, da hat man am Vormittag Therapien, am Nachmittag kann man heim oder arbeiten gehen.

Ich habe dort wunderbare Menschen kennengelernt, Menschen aller Bildungsschichten, ganz junge, aber auch ältere. Sie alle haben mich inspiriert, durch den tapferen, mutigen, harten Kampf, den sie kämpfen.

Und erstaunlicherweise haben wir sehr viel miteinander gelacht. Falls ihr das lest: Ich denke oft an euch.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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