"ÜberLeben": Das richtige Fasten
Der große Verzicht kann beginnen.
T. fragt mich, welches Fasten ich für heuer plane. "Frag ich mich auch“, antworte ich. Fasten zur Zeit der Propheten war ein einsames Erleuchtungsritual. Fasten zur Zeit der Influencer ist ein sozialmedienwirksames Selbstdarstellungsritual. Das macht es für mich unattraktiv. Ich bin kein Herdentier, mag weder Sitzkreise noch Gruppenbusreisen, war nie Pfadfinder und hab mich im Kindergarten vor jedem "Alle spielen mit“-Zeitvertreib versteckt. Gruppendynamische Großereignisse wie der Heringsschmaus lösen bei mir Fluchtreflexe aus. „Heringsschmaus“ ist ein Gelage, bei dem große Societyhaie kleine Fische social-medial ausschlachten und in so großer Zahl verdrücken, dass sie kein Fleisch mehr runterbringen. Sie nennen es Fasttag, weil sie einen Tag dem Fleisch entsagen. Damit ist die Fastenzeit eröffnet.
Trends wie Autofasten oder Handyfasten werden durchs Dorf getrieben, und zwischen Palmsonntag und Ostermontag haben sich dann langsam alle wieder beruhigt.
"Ich erwäge heuer das Autofasten“, sage ich zu T. "Du hast kein Auto“, erwidert T. "Daher lässt es sich bequem einrichten“, erkläre ich. "Das gilt nicht“, sagt T. „Ich kann Handyfasten ausprobieren“, grüble ich. "Du meinst, dass du das Handy nie ansteckst und den Akku verhungern lässt?“, fragt T. "Nein, dass ich in der Fastenzeit nicht aufs Handy schaue und mir so alle Liveübertragungen von Heringsschmäusen erspare.“
"Die gibt es heuer sowieso nicht“, sagt T. "Sind die Meere leergefischt?“, frage ich. "Nein, aber der heißeste Influencertrend ist Social-Media-Fasten.“ Ich staune: "Wie geht das?“ T. erklärt es so: "Influencer posten, dass sie in der Fastenzeit nichts posten werden, haben daraufhin doppelt so viele Follower, die sich alle auf Social Media darüber austauschen, wie wichtig es ist, die sozialen Medien ruhend zu stellen, es gibt sogar Trainings für Social-Media-Verzicht.“
"Auf Social Media, nehme ich an“, knurre ich. Es steht fest, ich werde Handyfasten.
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